Heft 1/2015, Südafrika: Stadtentwicklung

Die Saat geht auf

SEED – SCHOOLS ENVIRONMENT EDUCATION DEVELOPMENT. Dieser Name ist Programm und führt direkt ins Township Mitchells Plain südlich von Kapstadt.

 

Seed ist eine Non-Profit-Organisation, die seit über zwölf Jahren Permakultur in der Stadt vermittelt. Heute organisiert sie ihre Aktivitäten von einer Grundschule aus, der Rocklands Primary School. Begonnen hatte Seed in Kooperation mit Abalimi, einem Gartenprojekt, welches im Großraum Kapstadt Communitygärten anlegt, Anwohner beschäftigt und Gemüseboxen verkauft. Aus diesem Projekt entwickelte sich die Idee, das Bewusstsein für gesunde Ernährung und nachhaltigen Gemüseanbau in Townships zu stärken.

 

Seed begann damit zunächst in Philippi und dann in Mitchells Plain. Den Schülern sollte vermittelt werden, woher ihr Essen kommt, und so ihr Interesse an einem nachhaltigen und naturnahen Kreisläufen angepassten Anbau zu wecken – im Fachjargon Permakultur.

 

Daraus entwickelte sich eine Zusammenarbeit mit der Grundschule in Rocklands. Dort entstand ein Klassenraum in der Natur. Nach und nach wurde ein großer Gemüsegarten angelegt. Hier werden Schüler, aber auch Lehrer in Permakultur unterwiesen, Jugendliche ausgebildet (APT), im Food Freedom Project interessierte Township-Bewohner gewonnen, hier wurde das Gourmet Mushroom Project angestoßen. Die Projekte haben einige Bewohner von Mitchells Plain begeistert, manche sind nun fest angestellt. Tania Jacobs, die in diesem Township aufgewachsen ist, hat ihre Passion im Gärtnern gefunden und betreut nun die Samenzucht.

 

Permakultur
Der große Seed-Garten, den Mitarbeiter und Freiwillige im Lauf der Jahre anlegten, vermittelt das Prinzip Permakultur. Sie hat einen positiven Einfluss auf die Umwelt, unter anderem: steigende Biodiversität, Verlangsamung des Klimawandels und Wassersparen. Permakultur bedeutet, Ressourcen und Raum zu nutzen, Wertstoffe zu recyclen, eine ausreichende und gesunde Ernährung zu garantieren und den Garten zeit- und kraftsparend zu gestalten. Um diese Art und Weise des Gartenbaus zu lehren, werden regelmäßig Touren und Workshops für Lehrer, Eltern und andere Interessierte angeboten. Diese Touren zeigen u.a. auch das selbstgebaute Recycling-Haus mit dem Titel „Das Leben nach dem Öl". Denn dieses Haus ist nur aus Autoreifen, Glasflaschen und Ton gebaut. Der Strom wird durch Sonnenenergie erzeugt. Dieses Beispiel veranschaulicht, wie man unabhängig leben und durch Recycling viel erreichen kann.

 

Unterricht findet nicht nur in Klassenräumen statt, sondern auch im Freien. Dort lernen die Schüler der Rocklands Primary School zum Beispiel etwas über verschiedene Arten von Erde – sie fassen sie an, riechen sie und forschen, was es in der Erde zu entdecken gibt. Der Unterricht ist an die Lehrpläne angepasst. Seed-Mitarbeiterin Yoli Mahobe betont: „Die Kinder sind unsere Zukunft! Es ist wichtig, ihnen so früh wie möglich beizubringen, wie unser Ökosystem funktioniert und wie man sich darum kümmert."

 

Das Food Freedom Project hat das Ziel, dass sich die Menschen aus der Gemeinschaft selbst ernähren können. Seed hilft, einen privaten Garten angepasst an das jeweilige Township-Grundstück zu gestalten und aufzubauen. Dazu werden auch Recyclingmaterialien genutzt, inzwischen gibt es über 70 Gärten. Des Weiteren werden Kompost, Pferdedünger, Keimlinge und teils Regenwassertonnen zur Verfügung gestellt und installiert. Dies soll zu einer größeren Selbstständigkeit und Unabhängigkeit führen.

 

Dieses Projekt wird sehr wertgeschätzt. So erklärt ein Township-Bewohner: „Bis ich den Anruf bekam, dass ich Teil des Mitchells Plain Food Freedom-Programmes werde, trieben mich immer Sorgen um. Nach zwei Tagen habe ich so viel gelernt, dass es mir in den Fingern gejuckt hat, nun meine eigenen Gemüsepflanzen anzubauen. Jetzt, wo ich so viel gelernt habe, kann ich endlich ruhig schlafen. Denn ich habe die Gewissheit: Mein Kind und ich werden nicht hungrig sein." Alle Projektteilnehmer werden regelmäßig von Seed-Mitarbeitern besucht und befragt, um jederzeit beratend und unterstützend zu wirken.

