Heft 1/2013, Editorial

Neues Altes aus Namibia

DER SWAPO-PARTEIKONGRESS läutete gegen Ende 2012 die Ära nach der zweiten Amtszeit des Staatsoberhauptes Hifikepunye Pohamba ab März 2015 ein (siehe „Politische Zensur: Team Hage", S. 16-17 in dieses Heft). Doch mindestens eines bleibt beim Alten: Es wird nochmals die letzte aktive Garde der ersten Generation mobilisiert, um unter Hage Geingob als im Amt bestätigtem Vizepräsidenten die Staatsführung zu übernehmen. Er behauptete sich überraschend souverän gegen zwei Konkurrenten, die ebenfalls mit Meriten aus den Zeiten des antikolonialen Widerstands antraten. Der befürchtete „showdown" endete erstaunlich brav. Doch damit beginnen erst die Aufgaben für das Staatsoberhaupt in spe. Zwar kam Amtsinhaber Pohamba seinem potenziellen Nachfolger nicht nur im Wahlkampf zu Hilfe, sondern verschaffte ihm durch eine Kabinettsumbildung weiteren Handlungsspielraum. Doch es bleibt abzuwarten, ob und wie dieser genutzt werden kann.

 

Geingob muss nun integrativ wirken und den von Parteiräson geleiteten Worten aller drei Kandidaten entsprechende Taten folgen lassen. Die interne Fraktionierung ist trotz des deutlichen Ergebnisses keinesfalls überwunden. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit den ihre Wunden leckenden Konkurrenten Pendukeni Iivula-Ithana und Jerry Ekandjo. Sie haben durch die Wahlniederlage auch ihre früheren Parteiämter als Generalsekretär bzw. Informationssekretär verloren und müssen sich durch die Kabinettsumbildung mit anderen Ressorts zufrieden geben. Ganz abserviert wurden sie hingegen nicht.

 

Ihre vergebliche Unterstützung durch die mit der Swapo verbandelte Gewerkschaft bzw. der Jugendliga signalisierte gleichzeitig, dass der Einfluss beider Organisationen längst nicht mehr ein innerparteilicher Vorteil ist. Der kränkelnde Gewerkschaftsdachverband NUNW ist wohl auf absehbare Zeit hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt. Auch der scheinbare Höhenflug der Jugendliga, deren Funktionäre sich schon in der Rolle des Königsmachers sahen, endete mit einer Notlandung. Dies ändert nichts daran, dass mit einer Ära Geingob die letzten Amtszeiten der ersten Veteranen-Generation enden werden. Über den Machtkämpfen unter diesen vermochte sich eine jüngere Generation kaum zu positionieren.

 

Auf der Strecke blieb mit der Kabinettsumbildung der frühere Minister für Jugend, Sport und Kultur Kazenambo Kazenambo („KK"), als Quereinsteiger einer der wenigen Vertreter einer nachkolonialen Generation. Hitzköpfig sorgte er mehrfach für Aufregung, auch als Leiter der namibischen Delegation, die zur Rückführung der ersten Schädel von Opfern des deutschen Genozids nach Berlin reiste. Als Angehöriger der nach Botswana vertriebenen Herero hatte er allen Grund zur Betroffenheit, auch wenn seine Gefühlsausbrüche nicht nur in diesem Falle mit einem ministeriellen Habitus kollidierten. Vor Tabubrüchen scheute er sich nicht.

 

KK forderte nicht nur eine Legalisierung der Prostitution (um damit die Mädchen und Frauen auf der Straße besser zu schützen). Er initiierte auch frühzeitig die öffentliche Debatte, dass ein namibisches Staatsoberhaupt nicht zwangsläufig aus der ovambosprachigen Bevölkerungsmehrheit stammen müsse. Er war damit eine Schlüsselfigur auf dem Wege Geingobs zur neuerlichen Macht. Diesem kann oder darf die nunmehr erfolgte politische Verbannung KKs eigentlich nicht egal sein, auch wenn KK aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur nicht als „ministeriabel" gelten mag.

Als weitere „Bauernopfer" können durch die parteiinterne Machtverschiebung der frühere Premierminister Nahas Angula und der zumindest zwischenzeitlich auch von seinem Vater geförderte Uutoni Nujoma (Sohn des „Gründungsvaters der namibischen Nation") gelten. Sie mussten sich wie Ithana und Ekandjo jetzt mit anderen Ressorts begnügen, wobei sie beide im Vorfeld der Nominierung der drei Kandidaten für die Wahl zum Vizepräsidenten der Partei (und damit Präsidentschaftsanwärter) ebenfalls als potenzielle Bewerber gehandelt wurden.

 

Es gibt also weiterhin reichlich Versöhnungsarbeit nicht nur im nationalen Rahmen, sondern auch innerhalb der eigenen Partei zu leisten, bevor sich Geingob um andere staatsmännische Aufgaben kümmern kann. Die innerparteilichen Spannungen bezüglich der ethnischen Herkunft eines Staatsoberhauptes sind beileibe nicht ad acta gelegt, sondern gehören dazu. – Ob und wie Geingob die Herausforderungen meistert, wird zu beobachten bleiben.

 

Henning Melber