DIE GEFÄLSCHTEN WAHLEN IN DER DR KONGO. Erst immer wieder verschoben, dann auf den falschen Kandidaten gesetzt, die Wahlen manipuliert und am Ende doch wahrscheinlich erfolgreich getrickst. Die scheinbar unendliche Geschichte der Wahlen in der DR Kongo und warum sich nichts verbessert hat.
Ohne Frage hat die Demokratische Republik Kongo nichts mit Ihrem Namen gemein. Sie ist nicht demokratisch und auch nicht wirklich eine Republik. Vielmehr ist das Land eines der instabilsten und korruptesten Länder auf dem afrikanischen Kontinent. Länder wie Simbabwe und Südafrika verfolgen dort ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen – auch mit eigenen Truppen.
Die DR Kongo ist jedoch für die Weltwirtschaft von vitalem Interesse, da hier die Rohstoffe für alle technischen Gadgets und die sogenannten Zukunftstechnologien zu finden sind: Kobalt, Coltan, Kupfer und seltene Erden. Gerade dieser Reichtum verhinderte eine demokratische Entwicklung des unabhängigen Kongo, des früheren Zaire.
Das Ergebnis der Wahlen am 30. Dezember 2018 wurde von der Mehrheit der unabhängigen Wahlbeobachter offensichtlich nicht als „frei, fair und glaubhaft" eingestuft. Im Gegenteil! Ex-Präsident Kabila hat wohl versucht, alle Register des Wahlbetrugs zu ziehen. Wären da nicht die Kirchen und eine undichte Stelle gewesen.
Alle großen internationalen Publikationen waren und sind sich sicher, dass die Wahl Ende 2018 gefälscht war. Von den westlichen Regierungen gab es jedoch nur spärliche bzw. gar keine Reaktionen darauf. Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) vermutet, dass westliche Staaten „sich entschieden haben, die kurzfristige Stabilität in dem Krisenland höher zu werten als das Einstehen für demokratische Werte".
Früher Manipulationsverdacht
Ein zeitlicher Rückblick auf das Jahr 2001, also kurz nach der Jahrtausendwende, macht die Zusammenhänge deutlicher. Nach der Ermordung seines Vaters Laurént-Désiré Kabila wurde Joseph Kabila mit gerade einmal 29 Jahren Präsident. 2006 wurde er erstmals durch Wahlen legitimiert. Er kündigte damals an, im November 2016 turnusgemäß demokratische Wahlen im Staat durchführen zu wollen. Laut Verfassung durfte er nach Ablauf von zwei Amtszeiten zu je fünf Jahren nicht erneut kandidieren. Er ließ die Wahlen aber unter Vorwänden verschieben und warnte davor, das Land zu destabilisieren.
Nach der Verschiebung der Wahlen kam es im September 2016 zu Unruhen mit zahlreichen Toten. Durch das sogenannte „Silvesterabkommen" vom 31. Dezember 2016 wurde nach zähen Verhandlungen vereinbart, dass die Wahl noch im Jahr 2017 abgehalten werden solle. Nachdem auch dieser Wahltermin verschoben worden war, wurde schließlich der 23. Dezember 2018 als Termin festgelegt und Kandidaten aufgestellt. Letztendlich fanden die Wahlen dann – mit Einschränkungen – am 30. Dezember 2018 statt. Doch die katholische Kirche, internationale Organisationen und die Opposition hatten sich auf Manipulationsversuche eingestellt, denn die Vorzeichen für Manipulationen waren eindeutig.
Insgesamt hatten sich 21 Kandidaten und eine Kandidatin um das Amt beworben. Relevant waren aber nur wenige:
• Emmanuel Ramazani Shadary, der Kandidat der PPRD des bisherigen Präsidenten Kabila, der für das Bündnis Front commun pour le Congo (FCC) antrat;
• Martin Fayulu, der für das neugeschaffene Oppositionsbündnis „Lamuka" (deutsch etwa „Aufstehen") kandidierte;
• Félix Tshisekedi (UDPS, angetreten für das Bündnis Cap pour le changement, CACH) und
• Theodore Ngoy (Unabhängiger).
• Einzige Frau auf der Kandidatenliste war Mpunga Marie Josee Ifoku Mputa (AENC).
Jean-Pierre Bemba (Mouvement de Libération du Congo) wurde nicht als Kandidat zugelassen, weil er wegen seiner Haftstrafe nicht die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllte. Er empfahl seinen Anhängern jedoch den Kandidaten Martin Fayulu von „Lamuka".
