DAS WELTBERÜHMTE ÖKOSYSTEM IST VON FRACKING BEDROHT. Weitgehend unbemerkt erwarb das kanadische Unternehmen ReconAfrica Explorationsrechte, um in mehr als 35.000 Quadratkilometern des Okavango-Beckens nach Öl und Gas zu bohren. Dem stellen sich zunehmend lokale und internationale Aktivist*innen entgegen.
Es sind pathetische Aussagen, mit denen das kanadische Unternehmen ReconAfrica für sein Vorhaben wirbt: „In Anbetracht der Beschaffenheit dieses Beckens und der enormen Mächtigkeit ist dies so ziemlich ein Selbstläufer... es wird produktiv sein und ich erwarte hochwertiges Öl." Oder: „Wir glauben, dass das Kavango-Becken ein weiteres Weltklasse-Perm-Becken ist, analog zum Perm-Becken in Texas." Texas ist der größte Produzent fossiler Brennstoffe in den Vereinigten Staaten. Texas steht für Öl, Gas und Fracking. Das könnte auch Namibia und Botswana bald blühen.
2015 erwarb das kanadische Unternehmen ReconAfrica, formell „Reconnaissance Energy Africa Ltd.", von Namibia Explorationsrechte, um nach Öl und Gas zu bohren. Vage Ankündigungen und wenige Fortschritte in den vergangenen Jahren schienen kaum Aufmerksamkeit zu wecken. Und wo kritisches Interesse von Umweltaktivist*innen vorlag, fehlten schlicht Informationen von Seiten der Regierungen und ReconAfrica. Doch langsam lichtet sich der Nebel und das Ausmaß der geplanten Aktivitäten wird sichtbar – und die sind durchaus beängstigend.
Die Explorationslizenz umfasst die Erlaubnis, über vier Jahre drei stratigraphische Bohrungen durchzuführen. Mitte Januar 2021 führte ReconAfrica mit einer Multimillionen-Dollar-Bohranlage aus dem texanischen Houston die erste von drei geplanten Testbohrungen in Namibia durch. Diese liegt in Kawe, im ephemeren (episodisch wasserführenden) Flussbett des Omatako im nordöstlichen Namibia. Viele Kritiker*innen betonen, dass das Unternehmen auf der Grundlage einer fehlerhaften und voreingenommenen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorgeht. Die UVP zeigt auch, dass die Bohrstellen verschoben werden können, wenn dies vom Unternehmen gewünscht wird. Das ist überraschend, erfordert eine UVP normalerweise Studien über die standortspezifischen Auswirkungen, etwa auf den Wasserhaushalt oder die Biodiversität. Neben der unzureichenden UVP ist ein weiteres typisches Vorgehen vieler extraktiver Projekte sichtbar: Konsultation und öffentliche Meetings betroffener Gemeinschaften und Gemeinden werden zwar durchgeführt, aber sie sind weder umfangreich in Anzahl noch ausreichend in den Aussagen.
In der Zwischenzeit besitzt ReconAfrica nach dem Petroleum Act auch für Botswana eine vierjährige Explorationslizenz. Sie gilt seit dem 1. Juni 2020 für den North West District. Der Staatssekretär des Bergbauministeriums, Mmetla Masire, ließ kürzlich verlauten, das Unternehmen befände sich „in der Vorphase der Exploration, die sich auf den Erwerb und die Verarbeitung von Informationen, die Analyse und Interpretation geologischer Daten und die Beauftragung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) sowie die Einholung der erforderlichen Genehmigungen vor der Durchführung von Bohraktivitäten konzentriert". In Botswana hat Recon noch nicht mit Probebohrungen begonnen. Hier wird frühestens in zwei Jahren damit gerechnet, ließ Bergbauminister Lefoko Moagi auf einer Pressekonferenz Ende Februar verlauten.
