Heft 1/2021, Südliches Afrika

Der Wasserstoff, aus dem die Träume sind

MIT H2 GEGEN CO2. In den letzten Monaten ist weltweit die Begeisterung für Wasserstoff gewachsen. Das südliche Afrika entwickelt sich zu einem wichtigen potenziellen Exporteur. Und Deutschland ist entschlossen, Projekte in der Region zu fördern.

Das südliche Afrika engagiert sich zunehmend in der grünen Wasserstoffwirtschaft. Tatsächlich misst auch das 2015 von den 16 Mitgliedsstaaten der regionalen Entwicklungsgemeinschaft SADC (Southern African Development Community) gegründete Centre for Renewable Energy & Energy Efficiency (SACREE) der Entwicklung von grünem Wasserstoff einen hohen Wert bei.

Laut dem Geschäftsführer von SACREE, Kudakwashe Kuda Ndhlukula, gehen die riesigen Ressourcen an Platinmetallen und die damit verbundenen Verarbeitungsfähigkeiten im südlichen Afrika Hand in Hand mit der grünen Wasserstoffwirtschaft. Die SADC (vor allem in Südafrika und Simbabwe) besitzt in der Tat eine große Auswahl an Mineralienvorkommen, die in der Hardware zur Erzeugung von Solar- und Windenergie benötigt werden. Diese wiederum erzeugen jenen sauberen Strom, der für den kohlenstoffarmen Charakter des Wasserstoffs sorgt.

Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollte grüner Wasserstoff zu den gleichen Produktionskosten wie grauer oder blauer Wasserstoff verfügbar sein. Während grauer Wasserstoff aus Erdgas oder der Vergasung von Kohle und blauer Wasserstoff aus ähnlich kohlenstoffintensiven Rohstoffen, jedoch verbunden mit einer Technologie zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage), gewonnen wird, nutzt grüner Wasserstoff ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien. Er kann gespeichert und zum Heizen und Kühlen verwendet werden. Dabei sind die Produktionsprozesse dekarboniert.

Zur Entwicklung von Wasserstoff in Südafrika hat das in London ansässige Unternehmen AP Ventures zusammen mit der Public Investment Corporation of South Africa, Anglo American Platinum, Mitsubishi Corporation, Plastic Omnium sowie dem mit Toyota verbundenen Mirai Creation Fund ein spezielles Investitionsportfolio geschaffen. Geplant ist die Förderung der Produktion von Wasserstoff-Brennstoffzellen, die u.a. Mobilität, stationäre Stromerzeugung, Erhitzung in Stahl- und anderen Metallwerken oder die Produktion von grünem Ammoniak und Methanol als Derivate von grünem Wasserstoff ermöglichen.

Erfolgreiche Pilotprojekte mit Brennstoffzellen
Schätzungen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2050 85 Prozent der weltweiten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stammen werden. Angesichts der unerschwinglichen Kosten von Batteriespeichern in großem Maßstab sowie der Unmöglichkeit, Strom über große Entfernungen zu transportieren, bietet Wasserstoff die beste Option für Transport, Speicherung und effiziente Nutzung sauberer Energie, da er eine sehr hohe Energiedichte pro Gewicht aufweist und nicht schwieriger zu lagern und zu transportieren ist als Flüssigerdgas (LNG).

Südafrika, das über weltweit führende Solar- und Windressourcen verfügt, befindet sich in einer idealen Position, um von dieser Technologie zu profitieren. Es gibt bereits Pilotprojekte, die sich auf die Verwendung von Platin in den Katalysatoren konzentrieren. So nutzt Anglo American Platinum in seiner Mogalakwena-Mine ein Brennstoffzellen-Elektrofahrzeug (FCEV) als Transporter und Impala Platinum setzt in der Springs-Raffinerie eine Flotte von FCEV-Gabelstaplern ein.

Unterstützung durch deutsche Forschung
Ein von Deutschland gefördertes Programm könnte in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen. Bis Ende 2021 will SACREE das Projekt „H2 Atlas-Africa" prüfen, welches die Potenziale und den notwendigen Infrastrukturbedarf identifizieren soll. Dieses interaktive Projekt, an dem neben der SADC auch die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas beteiligt ist, ist die erste Phase der Wasserstoff-Initiative „Go Green Go Africa" des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und seiner Partner in Subsahara-Afrika, um die Potenziale der grünen Wasserstoffproduktion zu erkunden.

