Heft 2/2018, Südafrika

Präsident Ramaphosas Herausforderungen und der ANC

REFELXIONEN ÜBER DIE KADERPOLITIK DES ANC

Am 15. Februar 2018 wurde Cyril Ramaphosa nach Rücktritt von Jacob Zuma fünfter Präsident Südafrikas seit 1994. Er verlor keine Zeit und erklärte, seine Präsidentschaft sei eine „neue Morgenröte" und ein entscheidender Bruch mit der Zuma-Ära, die vornehmlich durch Verschlechterung der Wirtschaft und hohe Korruption („Staatsvereinnahmung") charakterisiert war.

Zumas dramatischer Sieg über seinen Vorgänger Thabo Mbeki bei der ANC-Konferenz in Polokwane im Dezember 2007 war der Beginn einer turbulenten Periode in Südafrikas Geschichte. Im Jahr zuvor schien Zumas politische Karriere am Ende, weil er sich vor Gericht des Vorwurfs der Vergewaltigung stellen musste und 783 Fälle von Korruption, Betrug, kriminellen Geschäften und Geldwäsche anstanden. Im Juni 2005 war er zudem als Stellvertreter von Präsident Mbeki gefeuert worden.

Zumas Aufstieg und Fall zeigt nicht nur die Verletzlichkeit des politischen Systems des Landes, sondern macht auch Risse im regierenden ANC deutlich, die nachhaltiges Wachstum und Stabilität unterminieren können.

Von der Befreiungsbewegung zur politischen Partei
Der ANC, die älteste Befreiungsbewegung Afrikas, wurde 1912 von einer Elite gebildeter und landbesitzender Afrikaner gegründet. Nach Jahren im Exil stand der ANC 1990 vor großen Herausforderungen, sich in eine moderne politische Partei umzuwandeln, die ein Land regieren sollte, das nach dem Missmanagement der Apartheid, internationalen Sanktionen und Abzug von Investitionen fast bankrott war. Sich dieser Aufgabe gewachsen, glaubte der ANC fest daran, dass er eine „breite Bewegung" („broad church") bleiben könne, eine Hegemonie-Organisation, die sich nicht in exklusiven oder engen ideologischen Begriffen erklärte.

Freilich dürfte die Betonung des marxistisch-leninistischen Prinzips vom „demokratischen Zentralismus", wie sie der ANC praktizierte, im Konflikt stehen zum Streben nach einer „offenen Gesellschaft, in der die Regierung auf dem Willen aller Menschen gründet und in der alle Bürger vor dem Gesetz gleich sind", wie es die Verfassung vorsieht. Das Prinzip des „demokratischen Zentralismus" hat sich für gewählte ANC-Vertreter als problematisch erwiesen. ANC-Parlamentsmitglieder stehen oft vor dem Dilemma, Interessen ihrer Wähler zu vertreten und gemäß ihrem Gewissen abzustimmen, andererseits so abzustimmen, wie es die ANC-Führung vorsieht.

Deutlich wurde das, als am 8. August 2017 das neunte Misstrauensvotum gegen Präsident Zuma anstand. Viele ANC-Abgeordnete sahen sich vor der Alternative, der öffentlichen Unzufriedenheit mit Zuma zu entsprechen (und dann eventuell aus der Partei ausgeschlossen zu werden) oder aber loyal gegenüber der Partei-Führung zu sein (der auch Zuma angehörte). Die Abstimmung ergab 198 Stimmen für Zuma und 177 für seine Absetzung. Viele ANC-Abgeordnete widersetzten sich hier dem Prinzip des „demokratischen Zentralismus" und stimmten gegen Zuma und Parteiführung. Zuma überstand sein neuntes Misstrauensvotum.

