Heft 2/2019, Simbabwe

Partei, Militär und Wirtschaftskrise

EIN MACHTKAMPF VERSTÄRKT DIE POLITISCHE UND WIRTSCHAFTLICHE KRISE IN SIMBABWE. Der Optimismus nach dem Ende der Mugabe-Ära ist schnell verflogen, Präsident Emmerson Mnangagwa hat es nicht geschafft, den Verfall der Wirtschaft aufzuhalten. Die eigentliche Macht in Harare liegt beim Militär, das unter Vizepräsident Chiwenga im Hintergrund die Strippen zieht und sich jederzeit an die Macht putschen könnte.

Ein Land, das eigentlich mit einem Überfluss an natürlichen Reichtümern, Bildung, Wissen und Ressourcen gesegnet war und dessen Bevölkerung bei der Unabhängigkeit 1980 weitaus besser aufgestellt war als Singapur, China und Südkorea, liegt am Boden. Der langjährige Machthaber Robert Mugabe, verantwortlich für den Tod von Tausenden Menschen und die Zerstörung des Landes, regierte mit Brutalität, sinnentleertem Personenkult, machiavellistischer Politik und mit seiner gefürchteten Geheimpolizei, der Central Intelligence Organization (CIO), im DDR-Stasi-Stil. Seine willigen Vollstrecker und Handlanger haben ihn später bei einem „Putsch, der kein Putsch war", wie ihn die Simbabwer bezeichnen, verraten, um sich selbst in politischen Führungspositionen zu installieren. Er wurde von seinem ehemaligen persönlichen Leibwächter Emmerson Mnangagwa, einstmals loyaler Vizepräsident und langjähriger treuer Weggefährte Mugabes, und seinen Offiziersfreunden, darunter der ehemalige Militärchef und heutiger Vizepräsident Constantino Chiwenga, abgesetzt.

Dem nach außen hin scheinbar sanftmütigen Generalleutnant und jetzigen Außenminister Sibusiso Moyo nahm man bei seiner Radioansprache ab, dass das Ziel der Militärintervention darin bestünde, das Erbe Mugabes zu retten.

Im Rückblick war dies eine weitere Episode der politischen Amnesie Simbabwes. Am 18. November 2017 bejubelten Menschen aller Couleur, aller politischen Überzeugungen und aller Altersgruppen noch frenetisch das Ende des langjährigen Machthabers Robert Mugabe und seines Familien-Clans. Wie konnten die Menschen, als sie die Straßen Harares säumten und das Ende der Mugabe-Ära feierten, nur vergessen, dass die Panzer, denen man freudig in den Straßen der Hauptstadt begegnete, weniger als ein Jahrzehnt zuvor die rechtmäßige Wahl des Präsidenten Morgan Tsvangirai verweigerte und Mugabes Diktatur manifestierte und wiederhergestellte – nur um ihre Interessen zu schützen? Wie konnte eine ganze Nation die Morde an Zehntausenden so schnell vergessen, die brutalen Mörder exkulpieren und sie nun zu angeblichen Rettern machen?

Dramatische Wirtschaftskrise
Siebzehn Monate später war alle Hoffnung und aller Optimismus wieder verflogen. Die Realität war zurück. Das Regime von Emmerson Mnangagwa hat es nicht geschafft, die zerfallende Wirtschaft des Landes auch nur annähernd wiederherzustellen und damit den Menschen einen neuen Optimismus zu vermitteln. Die Arbeitslosigkeit liegt weiter bei 95 Prozent, wobei 75 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut leben und von weniger als 1,90 US-Dollar (USD) täglich vegetieren müssen. Der Mangel an Treibstoff, insbesondere an dem für Landwirtschaft und Bergbau unverzichtbarem Diesel, eine erneute Phase der Hyperinflation von aktuell knapp 60 Prozent und eine niedrige Produktivität bei einer Import-Export-Quote von 4:1 lähmen die Wirtschaft.

Simbabwes Wirtschaft wird weiterhin durch ein starkes Missverhältnis an staatlicher Beteiligung bestimmt. Politischen Reformen, die von der internationalen Gemeinschaft als Voraussetzung für Investitionen und eine sinnvolle Ankurbelung der Wirtschaft gefordert werden, wurden nur sehr zaghaft eingeleitet. Jegliche Veränderungen werden von der regierenden Zanu-PF als Bedrohung wahrgenommen, da sie sich auf das seit 1980 aufgebaute Patronagesystem und die finanziellen Privilegien auswirken, von denen die herrschende Elite der Zanu-PF lebt.