Erst am 11. November 2018 beschlossen Fayulu, Tshisekedi, Vital Kamerhe und andere Oppositionsführer im schweizerischen Genf, dass Fayulu als ihr gemeinsamer Kandidat gegen den Kabila-Kandidaten Emmanuel Ramazani Shadary antreten solle. Keine 24 Stunden später war diese Vereinbarung jedoch wieder Makulatur. Fayulu wurde von den Kontrahenten „zu wenig politische Erfahrung" attestiert.
Der Wahlkampf war, wie zu erwarten, nicht wirklich fair und schon gar nicht friedlich. Immer wieder wurden Wahlkampfveranstaltungen der Opposition verboten. In der Hauptstadt Kinshasa etwa wurde eine Großkundgebung Fayulus durch Gouverneur Kombuta per Erlass verboten. Schlechte Infrastruktur und ethnische Unruhen erschwerten insbesondere die Veranstaltungen der Opposition.
Aber auch „technische Schwierigkeiten" der Wahlkommission CENI, die Wahlmaschinen und Stimmzettel einfliegen musste, sowie der neuerliche Ausbruch des Ebola-Fiebers verzögerten die Wahl erneut. Vier Tage vor dem Urnengang wurde verfügt, dass in den Städten Beni, Butembo und Yumbi im Osten des Landes wegen Gewaltexzessen und Ebola-Ausbruch sogar erst im März 2019 gewählt wird – rund 1,3 Millionen von 39,5 Millionen Wahlberechtigten müssen sich bis dahin gedulden.
Katholische Kirche sieht Fayulu vorne
Wie das Ökomenische Netzwerk Zentralafrika berichtete, verliefen die Wahlen am 30.12.2018 auch nur unter großen Schwierigkeiten, die den Manipulationsverdacht erhärteten. An manchen Orten wurden beispielsweise Wahllokale nicht geöffnet, während in anderen Ortschaften die Wahlmaschinen nicht funktionierten. Auch über Erpressung von Wählern wurde berichtet.
Als Wahlbeobachter waren Kommissionen der Afrikanischen Union (AU), der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC), der Zentralafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Internationalen Konferenz der Region der großen Seen im Land – zusammen nur etwa 200 Personen. Europäische Wahlbeobachter waren nicht eingeladen worden. Außerdem begleiteten ca. 40.000 aktive Bürgerinnen und Bürger im Auftrag der kongolesischen römisch-katholischen Bischofskonferenz Cenco sowie bis zu 20.000 Mitarbeiter der überparteilichen, bürgerlichen Synergie des Missions d'Observation Citoyenne des Élections (Symocel) die Wahlen.
Erwartungsgemäß erklärten sich bereits Anfang Januar 2019 alle Kandidaten zu Wahlsiegern und veröffentlichen angebliche „Zwischenergebnisse". Nach deren Veröffentlichung u.a. auf Twitter ließ die Regierung große Teile der nationalen Internetverbindungen und den SMS-Versand sperren. Die Sperre sollte erst am 6. Januar 2019 aufgehoben werden, wenn die Wahlkommission planungsgemäß Ergebnisse verkündet hätte. Außerdem wurde das auf UKW ausgestrahlte Programm des französischen Rundfunksenders Radio France Internationale landesweit gesperrt und dessen Korrespondentin die Akkreditierung entzogen. Auch zwei Fernsehsender wurden vorläufig geschlossen. Vertreter von AU und SADC lobten am 2. Januar 2019 das Verhalten der Wählerinnen und Wähler und den Wahlprozess.
Einen Tag später ließ die Katholische Bischofskonferenz verlautbaren, dass aufgrund ihrer Beobachtungen Martin Fayulu als Sieger der Präsidentenwahl feststehe, und verlangte von der Wahlkommission eine rasche Veröffentlichung der Ergebnisse. Indirekt wurde angeblich von Regierungskreisen bestätigt, dass Fayulu die Wahl gewonnen habe. Cenco-Mitglieder gaben laut dem britischen Fachjournal Africa Confidential bereits am 2. Januar Informationen an westliche Diplomaten weiter, wonach Fayulu weit mehr als 50 Prozent der Stimmen gewonnen habe und Tshisekedi und Shadary jeweils unter 20 Prozent erzielt hätten. Am 5. Januar ließ US-Präsident Trump Soldaten und Militärflugzeuge nach Libreville in Gabun verlegen, die im Falle von Unruhen US-amerikanische Staatsbürger und Einrichtungen schützen sollen.