Die ideologische Zwiespältigkeit des ANC zeigt sich in der Organisation wie in der Regierung. So stehen seine inneren Praktiken im Widerspruch zu den Werten der vom ANC maßgeblich geschaffenen Verfassung Südafrikas. Diese gilt als eine der fortschrittlichsten weltweit, mit Werten wie Transparenz, Gleichheit und Verantwortung. Doch ANC-Strukturen wie das „Deployment Committee" (Entsendungsausschuss) erinnern eher an Mechanismen der Sowjet-Ära und sehen vor, dass die Partei öffentliche Mittel und Machtausübung kontrolliert. Dieser mächtige Ausschuss ist verantwortlich dafür, dass die „richtigen Leute" im öffentlichen Sektor und in staatlichen Unternehmen als Kader zum Einsatz kommen. Die ANC-Verfassung definiert als „Entsandte" ein Mitglied, das stellvertretend für den ANC Aufgaben übernimmt, neben der Mitgliedschaft. Wie Entsandte ausgewählt werden, ist nicht klar definiert; es hat viele Fälle gegeben, wo „Entsandte" im öffentlichen Sektor und in Staatsfirmen eher Dienstleistungen und professionelles Management behindert als befördert haben.

Was entscheiden nationale ANC-Konferenzen?
Die nationalen ANC-Konferenzen finden als höchste Partei-Instanz alle fünf Jahre statt; seit 1990, als das Verbot des ANC aufgehoben wurde, gab es sieben Versammlungen.


ANC-WAHLEN SEIT 1991:
1991: 48. Konferenz/Durban wählte Nelson Mandela als Nachfolger von Oliver Tambo zum ANC-Präsidenten ohne Gegenkandidaten;

1994: 49. Konferenz/Bloemfontein bestätigte Nelson Mandela ohne Gegenkandidaten als ANC-Präsidenten;

1997: 50. Konferenz/Mafikeng wählte Thabo Mbeki (2620 Stimmen) ohne Gegenkandidaten;

2002: 51. Konferenz/Stellenbosch wählte Thabo Mbeki (3060 Stimmen) ohne Gegenkandidaten;

2007: 52. Konferenz/Polokwane wählte Jacob Zuma (2329 Stimmen) gegen Thabo Mbeki (1505 Stimmen) zum ANC-Präsidenten;

2012: 53. Konferenz/Mangaung wählte Jabob Zuma zum ANC-Präsidenten (2.983 Stimmen) gegen Kgalema Motlanthe (991 Stimmen);

2017: 54. Konferenz/Johannesburg wählte Cyril Ramaphosa (2440 Stimmen) gegen Nkosasana Dlamini-Zuma (2261 Stimmen) zum ANC-Präsidenten.


Seit längerem hält der ANC sechs Monate vor den Nationalkonferenzen „Policy-Konferenzen" für Strategiefragen ab. Auf den Nationalkonferenzen geht es um den Kurs für die nächste Zeit, die Wahl der Führung und der zentralen Organisationsstrukturen. Die dort gewählten „Top Sechs" sind der Präsident, Vize-Präsident, der Vorsitzende, Schatzmeister, Generalsekretär und sein Stellvertreter. Zu diesen „National Officials" werden noch 80 Mitglieder für das Nationale Exekutiv-Komittee (NEC) gewählt, dem höchsten ANC-Gremium zwischen den Nationalkonferenzen. Es wählt ein Nationales Arbeits-Komitee (NWC), das neben den „National Officials" noch 20 Mitglieder umfasst, das alle 14 Tage zusammentritt.

Die Auseinandersetzungen über die richtige Strategie und Politik zieht sich durch die Geschichte der ANC-Konferenzen. Das Zulassen verschiedener ideologischer Positionen wie „Panafrikanismus", „Sozialismus" oder – zur Zeit Mbekis – „Neo-Liberalismus" entsprach dem Anspruch des ANC als „broad church".

Seit der Polokwane-Konferenz von 2007 zeigte sich ein Trendwechsel bei der Wahl der Parteiführung. Zuvor hatte man sich immer um einen Konsens über den Kandidaten für den Parteivorsitz bemüht. In der Tat gab es bis zur Stellenbosch-Konferenz 2002 keine Gegenkandidaten.