 

Praktische Ausbildung
Das praktische Training APT richtet sich an Jugendliche, die die Schule abgebrochen haben. Nach diesem sechsmonatigen Kurs, der eine intensive dreiwöchige Ausbildung und ein mehrmonatiges Praktikum umfasst, erhalten sie einen Abschluss, der gleichwertig ist mit dem Matric (südafrikanischer Schulabschluss, ähnlich dem Abitur). Einige finden später einen Job oder machen sich in dem Bereich selbstständig. Gleichzeitig können sich auch Jugendliche mit einem Schulabschluss und Erwachsene, die an einer Umschulung oder Weiterbildung interessiert sind, für das APT bewerben. Seed-Mitarbeiter vermitteln der Gruppe, wie vielfältig Pflanzen genutzt werden können und wie sie gesund, einfach und schnell zubereitet werden. Denn in Südafrika wird Obst hauptsächlich zum Export angebaut und Gemüse eher spärlich verwendet – hauptsächlich Kürbis, Squash, Zwiebeln, Bohnen und Mais für „Pap". Oft stehen viel Fleisch und übersüßte Nachspeisen auf der Speisekarte. Solche Gewohnheiten belasten Gesundheit und Geldbeutel. Seed-Mitarbeiter zeigen ganz praktisch Alternativen auf. „Während das APT läuft, bekommen wir täglich Mittagessen. Es ist immer vegetarisch, gesund und super lecker! Mich fasziniert es, wie schnell das Kochen erlernt und perfektioniert wird." (Hannah Weets, Freiwillige)

 

Pilzzucht
Im Gourmet Mushroom-Projekt arbeiten Bhekizulu Kumalo und Shannon Coert. Bheki ist in Khayelitsha aufgewachsen und lebt dort noch immer, während Shannon in Mitchells Plain wohnt. Sie stellen Pilze mit den einfachsten Mitteln und mit so wenig Abfall wie möglich her. Es wird Stroh zerkleinert und gekocht, Sporen werden hinzugefügt und in Plastiktüten eng verpackt. Durch die richtigen Verhältnisse von Feuchtigkeit und Temperatur wachsen schließlich Pilze. Derzeit werden sie erfolgreich an Supermärkte und auf Biomärkten verkauft. Diese Methode kann auch im eigenen Haus angewandt werden und ist ebenfalls ein Schritt in Richtung Selbstständigkeit. Es wird geplant, die Startausrüstung günstig an Township-Bewohner zu verkaufen und Workshops abzuhalten, so dass jedermann die Möglichkeit hat, seine eigenen Pilze anzubauen.

 

Volontäre
Jedes Jahr werden zwei deutsche Freiwillige von Sage-Net über das Programm weltwärts zu Seed entsandt; im Jahrgang 2014/2015 bin ich eine davon. In meiner ersten Woche im Oktober konnte ich sofort an einem Permakultur-Workshop teilnehmen, habe sehr viel gelernt und konnte danach mein Wissen direkt praktisch anwenden. Wir Volontäre sind Teil jedes Projektes. Das heißt, wir springen ein, wo unsere Hilfe gebraucht wird, haben jedoch auch eigene kleine Projekte. Hauptsächlich arbeiten wir im Garten. Jeden Tag gibt es etwas anderes zu tun: Vom Unkrautjäten über Ernten bis hin zum Anlegen neuer Beete.

 

In der Aufzuchtstation von Samen und Keimlingen helfen wir, Keimlinge umzupflanzen, und mischen Kompost, Pferdedünger und einiges mehr als perfekte Grundlage zum Wachsen. Die Samen werden von Pflanzen geerntet, deren Früchte in einer eigenen Saatbank innerhalb des Gartens wachsen und reifen. Im Mushroom-Projekt helfen wir häufig, die Sporen in das Stroh zu mischen, einzupacken und zu ernten.

 

Unser eigenes kleines Projekt ist der SEEDlings Club: Einmal in der Woche kommen interessierte Kinder in den Outdoor Classroom, und wir erarbeiten gemeinsam, wie der Wasserkreislauf funktioniert und wie eine Pflanze wächst. Zur praktischen Umsetzung haben wir aus einer Plastikflasche ein Gewächshaus gebaut und eine Tomatenpflanze darin wachsen lassen. Die Kinder sind sehr aktiv, wissbegierig und haben eine Menge Spaß.

 

Probleme
Eine Herausforderung ist die Arbeitsorganisation der Mitarbeiter. Es mangelt an Geld, um neue Arbeitskräfte anzustellen. Deshalb werden händeringend Freiwillige gesucht. Sie sind eine wunderbare Unterstützung. Jedoch ist nicht garantiert, ob sie lange bleiben und somit die Situation stabilisieren. Aus diesem Grund werden viele Meetings mit allen Mitarbeitern abgehalten. So wird nach einer Lösung gesucht – schließlich muss für dieses Projekt gekämpft werden!

 

Eine weitere Schwierigkeit ist die Lage: Mitchells Plain ist zwar nicht das ärmste Township von Kapstadt, dennoch bekämpfen sich hier kriminelle Banden. In naher Umgebung gab es schon Zwischenfälle. Auch der Drogenkonsum ist sehr hoch. Hinzu kommt, dass der Garten – insbesondere der Outdoor Classroom – nachts für (Drogen-)Parties, als Schlafplatz oder als Toilette genutzt wird. Dabei wird regelmäßig der Zaun zerstört, Pflanzen werden ausgerissen und Gegenstände gestohlen, was sehr ärgerlich ist und täglich mehr Arbeit bedeutet. Es ist nicht nur ein Stressfaktor, sondern es macht auch Angst, selbst wenn man weiß, dass draußen Sicherheitsmänner Wache halten.

 

Laut eines Wachmannes sei es jedoch nicht ratsam, die Leute wegzuschicken, weil sie sonst womöglich erschossen oder als Ziel im Auge behalten werden würden. Aber die Mitarbeiter tun alles, um den Garten und das Projekt am Leben zu halten. Denn wie alles im Leben ist auch dieses Projekt ein Prozess, der sich weiterhin ins Positive entwickeln wird, wenn die Menschen, die beteiligt sind, positiv denken und ihr Bestes geben.

 

Marina Larsen

 

Die Autorin ist Weltwärts-SAGE-Net Voluntärin.

Blog: marinainsuedafrika.wordpress.com
http://sage-net.org
http://seed.org.za/