Heft 2/2013, Angola

Kontrolle durch Aufkauf

ANGOLAS MEDIEN WERDEN WEITGEHEND VON DER REGIERUNG KONTROLLIERT. Mit dubiosen Firmen, die aus dem Nichts entstehen, ermächtigt sich die regierende MPLA kritischer Privatmedien und bringt sie auf Linie. Ausnahme ist allein die Zeitung Folha 8, die ihre Unabhängigkeit wahren konnte.

 

Nach der Unabhängigkeit vom portugiesischen Kolonialismus im November 1975 hatte die damalige nationale Befreiungsbewegung MPLA in Angola ein Einparteiensystem nach sowjetischen und kubanischem Vorbild eingeführt. Alle staatlichen Medien standen seitdem unter der Kontrolle der Abteilung für Information und Propaganda (DIP) der herrschenden Partei.

 

Die Verträge des Friedensabkommens von Bicesse, das die MPLA 1991 mit dem Bürgerkriegsgegner Unita (Nationale Union für die völlige Unabhängigkeit Angolas) in Portugal geschlossen hatte, führten zur demokratischen Öffnung und zur Einführung eines Mehrparteiensystems mit der Entstehung verschiedener politischer Parteien. Die MPLA übertrug daraufhin die Kontrolle über die Medien vom DIP auf das Ministerium für soziale Kommunikation.

 

Kurze Blüte unabhängiger Blätter

Gleich nach der demokratischen Öffnung wurde 1991 die „Correio da Semana“ als erstes Wochenblatt gegründet. Die „Correio“ war zunächst ein Ableger der staatlichen Tageszeitung „Jornal de Angola“, wurde aber kurz darauf privatisiert und von einem Presseunternehmen herausgegeben, das von dem derzeitigen MPLA-Abgeordneten João Melo, dem unabhängigen Journalisten Américo Gonçalves und weiteren Partnern gegründet wurde. Dieses Wochenblatt bestand nur ein paar Jahre. Bald darauf entstanden weitere Privatzeitungen wie Folha 8, Agora, Angolense, Factual, A Capital und Terra Angolana. Letztere gehört zur Unita, größte Oppositionspartei des Landes.

 

Die Privatmedien Angolas sind zwar im Wesentlichen auf den städtischen Raum begrenzt, doch sie machten durch ihre Kritik gegenüber den Unzulänglichkeiten des Landes auf sich aufmerksam. Dem suchten bestimmte Gruppen und Personen, die der regierenden Partei nahestanden, Einhalt zu gebieten. Sie gründeten eigene Zeitungen oder kauften missliebige Zeitungen einfach auf.

 

So erging es im Juni 2010 zum Beispiel „Semanário Angolense“ und „A Capital“, zwei für ihre kritische Haltung bekannte unabhängige Zeitungen, die von den Unternehmen Media Investments und Medivision, SA aufgekauft wurden. Beide Firmen unterhalten enge Verbindungen zur Regierung. Zu dieser Zeit wurde auch das „Novo Jornal“, ein weiteres unabhängiges Blatt, aufgekauft.

 

Vor Bekanntgabe der Verkaufsverhandlungen mit „Semanário Angolense“ und „A Capital“ wurden einige Privatfirmen angewiesen, keine Werbung in diesen Zeitschriften zu schalten. Die Medien sollten finanziell ausgetrocknet werden. Die Zeitungsmacher bekamen entsprechend Liquiditätsprobleme und konnten ihre Redaktionen nicht mehr bezahlen. Prompt erschienen die Käufer auf der Bildfläche und ließen den Verantwortlichen der Zeitungen keine Wahl. Die Teilhaber wurden ausbezahlt und die ausstehenden Gehälter der Mitarbeiter gedeckt. Die Übernahme wurde als „ganz normale, allein von Marktgesetzen geleitete Transaktion” bezeichnet. Die Namen der Teilhaber und die Geldsummen, die geflossen sind, wurden nicht bekannt. Doch Media Investments stieg mit dem Geschäft zur drittgrößten Mediengruppe des Landes nach der Regierung und Media Nova auf. Auch die Besitzer letzterer Mediengruppe unterhalten Verbindungen zur Regierung.

 

Zensur und Kontrolle

Seit der Übernahme schlagen sich beide Zeitungen mit periodischer Zensur und der Einmischung in die Berichterstattung herum, die von den neuen Eigentümern für regierungsschädlich betrachtet wird. Ein namenloses Gremium entscheidet über die Freigabe der Texte. In einem ersten Schritt wurde einigen kritischen Journalisten und Kolumnisten wie dem Schriftsteller José Eduardo Agualusa, der für „A Capital" schrieb, gekündigt.