In Polokwane wurde Mbekis Entscheidung, zum dritten Mal als ANC-Präsident zu kandidieren, heftig kritisiert. Die Verfassung des ANC kennt keine Beschränkung, wie oft jemand das Amt ausüben kann; die Verfassung Südafrikas sieht nur zwei Amtsperioden für das Präsidentenamt vor. Mbekis Kritiker meinten, er wolle zwei Machtzentren schaffen, wodurch er Südafrikas Präsidenten vom ANC-Hauptquartier aus kontrollieren könne. Zuma trug – mit Unterstützung der ANC-Partner Südafrikanische Kommunistische Partei (SACP) und des Gewerkschaftsverbandes Cosatu – den Kampf auf die Straße. Er hatte zudem die Unterstützung des populistischen Jungpolitikers und damals noch Führers der ANC-Jugendliga Julius Malema.

Zuma und seinen Unterstützern gelang es, die Delegierten zu überzeugen, dass er Opfer einer politischen Verschwörung durch Mbeki sei, der Zugang zu Staatsorganen habe und Zuma habe diskreditieren lassen. Zumas Anhänger hatten auch kein Problem damit, für ihre Ziele Stammesaspekte anzuführen. Das Ergebnis war eine klägliche Niederlage für Mbeki, mit rund 60 Prozent der Stimmen für Zuma.

Polokwane war der Auftakt von zwei bis heute bedeutenden Aspekten von Politik im Lande und im ANC: die Herausbildung der Politik von Kandidatenlisten („slate politics") und der Beginn populistischer Politik, deren Symbol Julius Malema und seine Economic Freedom Fighters EFF wurden.

Die Politik der Kandidatenlisten im ANC
Ein politisches „slate" ist eine Liste von politischen Kandidaten, die zusammen die Absicht hegen, für Wahlen anzutreten. Im ANC hat diese im Grunde ungefährliche Praxis fast giftige Auswirkungen. Slates vor den ANC-Nationalkonferenzen widerspiegeln Flügel in der Partei. Diese Flügel nutzen oft versteckte Taktiken, um Delegierte zu beeinflussen, bis hin zu „finanziellen Anreizen", um Stimmen zu kaufen. Der ANC-Führer und Interims-Präsident (2008-2009) Kgalema Montlanthe bezeichnete diese Praxis als dämonisch: „Mitgliederstimmen durch Listen zu stehlen, Stimmen zu kaufen, die Mitglieder als Stimmvieh zu behandeln, das ist nichts anderes als Korrumpierung der Organisation."

Die Praxis der Kandidatenlisten führt zu einer „winner-takes-all"-Mentalität im ANC, was den öffentlichen Sektor durchdrungen hat. Seit Polokwane lief das darauf hinaus, dass die siegreiche Kandidatenliste alle diejenigen aus dem öffentlichen Dienst entfernte, die als Unterstützer der unterlegenen Liste angesehen wurden. Das führte zu einer erheblichen Beeinträchtigung der ministeriellen Funktionsfähigkeit. In KwaZulu-Natal z.B. hat „slate politics" gar zu politischen Spannungen geführt, zu Gewalt und politisch-motivierten Morden.

Auf der 54. ANC-Nationalkonferenz 2017 siegte Ramaphosa mit der knappsten Mehrheit in der ANC-Geschichte. Obwohl kein Zweifel besteht, dass er bei der Verhandlungslösung, die zur derzeitigen demokratischen Konstellation führte, eine wichtige Rolle spielte, hat er sich als sehr unfähig erwiesen, eine Post-Polokwane-Politik zu betreiben, besonders was „slate politics" angeht. Auch wenn der 4. ANC-Nationalrat 2015 die Förderung von Kandidatenlisten (slates) als Verstoß gegen die Parteidisziplin darstellte, geht diese Politik unvermindert weiter, wiederholt sich ständig.

Vor der 54. Nationalkonferenz gab es zwei offene Listen – die von Ramaphosa und die seiner Rivalin Nkosasana Dlamini-Zuma, der „Erbin" und früheren Frau von Zuma. Sie hatte indes auch mit ihrer Funktion als Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union und als Kabinettsmitglied bei Mandela und Mbeki geworben. Ramaphosa wurde von seinen Anhängern als guter Verhandler, erfolgreicher Geschäftsmann und einstiger Kandidat Nelson Mandelas für seine Nachfolge präsentiert. Im November 2017 beging Ramaphosa den schweren Fehler, als er seine Liste für die obersten sechs ANC-Ämter ankündigte. Das rief nicht nur Kritik der übrigen ANC-Führung hervor, sondern gestattete seinen Widersachern auch, einen Monat vor der Nationalkonferenz ihre Positionen taktisch zu bestimmen. Das Ungeschick verhinderte nicht, dass Ramaphosa ANC-Präsident wurde, doch seine Liste wurde reduziert: Nur zwei seiner Kandidaten für die sechs obersten Ämter wurden gewählt, eine Reihe der Positionen in den Ausschüssen des 80-köpfigen NEC gingen an die Liste seiner Widersacher.