Das Herzstück des Zanu-PF-Systems ist die Machterhaltung um jeden Preis. Die Parteielite leitet ein mafiöses System, bei dem Kartelle und Bosse jeden einzelnen Wirtschaftszweig regieren: von der Einfuhr von Treibstoff, dem Goldschmuggel, der Ausfuhr von Tabak, Chromerz und Uran bis zur Getreideproduktion durch die sogenannte „Befehlslandwirtschaft", einem privaten Getreideanbau, der in den letzten drei Jahren mit vier Milliarden US-Dollar aus der Staatskasse finanziert wurde.

Wirtschaftsreformen würden auch eine Senkung der Staatsausgaben erfordern. Insbesondere würde dies die Löhne im öffentlichen Dienst betreffen, die derzeit über 90 Prozent der Staatsausgaben ausmachen.

Während der Regierung der Nationalen Einheit (GNU), in der der Oppositionspolitiker Tendai Biti das Amt des Finanzministers bekleidete, beschäftigte die Regierung „nur" 236.000 Mitarbeiter. Inzwischen sind es über 600.000 , wobei die Mehrheit Geisterarbeiter und „Partei-Arbeiter" der Regierungspartei sind, die sich für die Aufrechterhaltung des Regimes in den ländlichen Gebieten einsetzten, das die Zanu-PF weiterhin im Griff hat.

Gescheiterte Geldpolitik
Eine weitere Herausforderung ist die katastrophale und grundlegend gescheiterte Geldpolitik der Regierung Mnangagwa. Bis zum Februar 2019 wurde von lokalen und internationalen Finanzexperten erwartet, dass die Regierung den offiziellen Wechselkurs freigeben würde, damit sich der offizielle und der parallele Kurswert angleichen könnten. Stattdessen wurde am fiktiven Wechselkurs von 1 USD zu 2,50 RTGS (Real-Time Gross Settlement Dollar) festgehalten. Die Folge ist ein Schwarzmarktkurs von über 4,50 RTGS zu 1 USD.

Aktuell ist Konsens, den RTGS-Dollar auslaufen zu lassen, um mittelfristig den südafrikanischen Rand angesichts der relativen wirtschaftlichen Integration beider Länder einzuführen. Ob diese Entscheidung Bestand haben wird, bleibt aber fraglich.

Es ist davon auszugehen, dass die Inflationsrate – auch aufgrund der Verknappung von Treibstoff, Medikamenten und Grundnahrungsmitteln – stark zunehmen wird. Zudem besteht die Befürchtung, dass die Regierung US-Dollar-Konten von Unternehmen und Einzelpersonen überprüfen wird, da der Druck zur Finanzierung von Importen weiter zunimmt. Als Teil der sogenannten Geldpolitik hat die Regierung eine Exportkreditrichtlinie eingeführt, die den Zugang von exportierenden Unternehmen zu ihren US-Dollar-Konten aus Überweisungen kontrolliert und z.T. limitiert.

Dies wird die Devisenknappheit weiter erhöhen und den wirtschaftlichen Fortschritt nochmals abbremsen, da Investoren einen Werteverlust fürchten und nicht in der Lage sind, die Gewinne zurückzuführen – zwei wichtige Indikatoren, die notwendig sind, um dringend benötigte ausländische Direktinvestitionen anzuziehen.

Daher prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF), dass die Wirtschaft Simbabwes in diesem Jahr in die Rezession stürzen wird. Sie dürfte um 5,2 Prozent schrumpfen; nach früheren Wachstumsprognosen von 4,2 Prozent. Diese negative Wachstumsrate könnte zu verstärkter politischer Instabilität führen, da die Simbabwer die Geduld mit dem neuen Regime verlieren.

Eigentlicher Machthaber Chiwenga
Eine Wiederholung der Unruhen vom Januar 2019 ist wahrscheinlich. Seither verbreiten sich immer wieder Gerüchte, dass es sich nicht um „normales Bürgeraufbegehren", sondern um einen Putschversuch des Vizepräsidenten Chiwenga handeln soll.

Chiwenga, der eine Gruppe von militärischen Schwergewichten und Oligarchen anführt, ist zunehmend frustriert über das Verhalten und die politische Attitüde von Präsident Mnangagwa. Er sieht sich selbst als legitimiert, die Führungsspitze zu übernehmen, da er als der eigentliche „Mastermind" für die Absetzung Robert Mugabes und die Rettung Mnangagwas aus den Fängen Grace und Robert Mugabes gesorgt hat. Schließlich habe er, zusammen mit seinem engen Freund und dem derzeitigen Kommandanten der simbabwischen Verteidigungskräfte, Phillip Valerio Sibanda, Mnangagwas dramatische Flucht erleichtert und möglich gemacht.