 

Im September 2011 zensierte das Wirtschaftsblatt einen analytischen Text seines Redaktionsmitglieds Mario Paiva. Dieser hatte gewarnt, „das Land glaubt nicht mehr daran, dass nach José Eduardo dos Santos nur die Sintflut komme.“ Zur gleichen Zeit wurde die Veröffentlichung eines Interviews mit Vicente Pinto de Andrade, der früher als Präsidentschaftskandidat im Gespräch war, untersagt. Andrade kritisierte die Gewalt, mit der die Polizei gegen junge Menschen vorgegangen ist, die – inspiriert vom arabischen Frühling – gegen die Regierung demonstriert hatten. Fünf Monate nach der Zensur stoppte Medivision SA eine Ausgabe mit der Begründung, einige Texte enthielten eine Kritik an Präsident José Eduardo dos Santos. Bei anderen Zensurfällen wurden kritische Texte aus dem Satz genommen und weiße Seiten veröffentlicht. Im Februar 2012 untersagte Medivision SA den Druck der Zeitung, weil ein Dossier den Zustand des Landes und die Regierungsführung des Präsidenten analysierte.

 

Medivision SA gilt als ein Unternehmen, das mit den Interessen von General „Kopelipa“ verbunden ist. Doch zwei als „Herr Pinheiro“ und „Doktor Celso“ bekannte Personen geben dem Unternehmen ihr Gesicht. Beide werden in der Redaktion des Journals durch zwei Verwaltungsangestellte vertreten, Marcela Costa und Irene.

 

Seit „A Capital“ einen neuen Besitzer hat, wird das Wirtschaftsblatt bei Damer Gráfica SA produziert. Das Unternehmen gehört zur Media Nova-Gruppe, der wiederum die Berater des Staatspräsidenten angehören, namentlich Vizepräsident Manuel Domingos Vincente, der Chef von Casa Militar, dem Militärbüro im Präsidentenamt, General Manuel Vieira Dias Júnior „Kopelipa“, und sein Assistent, General Leopoldino do Nascimento „Dino“.

 

Der Journalistenverband Angolas sagte einmal, dass die Wochenzeitung „A Capital“ die am häufigsten von ihren neuen Inhabern zensierte Veröffentlichung sei. Die Gründe seien eindeutig politisch und beträfen Infomaterial, das sie für unvorteilhaft für die herrschende Partei einschätzen.

 

Übernahme von Semanário Angolense...

Die Übernahme von „Semanário Angolense“ geschah zu einem Zeitpunkt, als sich darin Berichte über Korruption in Angola häuften, über Korruptionsfälle, in die der Vizepräsident und der frühere Präsident der staatlichen Ölgesellschaft Sonangol, Manuel Domingos Vicente, involviert waren. Der Autor dieser Reportagen, der Journalist Rafael Marques, wurde entlassen. „Der Direktor kam und sagte mir, dass ich nicht mehr für das Semanário Angolense schreiben werde“, meinte Marques damals gegenüber der portugiesischen Nachrichtenagentur Lusa. „Es ist schon merkwürdig, dass Semanário Angolense ausgerechnet an ein unbekanntes Unternehmen verkauft wird, als sich die Kritik an der Regierung häufte", fügte er hinzu.

 

Der Gründer und ehemalige Direktor von Semanário Angolense, Felisberto Graça Campos, und seine Mitstreiter entschieden sich, die Zeitung und ihre Redaktion aufzugeben. Damit unterschieden sie sich von ihren verbliebenen Kollegen beim „Capital“, die in der Redaktion blieben und nun den Vorgaben des neuen Herausgebers Medivision SA folgen müssen.

 

Bevor das Semanário Angolense zum Druck freigegeben wird, wird es an eine Verantwortliche von Media Investments, eine gewisse Ferreira Claribela, zur Begutachtung geschickt. Sie prüft, ob die Inhalte mit der  Redaktionslinie der neuen Eigentümer übereinstimmen. Im Oktober 2012 wurde der neuen Firma, die die Wochenzeitung überwacht, vorgeworfen, gleich den ganzen Druck der Ausgabe vom 27. des Monats gestoppt zu haben, weil sie die fast vollständige Rede des Unita-Präsidenten Isaías Samakuva zur Lage der Nation enthielt.