Populistische Politik nimmt zu
Seit Jahren zählt Südafrika zu den ungleichsten Ländern der Welt. Die Arbeitslosigkeit steht bei 27,7 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit gar bei 52,1 Prozent. Solche sozio-ökonomischen Bedingungen sind ein Nährboden für populistische Politik. In Südafrika ist der populistische Protagonist Julius Malema, einst Präsident der ANC-Jugendliga und derzeit „Oberster Kommandant" der Economic Freedom Fighters EFF. Malemas spielte beim Aufstieg und Fall von Jacob Zuma eine zentrale Rolle. Einst erklärte er, „für Zuma sogar zu töten", später führte er eine Kampagne für Zumas Abwahl. Auch wenn die EFF nur 25 der 400 nationalen Sitze im Parlament hat, geht ihr Einfluss darüber hinaus. Bei den Kommunalwahlen 2016 spielte die EFF eine strategische Rolle in drei wichtigen Stadtregionen, wo sie Multiparteienkoalitionen arrangierte, um den ANC um die Macht zu bringen. Das funktionierte symbolisch in Nelson Mandela Bay (Eastern Cape), Tshwane (mit Pretoria, Südafrikas Hauptstadt) und der Wirtschaftsmetropole Johannesburg.

Zentral für die populistische EFF-Rhetorik ist die Landfrage, ein höchst problematisches und komplexes Thema angesichts der kolonialen und Apartheid-Vergangenheit. So werden nach einer jüngsten Erhebung Zahlen genannt, wonach Weiße immer noch 72 Prozent, Coloureds 15 Prozent, indischstämmige Südafrikaner fünf Prozent und schwarze Südafrikaner nur vier Prozent der landwirtschaftlichen Flächen besitzen. Dieses Thema hat die EFF dazu geführt, die Landfrage zu benutzen, um den ANC vom langjährigen Prinzip „verkaufswilliger Besitzer, williger Käufer" abzubringen. Auf der 54. Nationalkonferenz beschloss der ANC eine Veränderung der Verfassung: Land könne auch ohne Entschädigung enteignet werden – eine zentrale Forderung der EFF.

Ramaphosas neue Morgenröte
Nach seiner Wahl zum ANC-Präsidenten im Dezember 2017 betonte Ramaphosa die Notwendigkeit, dass die ANC-Politik sich an folgenden Aspekten orientiere:
• Verjüngung und Einheit des ANC.
• Verstärkung von politischen Strategien und Verbesserung der Umsetzung, um besser auf die Bedürfnisse der südafrikanischen Bürgerinnen und Bürger einzugehen.
• Den ANC näher an die Wählerinnen und Wähler zu bringen und die Interessen der Menschen in den Vordergrund zu stellen.
• Mehr Engagement für Gendergleichheit und Kampf gegen Patriarchentum.
• Unterstützung von Veteranen.
• Mehr Engagement bei Programmen für Jugendliche.
• Sozio-ökonomische Transformation, orientiert auf Wachstum, Schaffung von Arbeitsplätzen und gerechte Verteilung von Einkommen, Vermögen und Kapital.
• Landreform und ländliche Entwicklung mit dem Ziel radikaler Wirtschaftstransformation und zusätzlich Enteignung von Land ohne Entschädigung als Maßnahme für Landreform und Landumverteilung.
• Ausmerzen der Herausforderungen von Armut, Ungleichheit und Abbau von Arbeitslosigkeit.
• Mehr Aufmerksamkeit auf Bildung, Fertigkeiten und Ausbildung.
• Abgestimmte Bemühungen um die Krise der Staatsunternehmen und Regierungsinstitutionen.
• Furchtlose Maßnahmen gegen Staatsvereinnahmung und Korruption in Institutionen, wobei die Schuldigen vor Gericht gestellt werden.
• Verstärkte Regierungsmaßnahmen für die Integritäts-Kommission.
• Heilung der Wunden von Konflikten und Engagement für „nicht-rassische" Politik.

