Heft 2/2021, Afrika

Eine rülpsende Kröte bedeutet Regen

DIE SMARTPHONE-APP ITIKI. „Eine rülpsende Kröte bedeutet Regen" ist eine tansanische Bauernweisheit. „Mitte November muss der Maissamen gelegt werden", lautet eine Bauernregel aus Simbabwe. Viele dieser tradierten Bauernregeln stimmen und beruhen auf jahrhundertelangen Beobachtungen. Eine Smartphone-App kombiniert jetzt aktuelle Wetterstationsdaten mit dem traditionellen Wissen afrikanischer Bauern. Ziel ist es, Dürreperioden relativ genau vorherzusagen.

Die ITIKI-App (ITIKI = Information Technology and Indigenous Knowledge with Intelligence) ist eine Software zur Dürrevorhersage, das das reichhaltige indigene Wissen Afrikas über Natur und Umwelt nutzt und es mit drahtlosen Sensornetzwerken, künstlicher Intelligenz und Mobiltelefonen kombiniert. ITIKI beeinflusst und verändert das Leben von Kleinbäuer*innen bereits in Kenia, Mosambik und Südafrika. Das zentrale Element von ITIKI sind Smartphones, die ihnen relevante, zeitnahe und genaue Vorhersagen anbieten.

Afrikanischen Kleinbäuer*innen werden regelmäßig vor allem durch Dürren bedroht, die zumeist durch den globalen Klimawandel hervorgerufen werden und zu Ernährungsunsicherheit führen. Das hat erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen. Die Landwirtschaft trägt laut einem UN-Bericht von 2017 etwa 15 Prozent zum gesamten BIP Afrikas bei und macht laut der Afrikanischen Entwicklungsbank etwa die Hälfte der Beschäftigung auf dem Kontinent aus.

ITIKI beschäftigt junge Leute in landwirtschaftlichen Gemeinden, um Fotos und Beobachtungen über das Verhalten der Tiere und den Wuchs der lokalen Vegetation zu sammeln. So wird z.B. erfasst, welche Bäume gerade blühen. Ihre Beobachtungen fließen in den ITIKI-Rechner, der diese Daten mit den Informationen von lokalen Wetterstationen kombiniert. Daraus wird dann Monate im Voraus ein Wettermuster modelliert. Landwirte können den Dienst für einen geringen Betrag abonnieren und erhalten regelmäßige Updates in ihrer jeweiligen Landessprache, was ihnen hilft, frühzeitig Entscheidungen darüber zu treffen, welche Pflanzen sie anbauen und ob und wie sie ihre Produkte verkaufen können.

Entwickelt wurde die App von der kenianischen Informatikerin Muthoni Masinde, die die Landwirte auf die Auswirkungen des Klimawandels vorbereiten will. Obwohl die App aktuelle meteorologische Daten als Basis der Vorhersage verwendet, vertrauen viele afrikanische Bäuer*innen laut Masinde immer noch dem traditionellen Wissen, das auch für die Formulierung der Vorhersagen der ITIKI-Plattform verwendet wird.

„Ich bin in einem Dorf aufgewachsen und habe bemerkt, dass die meisten Bäuer*innen keine wissenschaftlichen Fakten nutzen, um eine Pflanzenauswahl für die Felder zu treffen oder den Aussaatzeitpunkt zu bestimmen", sagte Masinde gegenüber einem Fernsehsender. „Sie beobachten Insekten, sie beobachten das Verhalten von Tieren und dann treffen sie eine Entscheidung: ‚Ich glaube, in zwei Wochen wird es endlich regnen'."
Afrikanische Regierungen, so die Informatikerin, neigen dazu, auf Dürren und Extremwetter nur zu reagieren, anstatt proaktiv zu planen. „Wir bereiten uns nicht auf Dürren vor", konstatiert sie. „Es ist, als würden wir einfach aufwachen und verblüfft feststellen, dass die Menschen im ländlichen Kenia verhungern, dass die Menschen auf der einen Seite des Landes keinen Regen haben."

ITIKI wird aktuell von über 10.000 Farmer*innen in Kenia, Mosambik und Südafrika genutzt. Seitdem sie die App einsetzen, sind ihre Ernteerträge nach Angabe von Masinde um durchschnittlich 11 Prozent gestiegen. Der Ansatz, moderne Technologie und Tradition zu mischen, scheint zu überzeugen. ITIKI hat deshalb Ende 2020 von USAid und dem staatlichen südafrikanischen Wetterdienst weitere 750.000 US-Dollar erhalten. Beide Organisationen haben bereits die grundlegenden Forschungen und die Software-Entwicklung ko-finanziert.

Muthoni Masinde ist im südlichen Afrika eine der erfolgreichsten Hochtechnologie-Spezialistinnen. Die Regierungen der SADC-Staaten holen gerne ihren Rat ein. Sie hat einen BSc-, einen Master of Business und einen PhD-Abschluss in Informatik von der Universität von Nairobi, der Freien Universität Brüssel und der Universität von Kapstadt. Sie verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Informatik, die sich sowohl auf den rein akademischen als auch auf den angewandten Bereich erstreckt. Zudem hat sie zahlreiche Publikationen veröffentlicht und Master- und Promotionsstudenten betreut.

Masinde ist derzeit in leitender Funktion als außerordentliche Professorin am IT-Departement der Central University of Technology, Free State (CUT), tätig. Aufgrund ihres Interesses an der Betreuung von Frauen im Bereich MINT hat sie die Organisation Women in Engineering and IT (WEIT) ins Leben gerufen, deren Schirmherrin sie jetzt ist. Sie ist Vorbild und Mentorin für eine junge Generation von Afrikanerinnen.

Jürgen Langen