Kapitalistische Akkumulation mit oder ohne Fracking
Auf der gleichen Pressekonferenz nahm die botswanische Regierung wiederholt Stellung zu den widersprüchlichen Aussagen, dass ReconAfrica Fracking-Technologie – also die Gewinnung von Erdöl und Erdgas durch den Einsatz eines Wasser-Sand-Chemikalien-Gemischs mit Risiken für das Grundwasser – einsetzen könnte. Hier wird überwiegend den Medien und kritischen Aktivist*innen gegenüber der Vorwurf erhoben, irreführende Artikel und Meinungen zu lancieren. Sowohl in einer offiziellen Pressemitteilung als auch auf der Pressekonferenz wurde betont, dass Fracking nicht Teil des genehmigten Explorationsprogramms sei. Das betonten ebenso die Meldungen der beiden namibischen Ministerien für Umwelt und für Bergbau. Dabei greifen Aktivist*innen und die Medien lediglich die widersprüchlichen Aussagen von ReconAfrica selbst auf.
Offiziell betont das Unternehmen immer wieder, auf Fracking verzichten zu wollen, und bestreitet anderslautende Berichte vehement in der Öffentlichkeit – oder weicht, wie auf einer öffentlichen Anhörung in Windhoek, der Frage schlicht aus. Gegenüber Investoren ist das Unternehmen jedoch nicht so kategorisch. Hier verweisen Aktivist*innen auf Aussagen von 2019 und 2020, in denen von „modern frac simulations" und „unkonventionellen Methoden" gesprochen wird. Hinter der zweiten Aussage vermuten die kritischen Stimmen schlicht Fracking. Dazu wird angebracht, dass die geplante Förderdauer von 25 Jahren – wenn die Exploration die zu erwartenden Ergebnisse liefert – nicht ohne den umfangreichen Einsatz von Fracking stattfinden könnte. Ferner muss aufhorchen lassen, dass die namibische und botswanische Regierung immer betonen, dass Fracking von der Exploration – also der Erkundung – ausgenommen ist. Kritiker*innen bringen noch einen weiteren Grund an: ReconAfrica hat Vertreter aus dem Who is Who der internationalen Fracking-Technologie angeheuert. Dazu gehört Nick Steinsberger, ein amerikanischer Experte. Er ist nach Informationen der „National Geographic" verantwortlich für das Bohrprogramm.
ReconAfrica kann als sogenannter Wildcatter bezeichnet werden. Hier handelt es sich um kleinere Unternehmen, deren Fokus auf Erkundungen liegt und die später oftmals, aber nicht ausschließlich, die Lizenzen an größere, finanziell potentere Ölunternehmen verkaufen. Es ist schon auffällig, dass ein kleines und in der internationalen Szene weitgehend unbekanntes Unternehmen solch ein großes Projekt stemmt. Für das Unternehmen zeichnen sich bereits Vorteile ab. Zwar liegt die Aktie noch auf einem geringen Niveau von knapp mehr als nur drei Kanadischen Dollar, jedoch ist das ein Anstieg um fast 100 Prozent in den letzten Monaten. Auf einschlägigen Internetseiten wird die Aktie bereits als Geheimtipp gehandelt.
Wenig überraschend sind die Narrative der namibischen Regierung: Sie treffen auf die von ReconAfrica und ähneln denen anderer Staaten mit erwarteten Öl- und Gasfunden. Beide argumentieren, dass mit einer erfolgreichen Öl- und Gasindustrie Arbeitsplätze, Energieunabhängigkeit, kommunale Wasserversorgung und Infrastruktur geschaffen werden. Jedoch zeigen Erfahrungen anderer Länder des gegenwärtigen Öl- und Gasrausches wie Mosambik oder Uganda, dass Investoren auf Steuererleichterungen und geringe Abgaben bestehen und Vertreibungen, Landnahme und Gewalt weit mehr als nur „Kollateralschäden" sind.