Das BMBF hat 5,7 Mio. Euro für das Atlas-Projekt zur Verfügung gestellt, das am 10. Juni 2020 im Forschungszentrum Jülich in NRW offiziell gestartet wurde. Am 18. August 2020 nahm der Leiter des BMBF-Referats für Energie- und grüne Wasserstofftechnologien, Dr. Christoph Roevekamp, an einem Treffen mit SADC-Experten im Southern African Science Service Centre for Climate Change and Adaptive Land Management (SASSCAL) teil, das ebenfalls Partner des Atlas-Afrika-Projekts ist.

SASSCAL unterzeichnete eine Absichtserklärung mit SACREE. Die Organisation wurde als Schlüsselakteur für die Umsetzung des im Einklang mit der deutschen Politik stehenden Projektes identifiziert: Im Juni 2020 verabschiedete die Bundesregierung eine nationale Wasserstoffstrategie von sage und schreibe 9 Mrd. Euro. Darin wurden die Ziele für eine massive Produktion von grünem Wasserstoff aus heimischen und importierten erneuerbaren Energiequellen definiert. Der Plan beinhaltet 2 Mrd. Euro zur Unterstützung von grünen Wasserstoffprojekten in Partnerländern. Im September 2020 erklärte die deutsche Forschungsministerin Anja Karliczek, es würden Möglichkeiten für die Wasserstoffproduktion und deren Lieferketten in Afrika geprüft. Die Bundesregierung sieht bis 2030 einen Wasserstoffbedarf von ca. 90 bis 110 TWh, möglicherweise wird Deutschland aber nur 14 TWh an heimischer erneuerbarer Stromproduktion für die H2-Produktion zur Verfügung haben. Der Rest müsse importiert werden.

Neben einem Besuch von 15 deutschen Forschern im südlichen Afrika im Jahr 2021 umfasst die Wasserstoff-Kooperation zwischen Deutschland und der SADC auch Aufbaustudiengänge zur grünen Wasserstoffforschung. Dadurch soll die akademische Nachhaltigkeit in der Region vorangetrieben werden. SASSCAL hat bereits mit mehreren SADC-Ländern zusammengearbeitet, die nationale Strukturen für grünen Wasserstoff geschaffen haben, darunter Angola, Botswana, Eswatini, Sambia und Simbabwe, des Weiteren Namibia und Südafrika. Das südafrikanische Team umfasst das Department of Science and Innovation (DSI) und die Energie-Abteilung des Council for Scientific and Industrial Research (CSIR). Dem leitenden CSIR-Forscher Thomas Roos zufolge ist „das Marktpotenzial für den Export von grünem Wasserstoff viel größer als der lokale Markt für grünen Strom", wie er gegenüber der südafrikanischen Zeitschrift Engineering News & Mining Weekly sagte.

Die deutsche Initiative passt auch zur von der EU-Kommission am 8. Juli 2020 vorgestellten EU-Strategie. Diese beinhaltet einen grünen Wasserstoff-Entwicklungsplan, welcher durch die Dekarbonisierung der umweltschädlichsten Sektoren der europäischen Wirtschaft, wie Transport und Stahlwerke, zum Ziel der Klimaneutralität 2050 beitragen soll. Die EU-Kommission sieht Wasserstoff als eine vorrangige Investition für den Übergang, sein Anteil am Energiehaushalt soll bis 2050 12 bis 14 Prozent betragen.

In ihrer Mitteilung vom 8. Juli 2020 an den EU-Rat und das Parlament erklärte die EU-Kommission, sie werde „im Rahmen der Africa Europe Green Energy Initiative prüfen, wie eine Sensibilisierung öffentlicher und privater Partner für die Möglichkeiten von sauberem Wasserstoff unterstützt werden kann, einschließlich Forschungs- und Innovationsprojekten." Potenzielle Projekte könnten durch den Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung finanziert werden.

