Heft 1/2023, Sambia

Abgeschnitten und ausgesperrt

Zehn Jahre konfliktträchtige Berliner Agrarinvestition in Sambia.

Von Roman Herre

Amatheon Agri ist der größte deutsche Agrarinvestor in Afrika. Das Unternehmen mit Zentrale in Berlin ist 2012 in die globale Jagd nach Ackerland eingestiegen und hat seitdem etwa 40.000 Hektar Land im Distrikt Mumbwa 160 Kilometer westlich der sambischen Hauptstadt Lusaka erworben. Daneben hat es Land in Uganda und Simbabwe aufgekauft. Im Dezember 2022 wurde bekannt, dass sich Amatheon Zugriff auf weitere 100.000 Hektar Land im Kongo gesichert hat. Mit insgesamt etwa 150.000 Hektar Land in Afrika kontrolliert Amatheon heute eine Fläche dreimal so groß wie der Bodensee. FIAN hat die Gemeinden vor Ort in Sambia mehrfach besucht. Diese berichten von Konflikten um Land und Wasser, von prekären Arbeitsbedingungen und vielen gebrochenen Versprechen.


Mythos leeres Land

Das in Sambia erworbene Land liegt in einem kolonialen Farmblock, genannt Big Concession. Amatheon und auch die deutsche Botschaft zeichneten zu Beginn ein Bild von menschenleerem Land (alles sei nur Buschland). Doch schon beim ersten Besuch von FIAN vor Ort 2014 zeigte sich, dass das Land gar nicht so leer ist. Seit dem Ende der Kolonialzeit sind immer wieder Menschen in die Gegend migriert, es haben sich lokale Gemeinden von Bäuerinnen und Bauern gegründet. Heute befindet sich dort die Kooperative Ulimi sowie das größere Dorf Kalenda und daneben viele kleine Siedlungen und Gehöfte. Das Land ist also nicht leer und die lokale Bevölkerung nutzte das Land und den Wald schon vor der Ankunft Amatheons zum Sammeln von Waldprodukten sowie Weiden und Tränken ihrer Tiere. Problematische Auswirkungen der Investition waren also absehbar.

Keine Jobs in Sicht

Jetzt baut Amatheon in Sambia vor allem Soja und Mais auf dem gerodeten Wald für den Export und den Verkauf im Inland an. Heute – 10 Jahre nach Investitionsbeginn – beschäftigt Amatheon etwa 250 Angestellte (zumeist mit Jahresverträgen). Bei 40.000 Hektar ist das ein Arbeitsplatz pro 160 Hektar. Eine Kleinbauernfamilie kann sich mit etwa 5-10 Hektar gut ernähren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Eine Entwicklungsperspektive bieten die Monokulturen daher, wie üblich und in anderen Teilen der Welt schon gut bekannt, nicht.

Uns wird auch berichtet, dass gerade die Saisonarbeiter extrem schlecht bezahlt werden und im Fall von Arbeitsunfällen kein Versicherungsschutz vorhanden ist. Umgerechnet 35 Euro monatlich zahle Amatheon für 6-Tage-Wochen und Arbeitstage, die bis zu zehn Stunden dauern. Essen und Unterkunft werden noch abgezogen. Die Arbeitsbedingungen seien derart schlecht, dass die lokale Bevölkerung kaum mehr für Amatheon arbeiten will. Die Firma muss jetzt Arbeitskräfte aus weiter entfernten Dörfern rekrutieren.

Seit mehreren Jahren führt Amatheon Agri zudem ein sogenanntes Outgrower Programme durch: Sie versprechen lokalen Bauern und Bäuerinnen, ausgewählte Anbauprodukte wie Soja oder Chilis abzukaufen. Das Saatgut dafür stellen sie gegen Kredit. Schon 2019 hat FIAN lokale Bauern interviewt, die sich hieran beteiligt hatten, aber wieder frustriert ausgestiegen waren. 2022 wurden alle Personen, die FIAN auf der Recherchereise besuchte, zu dem Programm befragt. Das Ergebnis war eindeutig und ernüchternd: Alle sind nach schlechten Erfahrungen ausgestiegen. So hat Amatheon laut Interviews oftmals bei niedrigen Marktpreisen die Ernten trotz vorheriger Vereinbarung nicht aufgekauft. Betroffene berichteten auch, dass sie beim Wiegen der Ernte nicht dabei sein durften und Amatheon willkürlich und für sie nicht nachvollziehbar teilweise nur 30 Prozent des vertraglich festgelegten Preises bezahlt habe. Auch berichteten sie, dass Amatheon den Vertrag bei Abgabe der Ernte mit einzog. So standen sie bei Beschwerden zur Bezahlung mit leeren Händen da. Eine vierjährige Studie des deutsche Instituts IDOS zu diesem Programm von Amatheon hat nun zusätzlich bestätigt: Das Amatheon-Programm hat „keinen Effekt auf die Ernährungssicherheit" der beteiligten Haushalte.

Menschenrechte unter Druck

FIAN hat zudem mehrere – teilweise schwerwiegende – menschenrechtliche Probleme dokumentiert. Bäuerinnen und Bauern beschweren sich, dass das Unternehmen ihren Zugang zu Wasser stark einschränkt. Weidevieh hat keinen Zugang mehr zu lokalen Bachläufen und Dörfer flussabwärts beklagen, dass der Fluss seit dem Bau zweier Staudämme durch Amatheon für die Bewässerung der Monokulturen über Monate kein Wasser mehr geführt habe. Das ist existenzbedrohend. Einige Familien sahen sich gezwungen, ihren Viehbestand zu reduzieren und den Anbau von Gemüse einzustellen, das eine wichtige Einkommensquelle war und für nahrhafte Mahlzeiten sorgte.