Ferner erscheint noch unklar, ob die Öl- und Gasförderung für den Rohstoffexport ausgerichtet sein soll. Sollte dem so sein, greift ein Klassiker der vergangenen Jahre: die Externalisierung der ökologischen Folgen durch aggressiven Extraktivismus im Globalen Süden. Selbst wenn es zu keinem Rohstoffexport kommen sollte, wären soziale Verwerfungen und irreversible Umweltschäden die Folgen. Die kapitalistische „Akkumulation durch Enteignung", wie sie der marxistische Geograph David Harvey vor zwanzig Jahren in die politisch-ökonomische Diskussion einbrachte, wird deutlich sichtbar.
In die Mangel genommen
Von Seiten der Zivilgesellschaft gab es in den letzten Wochen vermehrt Aktionen, um auf das Unternehmen aufmerksam zu machen. Die Tageszeitung „The Namibian" sprach von einem „in die Mangel nehmen" der namibischen und botswanischen Regierungen durch Initiativen in den vergangenen Wochen. Vereint – unter anderem in der Allianz SOUL (Save the Okavango's Unique Life) – treffen sich hier drei lokale und internationale Bewegungen und schaffen es, Druck aufzubauen und Proteste – wie am 25. Februar in Windhoek – auf die Straße zu bringen:
Erstens die Bewegung betroffener Gemeinschaften. Besondere Aufmerksamkeit erhielt der San-Aktivist Q7 Beckett, der 1.500 Kilometer durch Südafrika lief, um eine Petition an das namibische Konsulat in Kapstadt zu übergeben. Danach schloss sich eine Tour durch Namibia an. Viele San-Gemeinschaften machen geltend, dass sie in dem Erkundungsgebiet leben, aber nicht konsultiert wurden und schon gar keine Zustimmung gegeben haben. Auf die unzureichenden Konsultationen und die nicht absehbaren Auswirkungen machen auch Vertreter*innen der Conservancies, der kommunalen Hegegebiete in der Region, aufmerksam.
Zweitens die Klimagerechtigkeitsbewegung, unter anderem repräsentiert von Fridays for Future Windhoek. Vertreterinnen wie Ina Maria Shikongo kritisieren, dass eine Öl- und Gasförderung die Klimaziele Namibias und des Pariser Klimaabkommens ad absurdum führen würde. Zunehmend versucht die internationale Gas- und Ölindustrie, fossiles Gas als klimaneutrale und saubere Energie zu bewerben. Dabei zeigte erst wieder eine jüngere Studie von Oilchange International, dass die größten Öl- und Gasunternehmen trotz aller Rhetorik keinen Beitrag zu den Klimazielen erreichen (wollen).
Drittens die Umweltgerechtigkeits- und Naturschutzbewegung. Sie zielt auf die ökologische Sensitivität des Gebietes. Sie sehen die Wasserwege, das Grundwasser und die Trockensavannen des Okavango-Beckens durch ökologische Degradation bedroht. Die Gegend gilt als Heimat der größten Elefantenpopulation der Welt und einer großen Anzahl von gefährdeten Wildtieren. In Namibia liegen die Explorationsgebiete innerhalb des Kavango-Zambezi Transfrontier Park (KAZA) – dem größten grenzüberschreitenden Naturschutzgebiet der Welt, das geschütztes und kommunales Land in Angola, Botswana, Namibia, Sambia und Simbabwe umfasst. Auch wenn in Namibia Naturparks wie der Mangti National Park ausgespart sind, so sind aber Migrationsrouten von Elefanten und sechs kommunale Conservancies bedroht. In Botswana sind lediglich die Kern- und Pufferzonen für das Okavango-Delta und die Tsodilo Hills Heritage Sites ausgenommen. Letztere, ein UNESCO-Welterbe, wurden anscheinend erst nach Berichterstattung durch die „National Geographic" ausgenommen.
Alle Kritiker*innen argumentieren mit fehlenden Konsultationen und den zu erwartenden Umweltschäden ähnlich, aber doch mit unterschiedlichen Forderungen. Während einige Aktivist*innen den sofortigen Stopp oder ein Moratorium fordern, veröffentlichte der WWF Namibia Anfang Februar eine ganzseitige Erklärung im „Namibian" und der „New Era" und forderte eine grenzüberschreitende strategische Umweltprüfung, bevor weitere Erkundungsbohrungen genehmigt werden.