Doch die Entwicklung dieser Projekte erfordert Reformen in den afrikanischen Ländern, meint Mark Swilling, Professor für nachhaltige Entwicklung an der Universität Stellenbosch und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Development Bank of Southern Africa. Ihm zufolge ist das Haupthindernis für einen Boom der erneuerbaren Energien und eine grüne Wasserstoffindustrie in Afrika die derzeitige Regulierung des alten Systems der fossilen Brennstoffe. Der Übergang wird davon abhängen, diese veralteten Instrumente neu zu gestalten, um der neuen Ordnung gerecht zu werden.

Pionierprojekte im südlichen Afrika
Durch sein gewaltiges Potenzial für erneuerbare Energien entstehen in Afrika bereits einige Pilotprojekte. Nach Angaben der Afrikanischen Entwicklungsbank summieren sie sich auf 1.000 Gigawatt an Solarenergie, 0,35 GW an Wasserkraft und 110 GW an Windkraft.

Allein in Südafrika schätzt die Solar Energy Technology Roadmap (SETRM), eine gemeinsame Initiative der Ministerien für Energie und für Wissenschaft und Technologie, die von CSIR, SANEDI, der Internationalen Energieagentur und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt wird, dass bis 2050 40 GW Solar-Photovoltaik und 30 GW gebündelte Sonnenenergie entwickelt werden könnten. Bis 2024 soll Südafrika zusätzlich 3,3 GW Windkapazität entlang der Küste, auf dem östlichen Highveld-Plateau und an den Ausläufern der Drakensberge im Ostkap erschließen. Der Integrierte Ressourcenplan des Landes für 2019 sieht die Installation von 14,4 GW Windkraftkapazität zwischen 2022-2030 und 37,4 GW bis 2050 vor. Insgesamt ist das Potenzial für Windenergie in der SADC-Region mit 18 GW in Sambia, Tansania, Namibia und Mosambik weiterhin hoch.

In Südafrika will Siemens Energy seinen neuen Status als eigenständiges Unternehmen nutzen, um afrikanische Märkte für Wind-, Solar- und Wasserstoff-Energielösungen zu erschließen. Laut Thabo Molekoa, Siemens-CEO für Südafrika, passt das Unternehmen seine Turbinen so an, dass sie den Wasserstoffanteil erhöhen können, und hofft, dass einige Turbinen zu 100 Prozent mit Wasserstoff betrieben werden können.

Laut der führenden Private-Equity-Firma Eos Capital verfügt auch Namibia über ein hervorragendes Solar- und Windenergiepotenzial. Dadurch kann es sauberen und erneuerbaren Wasserstoff zu einem der niedrigsten Produktionskosten weltweit in großem Maßstab zu produzieren. Darüber hinaus ist der Tiefseehafen von Walvis Bay strategisch günstig gelegen, um den Export von Wasserstoff durch Namibia und die Nachbarländer zu ermöglichen.

Mosambik hat ebenfalls ein riesiges Wasserstoffpotenzial. Wenn aufgrund des Drucks auf die Industrieländer, ihre Nachfrage zu reduzieren, LNG-Projekte in Ungnade fallen, könnte die Antwort Wasserstoff sein. Das Gas aus dem Rovuma-Becken könnte weiterhin in Cabo Delgado gelöscht und zur Erzeugung von blauem Wasserstoff anstelle von LNG verwendet werden, wobei die Kohlendioxid-Emissionen in Offshore-Reservoirs verpresst werden.

Inga-3-Wasserkraftwerk
Weiter nördlich, in der Demokratischen Republik Kongo, hat ein von Deutschland gefördertes Projekt große Erwartungen geweckt. Der Geschäftsführer des Leipziger Juniorunternehmens Evagor, Gernot Wagner, hat im vergangenen Sommer die kongolesischen Behörden davon überzeugt, eine Wasserstoffproduktionsanlage mit einer Jahreskapazität von 2 Mio. Tonnen zu bauen, die mit dem Strom des zukünftigen Inga 3-Wasserkraftwerks am Kongo-Fluss betrieben werden soll. Der Wasserstoff wird dann in flüssigen Wasserstoff umgewandelt und in Tankschiffen nach Europa transportiert. Laut Gernot Wagner sind Siemens, Linde, VN Gas und die Deutsche Bank an dem Projekt interessiert, das in die Prioritäten der EU-Strategie für grünen Wasserstoff passt und die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkels Afrika-Berater Günther Nooke erhalten hat.