Bei seiner Rede an die Nation im Parlament wiederholte er die Notwendigkeit, Südafrikas zentrale Institutionen, frühere Wettbewerbstärken und Schwächen bei Staatsunternehmen aus der Zeit von Zuma zu reparieren; dazu zählt besonders die Steuerbehörde SARS. Beseitigung der Korruption sei eine Schlüsselpriorität, wie auch rasches Wirtschaftswachstum für Beschäftigung und Verminderung von Armut und Ungleichheit; zudem müssten Zuversicht in der Wirtschaft und Investitionen im privaten Sektor gestärkt werden; auch ein Abkommen zwischen Regierung, Gewerkschaften und Privatsektor sei bedeutsam.

Präsident Ramaphosa machte eine Reihe von Versprechen:
• Größe und Struktur des Staates sei anzupassen an die Bedürfnisse der Menschen und einer effizienten Verwendung von Mitteln.
• Ein Arbeitsgipfel müsse kommen.
• Eine Konferenz zu Investitionen sei notwendig.
• Armut und Arbeitslosigkeit müsse durch ein Hybrid-Modell unter Führung des öffentlichen Sektors reduziert werden.
• Die Lage von schwarzen Fachkräften, Frauen und Gemeinschaften müsse verbessert werden.
• Beschleunigung des Landumverteilungsprogramms.

Nach den negativen Tendenzen der Zuma-Präsdentschaft gab es Hoffnung auf eine Wiederbelebung des südafrikanischen Traums, in Südafrika und im Ausland. Der Rand stieg auf den höchsten Kurs seit 2015; auch im Parlament gab es weniger Konfrontation und mehr Kooperation. Auf keinen Fall schien der Präsident aber volle Kontrolle zu haben; er musste sein Kabinett mit seinen Kritikern in der ANC-Führung abstimmen.

Nach der Kabinettsbildung am 26. Februar 2018 wurde die heikle Situation, in der er sich nach seinem knappen Sieg bei der Nationalkonferenz befand, auf schmerzliche Weise deutlich. Zwar bekam er Lob für Finanzminister Nhlanhla Nene und Pravin Gordhan als Minister für Öffentliche Unternehmen; beide waren von Zuma gefeuert worden, weil sie sich gegen dessen Versuche gestellt hatten, sich aus dem Staatshaushalt zu bedienen. Aber deutliches Zeichen, dass Ramaphosa mit seiner neuen Morgenröte nicht so recht vorankam, war die Wiederernennung von unpopulären Zuma-Loyalisten wie Nomvula Mokonyane, Malusi Gigaba und Bathabile Dlamini.

Kurz nach der Kabinettsumbildung verabschiedete das Parlament den Antrag von Julius Malema (EFF) zur Enteignung von Land ohne Entschädigung. Zuerst hatte der Antrag einen Sonderausschuss vorgesehen, wonach Absatz 25 der Verfassung überprüft und ergänzt werden sollte. Dieser Absatz 25 geht um Besitz, wonach kein Gesetz die willkürliche Enteignung von Besitz gestatten darf und dass Besitz nur dann enteignet werden darf, wenn es um öffentliche Interessen geht, wobei Kompensation geleistet werden muss, über die sich beide Seiten einig sein müssen oder ein Gericht entscheiden muss. Absatz 25 erwähnt auch, dass der Staat nachvollziehbare Gesetzgebung und andere Maßnahmen ergreifen muss, um im Rahmen seiner Ressourcen Bedingungen zu schaffen, die Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu Land auf gleicher Grundlage ermöglichen.