ReconAfrica selbst reagiert zunehmend gereizt auf Kritik, etwa auf einer öffentlichen Veranstaltung in Windhoek, die von Teilnehmer*innen als aggressiv gewertet wurde, ebenso wie auf kritische Medienberichte. Wurde zuerst die Zeitschrift „National Geographic", die zweimal umfangreich über die Pläne berichtete und unter anderem von den ursprünglichen Absichten berichtete, in den botswanischen Tsodilo Hills zu explorieren, bereits von einer Klage bedroht, ereilte Anfang Februar den „Namibian" das gleiche Schicksal. Das Unternehmen störte sich an dem verwendeten Bild und den angegebenen Details in einem Artikel. Damit wäre die Berichterstattung „irreführend für die Öffentlichkeit", sagte das Unternehmen durch seinen Vertreter. An den kritischen Medienberichten und den zivilgesellschaftlichen Interventionen zeigt sich, dass die Exploration nicht der Selbstläufer wird, auf den ReconAfrica hofft.
Und die KfW?
Abschließend ist nochmals der Schwenk in drei weitere Länder notwendig: Gegner*innen versuchen in Kanada auf die Vorgehensweise von ReconAfrica hinzuweisen. Rob Parker, ein in Namibia lebender kanadischer Verbraucherschützer, hat dazu die „Canada Ombudsperson for Responsible Enterprise" (CORE) kontaktiert. Bisher steht eine Antwort aus, weil das Büro geschlossen sei. Auch führte Parker kritisch an, dass die Möglichkeiten des CORE bei Interventionen der kanadischen Industrie sehr begrenzt sind. So kann die Ombudsperson nur noch Dokumente anfordern statt rechtlich zu erzwingen und nur die Einhaltung von „verantwortlichem Handeln" verlangen, ohne dies schließlich juristisch durchzusetzen.
Der zweite Schwenk muss nach Deutschland folgen. ReconAfrica ist nicht nur an der Börse in Toronto gelistet, sondern auch an der Stuttgarter Börse. Wichtiger in dem Fall ist jedoch die Rolle der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Hier wurde die Umweltorganisation Earthlife Namibia aktiv. Sie hat die lokale KfW-Vertretung in Windhoek kontaktiert und auf die Zahlungen verwiesen, die über die finanzielle Zusammenarbeit der KfW in den KAZA-Park geflossen sind und für den Ausbau von Infrastruktur, Ausbildung der Game Ranger und deren Unterkunft und Equipment genutzt wurden. Earthlife zeigte sich enttäuschend von dem Gespräch, da die KfW auf die Nichteinmischung in inner-namibische Entscheidungen verwies und betonte, die Situation zu beobachten und Behörden entsprechend zu konsultieren. Konsequenzen wie den Abzug von Geldern schloss die KfW zum jetzigen Zeitpunkt aus.
Und der dritte Schwenk muss nach Angola gehen: Hier zeigen die Diskussion ebenfalls erste Auswirkungen. So wurde Mitte Februar ein Verbot der Exploration von Erdöl und Erdgas in geschützten Naturreservaten, darunter das Okavango-Flussbecken, aufgehoben. Hier ähneln sich die Argumente, in denen die Öleinnahmen den lokalen Gemeinden und den Parks zugutekommen sollen, wie Bergbauminister Diamantino Azevedo verlauten ließ. Jedoch formiert sich auch hier bereits erster Widerstand.
Andreas Bohne
Der Autor arbeitet als Politischer Referent beim Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlag, u.a. zu Klima- und Ressourcengerechtigkeit.
Der Beitrag gibt den Stand Anfang März 2021 wieder. Der Autor dankt Rob Parker, Ina Maria Shikongo und Bertchen Kohrs für Hinweise.