 

Die Verantwortlichen bestritten die Vorwürfe und behaupteten, die Ausgabe sei aus technischen Gründen nicht rechtzeitig erschienen. Sie sagten eine Redigierung „nach den journalistisch üblichen Regeln“ zu. Als die gedruckte Ausgabe des Journals erschien, unterschied sie sich deutlich von der digitalen Version, die anfangs online gestellt wurde. Damit konnte man die Zensur leicht feststellen. Die angolanische Journalistengewerkschaft (SJA) kommentierte, ein solcher Eingriff sei nichts neues in Angola, seit die Privatmedien des Landes von Unternehmen übernommen worden seien, deren Finanziers anonym blieben; das nähre den Verdacht, dass sie der Regierung und der MPLA nahe stehen.

 

... und von Agora

Im November 2012 wurde „Agora“, ein für seine kritische Haltung gegenüber dem politischen System in Angola bekanntes Journal, von der Unternehmergruppe Nova Vaga übernommen. Diese wird mit Geschäftsleuten in Verbindung gebracht, die in der Öffentlichkeit als „Brüder Madalenos" bekannt sind, unter ihnen Álvaro Madelano Sobrinho, ehemaliger Vorstandschef der Banco Espírito Santos de Angola (BESA), in der die Präsidententochter Beteiligungen hält; kürzlich erst wurde sie als reichste Frau Afrikas gemeldet. Die Gruppe Nova Vaga ist der angolanischen Öffentlichkeit völlig unbekannt. Vermutlich ist sie erst kürzlich gegründet worden.

 

Bis vor kurzen gehörte „Agora“ mehrheitlich zu Global Media, einer Genossenschaft von unabhängigen Journalisten, die von Mário Paiva, Ramiro Aleixo und Joaquim Manuel Aguiar dos Santos gegründet wurde. „Agora“ ist seit 17. Januar 1997 auf dem Markt und wurde im Verlaufe der Jahre von Aguiar dos Santos herausgegeben. Nach dessen Tod am 7. September 2012 ging die Herausgeberschaft der Zeitung an einen ihrer Teilhaber, den Journalisten Ramiro Aleixo, und den Chefredakteur Julio Gomes über.

 

Aguiar dos Santos war ein Kritiker der Regierung und pflegte seinen eigenen Stil bei der Herausgabe von „Agora“. Er war bekannt dafür, dass er Bestechungsversuche durch Regierungsangehörige stets zurückwies. Sein frühzeitiger Tod dürfte den Verkauf der Zeitung durch die verbliebenen Teilhaber begünstigt haben.

 

Eine andere, länger auf dem Markt bestehende Zeitung ist das „Jornal Angolense“. Sie ist aus der Wochenzeitung „Semanário Angolense“ hervorgegangen. Auch diese wurde umfunktioniert. Zur Monatsmitte Februar berichtete die angolanische Presse, dass diese Zeitung von der unbekannten Firma Real Gráfica, SA aufgekauft werde. Die Art und Weise des Vorgehens verlief nach Medienberichten ähnlich wie beim Aufkauf anderer Zeitungen: Neue, unbekannte Unternehmergruppen tauchen aus dem Nichts auf. Bekannt ist nur, dass die Verkaufsverhandlungen ohne Kenntnis der Arbeiter und eines seiner Teilhaber – und Generaldirektors des „Jornal Angolense“ –, Américo Gonçalves, gelaufen sind.

 

Parteizeitungen unter Deckmantel

Abgesehen von diesen Zeitungen, die auf diese Weise veräußert wurden, gibt es auch einige Journale, die von Personen aus dem Umfeld der regierenden Partei direkt gegründet wurden. So etwa die Wochenzeitung „O Pais“, die 2008 offiziell registriert wurde. Sie gehört zur Mediengruppe SOCIJORNAL-Sociedade Jornais e Revistas, SA, die wiederum eine Tochtergesellschaft von Media Nova ist. Media Nova verfügt über ein Startkapital von über 70 Mio. US-Dollar. Ihre Teilhaber sind drei Berater des Staatspräsidenten. Neben „O Pais“ gehört der Mediengruppe auch die Zeitschrift „Vida“, das „Radio Mais“, die Druckerei „Damer Gráfica SA“ und der private Fernsehsender „TV Zimbo“. Der Sender verstößt im übrigen gegen angolanische Rechtsvorschriften, die die Gründung und den Betrieb von privaten Fernsehsendern im Land untersagen.

 

Eine weitere Wochenzeitung, „O Continente“, gehört dem MPLA-Mitglied Henriques Miguel „Riquinho“. Der redaktionelle Schwerpunkt dieses Blattes liegt in der Berichterstattung über Konflikte zwischen Mitgliedern der Regierungspartei und kulturelle Angelegenheiten, doch Kritik an der Politik des Präsidenten, an Gesetzesbrüchen oder der Verletzung von Menschenrechten ist hier selten zu lesen.