In einem konkreten Fall berichtete ein Bauer, dass er und seine Familie systematischen Schikanen und auch Drohungen durch Amatheon ausgesetzt seien. Er berichtete auch, dass er mit vorgehaltener Waffe bedroht wurde: „Ein leitender Angestellter von Amatheon kam zu meinem Haus und bedrohte mich mit einer Schusswaffe. Später feuerte er Schüsse in die Luft ab und forderte mich auf, das Land zu verlassen", sagte er. Sein Hof befindet sich hinter einem Kontrolltor des Investors. Die öffentliche Straße wurde mit einem Checkpoint und Sicherheitskräften von Amatheon versehen. Das Sicherheitspersonal erlaubt ihm manchmal nicht zu passieren.

Als FIAN vor Ort auf dem Hof war, kam ein Mitarbeiter von Amatheon und erklärte, wir dürften uns nicht auf dem Hof des Bauern aufhalten und sollten verschwinden. Der Druck war deutlich spürbar. Vorher führte uns der Bauer noch an sein Feld und zeigte uns einen zugeschütteten Brunnenschacht. Amatheon kam ihm zufolge mit einem Bagger, riss den Brunnen raus und verschüttete den Schacht. Seine Frau berichtete, dass sie nun täglich zwei Stunden laufen müsse, um Trinkwasser für die Familie zu bekommen. An Gemüseanbau sei nun überhaupt nicht mehr zu denken.

Umzingelt

Einige Siedlungen, die nicht geräumt wurden, sind heute im wahrsten Sinne des Wortes von Amatheon umzingelt. Ein Besuch dieser Siedlungen gestaltet sich daher schwer, aber FIAN konnte eine davon besuchen. Die Bäuerinnen und Bauern berichten, dass ihre weiter verstreuten Höfe zusammengelegt wurden und sie viel weniger Land als früher nutzen können. Weder das traditionelle Sammeln von Wildkräutern noch das Suchen von natürlichen Materialien zur Reparatur von Häusern sei ihnen nun erlaubt. Den früheren Weg zur Landstraße und zur Stadt Mumbwa dürfen die Bewohner:innen heute auch nicht mehr nehmen. Der Umweg ist mehrere Kilometer lang. Die Abhängigkeit von prekärer Arbeit als Tagelöhner bei der Firma sei hoch. Insgesamt ist die Abhängigkeit vom „guten Willen" des Unternehmens gewaltig und erinnert an feudale Verhältnisse.

Amatheon beschlagnahmt zudem regelmäßig Tiere aus den Gemeinden – auch der besuchten – , die sich auf sein Land verirren, und verlangt in der Regel 500 Sambia-Kwacha (28 US-Dollar) für die Rückgabe jedes Tieres, was für die örtlichen Bauern eine gewaltige Summe darstellt. Das kann dazu führen, dass sie sich in ihren Mahlzeiten einschränken müssen.

Versuche zur Konfliktlösung

Letztendlich ist der Zugang zu Land und Wasser für die Hunger- und Armutsbekämpfung in Sambia eine zentrale Voraussetzung. Riesige Agrarinvestitionen wie die von Amatheon konkurrieren mit der lokalen Bevölkerung um diese Lebensgrundlagen. Und diese Konkurrenz ist eine zwischen sehr ungleichen Akteuren. Amatheon ist sehr gut vernetzt bis in die Politik hinein und auch die deutsche Botschaft lobt das Agrarunternehmen öffentlich. Verstärkt wird das Machtgefälle dadurch, dass Amatheon immer wieder versucht, den Deckel auf Probleme zu halten, indem es sie unter der Hand nur mit einzelnen Betroffenen löst und damit deren Organisation untergräbt.

Die deutsche und die sambische Sektion von FIAN setzen sich dem gegenüber dafür ein, dass die lokale Bevölkerung ihre Kritik artikulieren kann und zu ihren Rechten kommt. Ein Mittel sind sogenannte Drei-Parteien-Treffen, bei dem die betroffene Bevölkerung und der Investor unter Beisein der lokalen Behörden die Probleme offen diskutieren. Als FIAN im April 2022 vor Ort war, hat Amatheon ein solches Treffen abgelehnt. Trotzdem wurde es von Gemeindemitgliedern und lokalen Beamten durchgeführt, war konstruktiv und auch die Medien berichteten darüber. Bei dem Treffen schlug der Landrat vor, dass Deutschland eine Rolle bei der Regulierung eines in Deutschland ansässigen Unternehmens in Sambia spielen sollte. Er empfahl, die deutsche Botschaft in Lusaka aufzufordern, in dem Fall zu intervenieren.

Parallel hat FIAN Sambia einen Bericht zu den Konflikten dem nationalen Menschenrechtskommissar und dem Provinzminister übergeben sowie beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf eingereicht. Es gibt jedoch noch keinen verbindlichen internationalen Rechtsrahmen, der Situationen wie diese regelt, so dass die Menschen vor Ort keine Möglichkeit haben, sich an die Justiz zu wenden. Dies ist daher auch ein Fall, der die Notwendigkeit eines verbindlichen UN-Vertrags verdeutlicht, der es ermöglicht, transnationale Unternehmen in ihren Heimatländern für ihre Auswirkungen auf die Menschenrechte in Übersee zur Rechenschaft zu ziehen. Ein solcher Vertrag wird seit einigen Jahren in Genf verhandelt, wird jedoch vor allem von westlichen Ländern wie den USA abgelehnt.

Roman Herre ist Agrarreferent der deutschen Sektion der Menschenrechtsorganisation FIAN.