Während des Versuchs eines Sturzes von Präsident Mnangagwa im Januar 2019 sollen Militärs die Menschen mit Gewalt gezwungen haben, in ihren Häusern zu bleiben und nicht zur Arbeit zu gehen. Die von Mnangagwa angekündigten Treibstoffpreissteigerungen von 130 Prozent waren ein willkommener Grund für Proteste.

Parallel zu diesen Ereignissen flog die Regierung mit einer angemieteten Boeing 787 Dreamliner Executive (ca. 70.000 USD Mietpreis pro Stunde) zu den Ostverbündeten, um Vladimir Putin und die Führer von Belarus und Aserbaidschan zu bitten, in Simbabwe zu investieren.

Da der erste Putschversuch fehlschlug, wird die Chiwenga-Fraktion vermutlich erneut zuschlagen wollen. Als Grund wird wahrscheinlich die „nationale Unzufriedenheit" herhalten müssen. Auch die Zwangsentlassung im Februar 2019 von vier Militärkommandanten aus seiner Gruppe könnte damit gesühnt werden. Die vier waren Generalmajor Anselem Sanyatwe, Chef der Präsidentengarde, Generalmajor Douglas Nyikayaramba, der Verwaltungschef der Armee, Air Vice Marshal Shebba Shumbayawonda und Generalmajor Martin Chedondo. In einem schnellen politischen Schachzug wurden die Vier dem diplomatischen Dienst zugewiesen. Mnangagwa vermutete, dass diese Generäle seine Ermordung geplant hätten.

Forderungen der Opposition
Die MDC-Opposition unter Führung von Rechtsanwalt Nelson Chamisa hat seither einen Dialog mit Präsident Mnangagwa gefordert, um die Wirtschaft wiederherzustellen und die politische Situation in Simbabwe zu verbessern. Die vom Oppositionspolitiker Tendai Biti formulierten Bedingungen sehen vor, dass der Dialogprozess von der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC), der Afrikanischen Union oder den Vereinten Nationen – einberufen von einem gegenseitig anerkannten hochrangigen afrikanischen Staatsmann – getragen wird. Der Dialog soll die Frage der politischen Legitimität der Regierung adressieren. Insbesondere sollen die umstrittenen Wahlen 2018 thematisiert werden, von denen viele behaupten, dass Mnangagwa alle Register der Wahlmanipulation gezogen hat. Auch soll Gewalt angewendet und eingeschüchtert worden sein. Als Beweis gelten die Schüsse vom 1. August 2018, bei denen Militäreinheiten scharfe Munition auf unbewaffnete Demonstranten abfeuerten und sechs Menschen töteten.

Chamisa, Biti und andere Oppositionspolitiker fordern darüber hinaus, dass man sich bei den Verhandlungen bzw. Gesprächen endlich auch mit wichtigen politischen Reformen befassen müsse. Vor allem mit grundlegenden Wahlreformen, Demilitarisierung und der Auflösung der von der Regierung getragenen mafiösen Kartelle. Die MDC forderte zudem, die Diskussion auf „nation building", nationale Heilung und eine Übergangsjustiz zu konzentrieren, um die jahrzehntelangen Gräueltaten, den Gukurahundi-Genozid der 80er-Jahre und politische Gewalt durch den Staat, Militär und Zanu-PF-Agenten endlich zu bewältigen. Schließlich müsse der Dialog die Wiedereingliederung Simbabwes in die international Gemeinschaft und deren Organisationen gewährleisten.

Verantwortlich für diesen Prozess soll eine Übergangsbehörde sein, die einen neutralen, professionellen und demokratischen Übergang garantieren soll. Eine Institution, an der die Zanu-PF beteiligt ist, wäre nicht in der Lage, so die Opposition, diesen Übergangsprozess in geordneten Bahnen durchzuführen.
Als Beispiel für die fehlende Aufrichtigkeit der Zanu-PF gegenüber Reformen nennen Experten die noch immer nicht an die neue Verfassung (2013) angepassten Gesetze des Landes. Ohne Implementierung der Verfassung würden sich die politischen Konflikte jedoch kaum lösen lassen und die Wirtschaft auch weiterhin komatös vor sich hin siechen.

Mwana weZimbabwe

Mwana weZimbabwe (Shona: Sohn Simbabwes) ist das Pseudonym eines jungen simbabwischen Journalisten. Zu seinem Schutz möchte er anonym bleiben.