Frisiertes Wahlergebnis
Die eigentlich für den 6. Januar geplante Verkündung der Wahlergebnisse wurde verschoben, da nach Angaben von CENI am Vortag erst knapp die Hälfte der Wahlergebnisse bei ihr eingetroffen wären. Vermutet wurde jedoch eine bewusste Verzögerung, da die Wahlkreisergebnisse im Regelfall bereits am Wahlabend ermittelt worden waren. Auch die Sperre von Internetverbindungen und Sendestationen blieb bestehen.
Wahlbeobachter der Symocel gaben an, dass es in mehr als der Hälfte der besuchten zentralen Auszählungsstellen zu „großen" Unregelmäßigkeiten gekommen sei und dass es flächendeckend – entgegen der Vorschrift – keine Aushänge der Wahlergebnisse gegeben habe. Zwischen dem Wahltag und der Verkündung der Ergebnisse gab es anscheinend mehrere Treffen von Beratern Kabilas und Tshisekedis.
Am frühen Morgen des 10. Januar 2019 verkündete die Wahlkommission dann endlich das vorläufige Ergebnis der Präsidentschaftswahl:
- Tshisekedi: 38,6%
- Fayulu: 34,8%
- Shadary: 23,8%
Die Wahlkommission erklärte Félix Tshisekedi damit zum Sieger. Der Ausgang der auf März verschobenen Wahlen in einigen Regionen kann das Ergebnis nicht mehr entscheidend verändern. Der unterlegene Martin Fayulu sprach von einem „Wahlputsch". Der nach Stimmen abgeschlagene Regierungskandidat Shadary gratulierte Tshisekdi umgehend. Die Außenminister Belgiens und Frankreichs bezweifeln das Ergebnis, nachdem Daten der Wahlkommission geleakt wurden und auch Tausende Wahlbeobachter der katholischen Kirche von einem deutlichen Sieg Fayulus berichtet hatten.
Die durchgesickerten Daten aus den Wahlkommissionen des Staates, die 80 Prozent der abgegebenen Stimmen abdecken, deuteten auf einen überwältigenden Sieg des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Martin Fayulu hin. Demzufolge übertraf er seinen Kontrahenten Tshisekedi mit über fünf Millionen Stimmen. Dies stimmt fast genau mit den Daten der 40.000 Beobachter der Bischofskonferenz überein, die unabhängig voneinander im ganzen Land gesammelt wurden.
Africa Confidential hat die geleakten Zahlen ebenso wie Daily Maverick aus Südafrika, die Londoner Financial Times, Radio France Internationale und France's TV5 gesichtet und auf ihre Authentizität hin mit Hilfe von Daten- und Wahlexperten überprüft. Jason Stearns, Direktor der Congo Research Group der New York University, sagte gegenüber Africa Confidential: „Wir haben die Daten anhand von zwei Faktoren bewertet: der Art der Dateien selbst und ihrer Glaubwürdigkeit. Mehrere Datenexperten untersuchten die Akten und kamen zu dem Schluss, dass es massive Anstrengungen gekostet hätte, das, was ihnen als authentische Akten der Wahlkommission erscheint, vollständig zu erfinden. Dann verglichen wir ihre Daten mit einem weiteren Leck aus der Beobachtungsmission der Katholischen Kirche, der größten im Land. Die Ergebnisse waren nahezu identisch. Ist es möglich, dass die gesamte Führung des 40.000 Personen starken Beobachtungsteams der Kirche von der Opposition abgekauft wurde? Wohl kaum."
Hinterzimmerdeal
Politische Insider gehen davon aus, dass Joseph Kabila einen Pakt mit dem politisch unerfahrenen Tshisekedi geschlossen hat, der es ihm ermöglicht, nach seinem Ausscheiden aus dem Amt weiter hinter den Kulissen zu agieren. Grund für den Handel war die enttäuschende Leistung von Kabilas favorisiertem Kandidaten Emmanuel Ramazani Shadary. Trotz erheblicher staatlicher Ressourcen hinter seiner Kampagne und der Unterstützung durch die bekannten Finanz- und Waffeneliten gewann Shadary nach den durchgesickerten CENI-Daten weniger als 20 Prozent der Stimmen. Zu niedrig, um ihn noch politisch einzubinden. Spekulationen über einen „Hinterzimmervertrag" zwischen Tshisekedi und Kabila waren gewachsen, nachdem der Sprecher von Tshisekedi, Jean-Marc Kabund, am 7. Januar bekannt gab, dass die beiden Männer „ein Interesse an einem Treffen zur Vorbereitung des friedlichen und zivilisierten Machtwechsels" hätten.