 

Andere der Regierung nahe stehende Zeitungen sind „Factual“ und „Independente“. Letztere hat eine kleine Auflage und ist in Luanda bekannt dafür, mit einem einflussreichen Mitglied des Geheimdienstes in Verbindung zu stehen. Inhaltlich konzentriert sich die Redaktion auf Kampagnen gegen Personen aus der Opposition. Im Mai 2012 warf der Verein für Gerechtigkeit, Frieden und Demokratie (AJPD) der Zeitung vor, den Anwalt und Regierungskritiker David Mendes und andere Mitglieder der Zivilgesellschaft zu verunglimpfen.

 

Die Ausnahme: Folha-8

Folha 8 ist eine der ältesten Publikationen auf dem angolanischen Zeitungsmarkt, sie wurde 1994, zwei Jahre nach der demokratischen Öffnung des Landes, gegründet. Folha 8 wird vom Journalisten und Anwalt William Tonet herausgegeben und pflegt eine äußerst kritische Haltung gegenüber der Regierung. Unter all den Zeitungen ist Folha 8 gegenwärtig die einzige, die ohne Vorbehalte Informationen über Machtmissbrauch und Korruption von Politikern im Umfeld von Präsident José Eduardo dos Santos aufdeckt. Auf der anderen Seite ist die Zeitung Zielscheibe heftiger Zensurversuche. Herausgeber Tonet hat bislang etwa 80 Gerichtsverfahren über sich ergehen lassen müssen – wegen Beleidigung und Verleumdung, eingereicht von Mitgliedern der Regierung und des Präsidentenamtes.

 

Am 26. Januar 2012 hat ein Staatsanwalt der Kriminalpolizei (DNIC), João Vemba Coca, die Beschlagnahmung der Computer von Folha 8 angeordnet, weil die Zeitung eine Fotomontage aus Facebook veröffentlicht hatte, die den Präsidenten der Republik, den damaligen Vizepräsidenten und den Chef des Casa Militar mit dem Umhängeschild „Dreister Diebstahl von Staatsgeldern“ in Handschellen zeigt. In der betreffenden Anordnung heißt es, dass „alle zur Zeitung Folha 8 gehörenden Informationsmaterialien im Rahmen der vorbeugenden operativen Handlungen zur Unterbindung von krimineller Verunglimpfung des Staates in Person des Präsidenten der Republik zu beschlagnahmen sind.“

 

Am 20. Juli des gleichen Jahres wurden dann drei führende Redakteure des Blattes, Félix Miranda, Fernando Baxi und António Setas, von der Kriminalpolizei vorgeladen, weil auch sie Eduardo dos Santos und seine Untergebenen als verantwortlich für die Veruntreuung von Geldern des Volkes aufs Korn genommen hatten.

 

Angola hat derzeit etwa 20 Medien, darunter O País, Continente, Angolense, Factual, Independente, TV Zimbo, Rádio Mais, Rádio Morena Commercial, Rádio 2000 und Rádio Comercial de Cabinda. Dazu gehören auch Rádio Ecclesia, das zur katholischen Kirche gehört, und Rádio Despertar von der oppositionellen Unita, das seinen Sendebetrieb am 26. Dezember 2006 begonnen hat. Rádio Ecclesia musste für landesweite Frequenzen kämpfen. In einem Kompromiss verpflichtete sich die Leitung, keine Informationen zu verbreiten, die die Glaubwürdigkeit der Regierung in Frage stellen. Die Verhandlungen mit der Regierung um eine Ausweitung seiner Senderechte sollten nicht belastet werden.

 

Der Unita-Sender Despertar verbreitet dagegen Informationen, die das Regime kritisieren. Zwei Monate vor den zweiten allgemeinen Wahlen im Jahr 2008 drohte die Regierung, Sendungen von Rádio Despertar für einen Zeitraum von 180 Tagen auszusetzen, weil der Radiosender ihrer Meinung nach eine wesentlich größere Fläche abgedeckt hätte, als seine Konzessionen erlauben. Die Unita meinte damals dazu: „Dies ist ein hochpolitischer Vorgang, denn wir wissen, dass Rádio Despertar nicht anders als andere Sender in Luanda operiert. Doch die Regierung treibt nur die Suspendierung von Rádio Despertar voran."

 

José Gama

 

Der Autor ist Herausgeber des angolanischen Internetportals Club-K, das sich der Aufdeckung von Machtmissbrauch und Menschenrechtsverletzungen in Angola widmet. Er war Kolumnist des Jornal Angolense.