Heft 2/2017, Malawi

Willkommen beim Cashgate-Skandal

BETRUG IM GROSSEN STIL: Hohe Regierungsbeamte Malawis bedienten sich jahrelang aus der Staatskasse. Bis der Skandal aufflog und einige strafrechtlich verfolgt wurden. Im Januar sagten ranghohe Angeklagte aus.

 

Eine Unstimmigkeit auf dem Konto von Victor Sithole, dem Buchhalter im Energieministerium Malawis, galt im September 2013 als Auslöser des Skandals. Die großen Geldmengen konnten nämlich niemals von seinem monatlichen Einkommen angespart worden sein. Hinzu kam der Mordversuch an Paul Mphwiyo, dem Haushaltsdirektor im Finanzministerium. Am 13. September 2013 lauerten ihm bewaffnete Männer vor seinem Haus in Lilongwe auf und schossen mehrmals auf ihn. In den Tagen darauf wurden auf den Konten vieler rangniedriger Staatsbediensteter große Geldsummen entdeckt, für die es keine saubere Dokumentation gab.


Der Skandal kostete Präsidentin Joyce Banda und ihrer People's Party (PP) bei den Wahlen am 20. Mai 2014 den Sieg, meinen viele politische Beobachter. Kurz nach den Schüssen auf Mphwiyo sagte sie, ihr sei bekannt, wer dahinter steckte. Und wenig später erläuterte sie, Mphwiyo sei angeschossen worden, weil er kurz davor war, ein Korruptionssyndikat auffliegen zu lassen. Es hätte Personen gegeben, die das verhindern wollten. Einen Monat später meinte sie, man habe sie falsch zitiert. Sie wisse nichts über die Hintermänner des Attentats.


Das Zentrum des Skandals war eine Lücke im computerbasierten Finanzinformationssystem (IFMIS). Einige Regierungsmitglieder nutzten sie, um große Geldmengen umzuleiten. Man geht von 250 Mio. US-Dollar aus, die aus dem Staatshaushalt verschwunden sind. Zwischen 2012 und 2014 wurden Gelder an Geschäftsleute gezahlt, die gar keine Dienstleistungen erbracht hatten. Einige Regierungsvertreter meinten, das IFMIS sei für den Skandal verantwortlich und sollte abgeschafft werden. Doch internationale Geber verwarfen die Behauptung, das IFMIS sei Schuld. Der frühere deutsche Botschafter in Malawi, Peter Woeste, sagte lokalen Medien: „Dank des IT-Systems IFMIS sind wir nun in der Lage nachzuvollziehen, wer wann Geld genommen hat. Deshalb beschuldigen Sie also bitte nicht Computer der Korruption, das lenkt vom eigentlichen Thema ab. Kriminelle Elemente haben betrogen."

 

Plünderung der Staatskasse reicht weit zurück
Am 11. Oktober 2013 fror Norwegen seine gesamte Haushaltshilfe für Malawi ein, im November 2013 folgte Großbritannien. Auch Deutschland suspendierte seine Budgethilfe. Der internationale Währungsfonds (IWF) verzögerte einen Kredit im Wert von 20 Mio. US-Dollar, die eingefrorenen Gelder – auch Hilfe der Europäischen Union – bezifferte sich auf insgesamt 150 Mio. US-Dollar.


Im Dezember 2013 protestierten zivilgesellschaftliche Gruppen gegen die Art und Weise, wie die Regierung den Skandal handhabte. Diese würde nicht genug tun, um die Grundprobleme anzugehen und die Ermittlungen abzuschließen. Es gab wiederholte Aufrufe, die Präsidentin abzusetzen. Banda lehnte alle Appelle ab. Vielmehr sah sie nun eine „goldene Gelegenheit" für ihre Regierung, die staatlichen Behörden in Malawi zu säubern.