Am 11. Januar reichte Fayulu einen Antrag beim Verfassungsgericht auf Neuauszählung ein. Sein Haus wurde daraufhin von der Polizei umstellt. Am frühen Morgen des 20. Januar wies das Verfassungsgericht Fayulus Klage gegen das Ergebnis der Präsidentschaftswahl ab. Er habe keine ausreichenden Belege für Unregelmäßigkeiten vorgelegt. Fayulu rief sich daraufhin selbst zum Präsidenten aus. Kurz vor der Gerichtsentscheidung waren die Internet-Verbindungen wiederhergestellt worden, kurz darauf folgten die TV-Sender.
Zu den Gratulanten Tshisekedis gehörten am selben Tag die SADC, der tansanische Präsident John Magufuli und der burundische Präsident Pierre Nkurunziza, ebenso wie Südafrikas Cyril Ramaphosa und Kenias Uhuru Kenyatta. Die AU, die kurz zuvor noch eine Untersuchungskommission entsenden wollte, verschob die Entsendung dieser Delegation auf unbestimmte Zeit. Das französische Außenministerium nahm das offizielle Wahlergebnis „zur Kenntnis" und forderte Tshisekedi zum Dialog „mit allen Akteuren" auf. Ähnlich reagierten die EU und die US-Regierung und boten eine „weitere Zusammenarbeit" an. Am 23. Januar erkannte die US-Administration das Wahlergebnis an und lobte die Wahlen – in der Entwurfsfassung war das Wahlergebnis noch als „sehr fehlerhaft und besorgniserregend" bezeichnet worden.
Am 24. Januar wurde Tshisekedi als Präsident vereidigt. Joseph Kabila übergab ihm eine Nationalflagge und eine gedruckte Verfassung, die symbolisch für das Amt standen.
Félix Tshisekedi, der in die Fußstapfen seines Vaters Étienne Tshisekedi tritt, der 2017 starb, wird wohl ein „geschmeidiger Präsident" werden, sagen Insider. Die UDPS wird keine größere Gefahr mehr für Josef Kabila darstellen, da die regierende Front commun pour le Congo die Kontrolle über das Parlament behalten wird. Als größte Partei wird die FCC den Premierminister wählen und kann den Handlungsspielraum von Tshisekedi stark einschränken. Da Joseph Kabila jetzt „demokratisch gewählter Senator" und somit „verfassungskonform" ist, bleibt er als wichtiger Machtfaktor im Hintergrund.
Ohne Regierungserfahrung fehlt es Tshisekedi an starken Verbindungen zu den Sicherheitsdiensten und dem Militär. Er wird wohl nicht in der Lage sein, Kabilas alte Machtmaschinerie in Frage zu stellen, und er wird vom ersten Tag seines Amtes an als eine Art Geisel gehalten. In diesem Sinne ist er nur ein Feigenblatt, hinter dem Kabila unwahrheitsgemäß behaupten kann, er habe auf die absolute Macht verzichtet.
Die Afrikanische Union ist weiterhin uneins über ihre nächsten Schritte. Auch die VN scheinen weiter abzuwarten, wie die AU sich zukünftig verhalten wird. Niemand wagt deutliche Entscheidungen zu treffen.
Auch die Bewegungsfreiheit der katholischen Kirche ist eingeschränkt, weiß sie doch aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre, dass es drastische und tragische Folgen haben kann, Menschen auf die Straße zu führen. Séverine Autesserre, Autorin des Buches „The Trouble with Congo", erinnerte daran, dass die kongolesische Polizei in der Vergangenheit äußerst brutal mit Demonstranten umgegangen ist. Gegenüber der BBC meinte sie, wenn die Kirche, deren Anhänger etwa 40 Prozent der 80 Millionen Einwohner des Landes ausmachen, verkünden würde, dass eigentlich Fayulu gewonnen habe, könnten die Folgen verheerend sein. Man hätte riesige, gewalttätige Proteste und es würde zu Aufständen kommen. „Die Polizei würde gegen die Demonstranten vorgehen, und das würde viele Todesopfer fordern."
Und so scheint es politischer Konsens zu sein, dass Stabilität wichtiger ist als Demokratie. Es geht schließlich um die für alle so wichtigen Rohstoffe und die entsprechenden Einnahmen für die Eliten.
René Frank
Der Autor ist unabhängiger Journalist.