Der ehemalige Direktor der belgischen Kooperationsagentur AGCD, Paul Frix, hält das Projekt für relevant, da die DR Kongo mit Inga 3 den Wettbewerbsvorteil der günstigsten Energie der Welt bieten kann. Allerdings erfordert das Projekt enorme Investitionen. Neben der Elektrolyseanlage, die Evagor in Banana am Atlantik bauen will, um Wasserstoff zu produzieren, geht es auch um den Bau eines Tiefseehafens für die Hydro-Tanker, dessen Kosten zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Dollar liegen.

Der Bau des Inga-3-Projekts ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Umsetzung des Wasserstoffprojekts. Allerdings müssen noch die Vorbedingungen erfüllt werden. Die Größe und die Kosten des Megaprojekts Inga 3 haben sich deutlich erhöht. 2018 verkündete die Agence pour le développement du Projet Grand-Inga (ADPI), die dem Präsidialamt nachgeordnet ist, dass die geplante Kapazität von ursprünglich 4,8 GW auf 11 GW erhöht werden soll. Diese Entscheidung sollte eine erhebliche Neubewertung der ursprünglich geschätzten Kosten (11,5 Mrd. Euro) für die Dämme (einer zur Umleitung des Flusses in das Bundi-Tal und ein weiterer für den Bau des Hauptdammes selbst), das Kraftwerk und die Übertragungsleitungen in Richtung des Katanga-Kupfergürtels und der Witkop-Unterstation in Südafrika bedeuten.

Das Problem ist, dass die ADPI das Ziel von 11 GW für Inga 3 festgelegt hat, ohne alle Garantien für eine entsprechende Abnahme zu haben. Bislang haben fünf Länder ihr Interesse bekundet. Südafrika sollte 2,5 GW abnehmen, wie es im bilateralen Vertrag mit der DR Kongo aus dem Jahr 2013 festgelegt ist. Kamerun und Botswana sollen jeweils 0,5 GW übernehmen, während Namibia und Kongo-Brazzaville sich für 0,4 GW bzw. 0,2 GW beworben haben. Angola und Sambia erwägen, in einer ersten Phase eine Kapazität von 0,5 GW zu importieren. Laut einer Studie der Afrikanischen Union wären auch die Zentralafrikanische Republik, Uganda, Kenia, Nigeria, Ghana, Ägypten, Simbabwe, Ruanda und Burundi interessiert. Außerdem dürfte die Aluminium Corporation of China, die im August 2020 von der Regierung in Peking die Genehmigung zum Bau einer 1-Millionen-Tonnen-Anlage für eine Gesamtinvestition von 4,9 Mrd. Euro in der Nähe von Inga erhalten hat, weitere 4 GW benötigen. Dann würden der Inlandsmarkt der DR Kongo und die Bergbauindustrie in Katanga jeweils etwa 1 GW benötigen.

Wenn all diese Interessensbekundungen zustande kommen, könnte China, welches die Kapazität hat, den Bau von Inga 3 zu finanzieren, zusammen mit seinen europäischen Partnern aus Spanien (AEE Power und Andritz) mit dem Bau des Projekts beginnen. Jedoch müssen noch die Investitions- und Betriebsfinanzierungsvehikel eingerichtet werden. In jedem Fall werden die nächsten Monate entscheidend sein, um die Machbarkeit dieses Megaprojekts zu beurteilen. Der Direktor von ADPI, Bruno Kapandji, kündigte Mitte November in Kinshasa an, dass der Bau von Inga 3 noch vor Ende 2021 beginnen werde, angefangen mit den Zufahrtsstraßen und Brücken. Die Hauptphase mit dem Bau der Dämme und des Kraftwerks werde erst neun Monate nach der Fertigstellung des ersten beginnen.

François Misser

Der Autor ist in Brüssel ansässiger Experte für Zentralafrika und Korrespondent für verschiedene Zeitungen.