Dank umfangreicher finanzieller Hilfe durch Deutschland wurde eine strafrechtliche Finanzprüfung in Auftrag gegeben. Das von PricewaterhouseCoopers durchgeführte Audit bezifferte die geplünderte Geldmenge auf 856 Mio. US-Dollar (577 Mrd. Kwacha) zwischen 2009 und 2014. Deutlich wurde, dass die Plünderung der Staatskasse weit davor zurückreichte, als Präsident Bingu wa Mutharika das Land regierte. Die britische Firma RSM Risk Assurance Service LLP, die ebenfalls ein Audit durchführte, ging von 329 Mio. US-Dollar (236 Mrd. K) aus. Der deutsche Botschafter Thomas Staiger äußerte sich im November 2016 besorgt über die zögerliche Strafverfolgung. Es sei enttäuschend, wie langsam die Betrüger, die öffentliche Gelder geplündert hätten, zur Rechenschaft gezogen würden.

 

Mphwiyos Komplizenschaft
Die malawische Bevölkerung wurde lange in großer Ungewissheit darüber gelassen, wer die treibende Kraft hinter den Machenschaften ist. Es gab Gerüchte, Mphwiyo sei selbst das Zentrum der kriminellen Kreise und für die Unterschlagung von Millionen US-Dollar durch Regierungsbeamte verantwortlich, die konspirativ zusammenwirkten, um den Staat zu betrügen. Mphwiyo beharrt auf seinem Standpunkt, sein hartes Vorgehen gegen Korruption sei der Grund für die Schießerei gewesen. Doch es wurde rasch klar, dass er das Opfer seines eigenen kriminellen Handelns wurde.


Nachdem es während der letzten Jahre einzelne Strafprozesse gegeben hatte, trat Mphwiyo am 9. Januar 2017 als erster von 18 ranghohen Cashgate-Angeklagten vor das improvisierte Oberste Gericht (High Court) im Lilongwe City Council. Er erstatte Bericht, wie er selbst in das „Schema" einbezogen wurde. Dann sagte der frühere stellvertretende Direktor in der Planungsabteilung im Tourismusministerium, Leonard Prince Kalonga, aus, Mphwiyo habe als Kopf hinter dem Cashgate-Betrug gesteckt. Kalonga war als „Zeuge der Anklage" geladen und erklärte gegenüber Richter Esme Chombo, alles hätte im April 2013 mit einer belanglosen Unterhaltung mit einem Mr. Makina begonnen. Er, Kalonga, habe ihn zum Flughafen begleitet. Er hätte im zentralen Rechnungsprüfungsamt gearbeitet, bevor er einen diplomatischen Posten in Simbabwe antrat.


Kalonga bewunderte ihn und erklärte: „In unserem Gespräch sagte er mir, er könne mich einflussreichen Regierungsvertretern vorstellen, um meine Karriere zu fördern – auch falls ich vom diplomatischen Dienst träumen würde." Dann habe er jemand angerufen, womit die Verbindung des Angeklagten mit Regierungsleuten begann.


„Makina verschwieg aber, mit wem er telefonierte. Er gab mir nur seine Telefonnummer, so dass ich ihn später anrufen konnte", erinnerte sich Kalonga, der bereits verurteilt wurde, weil er seine Schuld eingestanden hat. Nun erläutert der frühere stellvertretende Direktor der Planungsabteilung des Tourismusministeriums, es habe sich herausgestellt, dass es sich bei dem denkwürdigen Gespräch um einen Anruf beim Haushaltsdirektor Paul Mphwiyo gehandelt hatte.


Danach hätte er Kalonga die entscheidenden Leute in der Regierung genannt, Top-Offizielle wie die damalige Präsidentin Joyce Banda. Mphwiyo hätte gesagt, alles würde gut, wenn ich mit diesen Leuten vernetzt sei. Und er schlug vor, Kalonga sollte Hauptbuchhalter George Banda überzeugen, eine Schaltstelle für das Absaugen von Geld aus öffentlichen Kassen. George Banda wird vorgeworfen, Kalongas Idee zugestimmt zu haben. und ordnete an, ein Treffen mit Mphwiyo zu arrangieren, um das ganze Konzept zu diskutieren.


