Heft 2/2013, Editorial

Aufbruch in Simbabwe?

MITTE MÄRZ HABEN DIE MENSCHEN IN SIMBABWE über die Vorlage einer neuen Verfassung abgestimmt. Mit deutlicher Mehrheit haben sie den Text abgesegnet. Die Abstimmung erfolgte friedlich; das berichteten einhellig alle Beobachter vor Ort. Selbst die europäische Union zollte Beifall und empfahl ein Ende der Sanktionen.

 

Der ruhige Verlauf drängte andere staatliche Übergriffe in den Hintergrund. Unmittelbar vor und nach dem Referendum wurden politische Gegner Mugabes, missliebige Richter und Menschenrechtsaktivisten verhaftet – unter so fadenscheinigen Gründen, dass sie auf höchstrichterliche Anordnung bald wieder entlassen werden mussten.

 

Offenbar haben Mugabe und seine Kamarilla gelernt, direkte Gewalt im Zusammenhang mit Abstimmungen aus den Schlagzeilen zu halten. Möglicherweise zeichnet sich hier ein neues Konzept ab: Die Einschüchterung des Gegners knapp unter der Schwelle der nackten Gewalt.

 

Ein erfolgreiches Referendum über die neue Verfassung wurde als wichtigster Schritt hin zu einem Neustart in Simbabwe angesehen. Doch die Wegstrecke bis zu den Wahlen ist holprig und schwierig. Zahlreiche Gesetze, auch Wahlgesetze, müssen der neuen Verfassung angeglichen werden, ehe Wahlen durchgeführt werden können, die ein Grundmaß an Fairness bieten.

 

Was das bedeutet, dafür gibt Kenia ein beredtes Zeugnis. Dort hatten sich nach den bürgerkriegsähnlichen Unruhen nach den Wahlen 2007 die politischen Kontrahenten auf eine gemeinsame Regierung und die Ausarbeitung einer neuen Verfassung geeinigt. Eine Verfassung wurde – anders als in Simbabwe – schnell erarbeitet. Dem neuen Verfassungsentwurf wurde 2010 in einem Referendum mit breiter Mehrheit zugestimmt. Doch dann dauerte es fast drei Jahre, bis die Parteien die notwendigen Gesetzeskorrekturen durchs Parlament brachten.

 

Die Politiker beider Seiten scheuen sich, dieses Problem in der Öffentlichkeit anzusprechen. Sie fürchten, dann als Saboteure der Wahlen hingestellt zu werden. Eine simbabwische Parlamentsdelegation kam jedoch ernüchtert von einer Informationsreise aus Kenia anlässlich der Wahlen im März zurück. Ein Abgeordneter der Zanu-PF rechnet damit, dass die notwendigen Vorarbeiten für ordnungsgemäße Wahlen mindestens sechs Monate brauchen, gerechnet von der endgültigen Verabschiedung durch das Parlament. Skeptischer noch zeigte sich sein Kollege von der MDC-T: Er geht von achtzehn Monaten aus.

 

Mugabe hat es geschafft, letztendlich der Verfassung seinen Stempel aufzudrücken. Er hat durchgesetzt, dass die Befugnisse der Legislative nur geringfügig erweitert wurden. Das Parlament wurde zwar aufgebläht, doch es bedarf nicht mehr Parlamentarier, sondern mehr Entscheidungsbefugnis. Die Exekutive – und vor allem der Staatspräsident – behält zu viel Macht. Seine Amtszeit ist zwar auf zwei Legislaturperioden begrenzt, doch die Zählung beginnt erst mit der nächsten Wahl. Das heißt konkret, Mugabe kann sich erneut einer Kandidatur stellen.

 

Seine Chancen für einen Wahlsieg stehen nicht schlecht. Es sei hier die Prognose gewagt, Mugabe wird die Wahlen gewinnen. Seine Partei ist offensichtlich nicht in der Lage, die Nachfolgefrage zu regeln, solange Mugabe lebt. Die Zanu-PF verfügt über einen funktionsfähigen und – in jeder Hinsicht – schlagkräftigen Parteiapparat in allen Provinzen. Und sie kann sich auf die nationalen Institutionen verlassen – voran die Sicherheitskräfte, werden sie doch von ihren Parteigängern dominiert. Das erlaubt der Zanu-PF im Wahlkampf ein offensives und selbstbewusstes Auftreten, während der politische Gegner vorsichtiger agieren wird, um keine Angriffsflächen zu bieten. Und auf dem Lande findet Mugabe immer noch breite Zustimmung.

 

Die Hochburgen der MDC dagegen lagen und liegen in den Städten. Doch hier sinkt der Zuspruch kontinuierlich, weshalb in der MDC bereits Stimmen laut werden, die einen möglichst frühen Wahltermin favorisieren. Tsvangirai ist verschlissen, zermürbt und längst nicht mehr der Hoffnungsträger, als der er angetreten war. Viele seiner Parteikollegen zeigen zudem, dass sie das politische Handwerk gelernt haben. Eric Matinenga von der MDC-T, Minister für Verfassungsfragen, fasst diese Entwicklung anschaulich zusammen: „Als ich mich 2008 für ein politisches Amt entschied, hatte ich klare Vorstellungen, was zu tun sei.“ Doch im Amt habe er den Machthunger und die Korruption auf beiden Seiten der Regierung (Zanu-PF und MDC) erfahren. „Die Leute gehen in die Politik, um Kasse zu machen, nicht für einen Dienst für die Allgemeinheit. Ich war zu naiv.“

 

In der Woche vor dem Referendum gab es in Harare eine öffentliche Diskussion, bei der neben Vertretern aus Regierung und Parteien auch Mitglieder aus Organisationen der Zivilgesellschaft saßen. Während die Politiker durchweg für ein Jahr warben und den Verfassungsentwurf als Meilenstein auf dem Weg in ein neues Simbabwe lobten, begründete Lovemore Mandhuku von der National Constitutional Assembly (NCA) seine Ablehnung: In einem normalen politischen Kontext könne die Verfassung einige Probleme lösen; aber der existiere im heutigen Simbabwe nicht. So böte der vorliegende Entwurf dem amtierenden Präsidenten genügend Schlupflöcher, eine Ablösung zu verhindern.

 

Ibbo Mandaza, Politikwissenschaftler und Berater von Joice Mujuru, der Stellvertreterin Mugabes im Präsidentenamt und Parteivorsitz, sieht weder in einer neuen Verfassung noch in Wahlen eine Lösung. Sie böten keinen echten Wechsel und keinen Durchbruch. Dazu bedürfe es zuvorderst eine Ablösung Mugabes, der immer noch großes Ansehen genieße, in Würde. „Dass ein 89-Jähriger überhaupt kandidiert, sagt viel über unser Land aus. Wenn er dann auch noch gewinnt, läuft hier definitiv etwas falsch.“

 

Hein Möllers