Der ANC schlug eine Ergänzung zum EFF-Antrag vor, wonach der Prüfausschuss für die Verfassung einen „Konsultationsprozess einleiten sollte, um die Modalitäten der Resolution der Regierungspartei zu bestimmen". Vorlage dafür war eine im Dezember 2017 verabschiedete ANC-Resolution, die vorsieht, Enteignung von Land ohne Entschädigung zu gestatten, aber erst nachdem eine Machbarkeitsstudie Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit und Wirtschaft analysiert hat.

Ramaphosa wurde positiv gewürdigt, als er den Steuer-Kommissar Tom Moyane entließ, einen Zuma-Verbündeten, der verdächtigt wurde, in Aktivitäten von „Staatsaneignung" verwickelt zu sein. Zudem galt die Erneuerung des Vorstandes des Energieversorgers Eskom einer umsichtigeren Haushaltspolitk des vor sich hindümpelnden Unternehmens durch eine neue Führung. Maßnahmen, die als grüne Sprossen von Ramaphosas neuer Morgenröte betrachtet werden können.

Wohin geht die Reise?
Eine kürzliche Analyse von PriceWaterhouseCoopers sieht eine 75-Prozent-Wahrscheinlichkeit für besseres Wirtschaftswachstum, das 2022 gar bei drei Prozent liegen könnte. Im Vergleich zu seinem spalterischen Vorgänger ist Ramaphosa viel zugänglicher, seine guten PR-Aktivitäten wie morgendlichen Ausflüge zu einfachen Bürgern oder ein Economy-Flug bei einem Inlandsflug haben positives Echo in der Öffentlichkeit. Um die großen Herausforderungen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik anzugehen, reichen PR-Aktivitäten aber nicht aus.

Als reicher und erfolgreicher Geschäftsmann und Anwalt ist es keine Überraschung, dass die Geschäftswelt Ramaphosa als unternehmerfreundlich ansieht. Möglicherweise wird er auch die schwarze Mittelklasse zurückholen können, die unter Zuma dem ANC entfremdet war.

Wesentlich problematischer ist die wachsende Unzufriedenheit vieler Südafrikaner. Das Edelman Vertrauensbarometer fand 2018 heraus, dass das Vertrauen in die Regierung auf ein Allzeit-Tief von 14 Prozent gefallen war. Die Foundation for Human Rights fand, dass 60 Prozent unzufrieden sind mit dem demokratischen System – zumeist ärmere Südafrikaner.

Angesichts der für 2019 bevorstehenden Wahlen ist mit einem Anstieg populistischer Rhetorik zu rechnen, auch mit politischen Spannungen. Wenn Ramaphosa den Politikdiskurs kontrollieren will, so wird er sich stark gegen rassisch-motivierte und Hassparolen wenden müssen, wie sie z.B. die EFF nutzt. Zugleich ist wichtig, ausländische Investoren nicht zu verprellen, z.B. durch Herumdoktern an der Verfassung oder ein Landreformprogramm in großer Eile, weil das die Grundlagen der Volkswirtschaft wesentlich beeinflussen würde.

Auch die Fragen von Rechenschaftspflicht und Kontrolle der Politiker durch die Wähler ist wichtig. Angesichts von Unzufriedenheit ist es Zeit, das Wahlsystem zu überprüfen, damit mehr direkter Bezug zwischen Gewählten und Wählern waltet. Das derzeitige System der proportionalen Vertretung, besonders mit dem „demokratischen Zentralismus" im ANC, läuft darauf hinaus, dass Volksvertreter sich auf Parteiführer einstellen, aber Wähler eher vernachlässigen.

Die zerrütteten Jahre unter Zuma sollten dem ANC eine rote Fahne zeigen, weil die Schwächen der Parteipraxis Missbrauch befördern. Heute braucht Südafrika einen professionellen und hochgebildeten Öffentlichen Dienst, der nicht schlechten Praktiken anheimfällt, und keinen, der von Parteigängern voll ist, die sich auf die Partei orientieren, statt dem Gemeinwohl zu dienen.

Heindri A. Bailey

Der Autor ist Managing Director der Kapstädter Beratungsfirma „Managing for Excellence". Er formuliert hier seine eigenen Ansichten, nicht die seiner Firma. Der ungekürzte Originalbeitrag in Englisch ist bei der afrika-süd-Redaktion abrufbar.