Kalonga führte weiter aus: „Mphwiyo hatte wegen seines Postens im Finanzministerium Einfluss auf die Gelder in den Ministerien. Er riet uns, Anträge auf zusätzliches Geld zu stellen, dessen Zahlung er erleichtern würde. Zudem sagte er, das Geld würde von der Regierungspartei verwendet, konkret von der Präsidentin zum Verteilen bei politischen Kundgebungen." Nachdem ein Antrag in Höhe von 90 Mio. US-Dollar (70 Mrd. K) gestellt worden war, erwirkte Mphwiyo die Zahlung – beides im April 2013. Kalonga und Mphwiyo sollten Lieferanten für fingierte Verträge finden. „Die Vereinbarung lautete: Die Lieferanten sollten zehn Prozent Kommission für die ganzen Transaktionen erhalten. WC Construction Company, die Mphwiyo gehörte, verlangte 15 Prozent, die wurden auch bewilligt."

 

Selektive Strafverfolgung
Derzeit ist Präsident Peter Mutharika unter Beschuss, ihm wird eine selektive Auswahl von Schuldigen vorgeworfen. Er hätte nur Verdächtige ausgewählt, die Verbindungen zur Oppositionspartei oder schlechtes Ansehen bei der Regierungspartei hätten, was der Präsident verneint. Beim Treffen mit der Menschenrechtskommission von Malawi am 19. Januar 2017 sagte er, er sei nicht die Staatsanwaltschaft. „Nicht ich, sondern das Anti-Korruptionsbüro und das Justizministerium haben das Mandat zur Strafverfolgung", gab er zu verstehen. Ferner betonte er, kein Minister sei in Cashgate involviert.


Gegenüber dem Haushaltsausschuss stellte der Präsident klar, es sollte den 329 Mio. US-Dollar starken Cashgate-Betrug untersuchen und dann das Kapitel schließen. In der Regierung könne nach Beweisen geforscht werden; aber es sollte kein negatives Bild gezeichnet werden, so als ob seine Regierung die korrupteste sei. Damit ging er auch zivilgesellschaftliche Organisationen und Ausländer an, die seinen Standpunkt im Kampf gegen Bestechung kritisierten, zumal kein einziger seiner Minister im Bericht über strafrechtliche Ermittlungen in Höhe von 329 Mio. U-Dollar zwischen 2009 und 2014 genannt wurde. Kritiker monieren auch, kein Minister der Democratic Progressive Party DPP unter dem früheren Präsidenten Bingu wa Mutharika würde erwähnt. Die Korridore der Macht hätten sie geschützt. So liegt es nun an der DDP-Verwaltung zu beweisen, dass sie niemanden bevorzugt.

 

Sicht eines Menschenrechtsexperten
Timothy Mtambo, der geschäftsführende Direktor des Centre for Human Rights and Rehabilitation (CHRR), wertschätzt, dass es zahlreiche Verhaftungen gab, die auf etwas Fortschritt in der Sache hinweisen. „Es ist gut, dass der Präsident und der Informationsminister keinen verschonen, der in Cashgate verwickelt ist. Doch es ist höchste Zeit, solche Rhetorik in Aktion umzusetzen", mahnt Mtambo.


Dennoch hänge weiterhin eine große Wolke des Verdachts über dem Cashgate-Betrug und den Ermittlungen. Und die Art und Weise, wie diese durchgeführt worden seien, würde mehr Fragen aufwerfen, als Antworten geben. Wird die Öffentlichkeit also wieder hinters Licht geführt?


„Es gibt Vorwürfe aus Teilen der Zivilgesellschaft, die Cashgate-Verhaftungen seien selektiv; sie würden nur auf Vertreter des früheren Regimes abzielen. Das langjährige Versagen der verantwortlichen Stellen, die Strafverfolgung auf höchster Ebene durchzuführen, war und ist unsere größte Sorge in der aktuellen Cashgate-Saga", berichtet der Menschenrechtsaktivist Mtambo. Er hoffe, die DPP werde die Dinge anders angehen und die Strafverfolgung der Cashgate-Fälle bald zu Ende bringen – unabhängig davon, ob es sich um kleine oder große Fische, um Regierungs- oder Oppositionsvertreter handele. Und hoffentlich würden die Verfahren im besten Interesse der Bürger durchgeführt, die schmerzlich nach Gerechtigkeit verlangten. Sie sollten mit großer Ernsthaftigkeit geführt werden, da die Plünderungen so große gesellschaftliche und ökonomische Tragweite haben.


Watipaso Mzungu Junior

 

Der Autor ist malawischer Journalist.