Heft 2/2021, 50 Jahre issa

Wie hältst du es mit der Freiheitscharta?

SOLIDARITÄT MIT DER BEFREIUNGSBEWEGUNG ZWISCHEN BEKENNERTUM UND KRITISCHER SOLIDARITÄT. Ein Rückblick auf die nicht immer reibunglosen Zusammenarbeit der issa mit dem damaligen ANC-Vertreter und der Anti-Apartheid-Bewegung.

„Issa, you are strongly anti-ANC!" Starker Tobak, der da aus dem Munde des ANC-Vertreters in der Bundesrepublik, Tony Seedat, zu hören war, geäußert in einem Telefonat mit der damaligen Vorsitzenden der „informationsstelle südliches afrika" (issa), Christa Brandt. Das war 1988, auf dem Höhepunkt der Anti-Apartheid-Kämpfe in einem Südafrika im Ausnahmezustand und der Auseinandersetzungen innerhalb der Redaktion des von der issa und der Anti-Apartheid-Bewegung (AAB) gemeinsam herausgegebenen Zeitschrift Informationsdienst Südliches Afrika. Tony Seedat war von 1981 bis 1989 Repräsentant des ANC in der Bundesrepublik, bevor er ins Hauptquartier des ANC in Lusaka (Sambia) geschickt wurde und dort neue Aufgaben übernahm. So gut seine Beziehungen zur AAB waren, die als „Ein-Punkt-Bewegung" mit dem erklärten Ziel der Abschaffung der Apartheid den ANC als einzigen legitimen Vertreter der südafrikanischen Befreiungsbewegung ansah, so schwer tat er sich mit der Haltung einer issa, die immer auch das ganze Widerstandsspektrum des Befreiungskampfes im Blickfeld hatte, ohne die führende Rolle des ANC infrage zu stellen.

Das gestörte Verhältnis zum ANC-Vertreter
Am 11. Juli 1988 suchten Christa Brandt und der damalige issa-Geschäftsführer Hein Möllers ein klärendes Gespräch mit Tony Seedat in seinem Bonner Büro. Es war kein Dialog, wie den Aufzeichnungen von Christa Brandt zu dem Gespräch zu entnehmen ist (Gespräch mit Tony Seedat am 11.7.1988 im ANC-Büro, issa-Archiv). Tony wiederholte seinen Vorwurf, dass in der Geschäftsstelle der issa ANC-feindliche Kräfte am Wirken seien: Immer dann, wenn der ANC in der Zeitschrift erwähnt werde, würde auch anderen Organisationen breiter Raum eingeräumt, vor allem einem gewissen Neville Alexander – damals für den „stalinistischen" Kern innerhalb des ANC, der zu dem Zeitpunkt sehr moskautreuen Kommunistischen Partei (South African Communist Party, SACP), der Inbegriff eines „trotzkistischen Konterrevolutionärs". Die Atmosphäre zwischen der issa und dem ANC-Vertreter war vergiftet, wozu auch der unbedarfte Eingriff der Infodienst-Redaktion in einen Beitrag von Aziza Seedat, der Frau von Tony, über die Frauenbewegung Südafrikas beigetragen hatte. Die redaktionelle Einfügung einer Frauenbewegung, die der Black-Consciousness-Bewegung angehörte, mag inhaltlich sinnvoll gewesen sein, weil Aziza Seedat sich nur auf die mit dem ANC verbundene Föderation südafrikanischer Frauen (FSAW) bezog, politisch war sie aber unbedacht und leistete dem Ärger des ANC-Vertreters Vorschub. Das Vertrauen zur issa war für ihn aufgebraucht. Für ihn gesellte sich die issa mit ihrer Haltung zu den gesellschaftlich relevanten Gruppen wie SPD und Grüne, Gewerkschaften, Kirchen und Parteistiftungen, die seiner Meinung nach allesamt nach Alternativen zum ANC suchten, um diesen zu zwingen, von seiner Linie abzuweichen oder bestimmte Kräfte (wie Inkatha) zu integrieren, die dem ANC später das Leben schwer machen würden. Das waren schwere Geschütze des ANC-Vertreters, der es in einer von unterschwellig antikommunistischer Stimmung beherrschten Bundesrepublik nicht leicht hatte, den ANC gegenüber dem konservativen Bonner Regierungslager als ernst zu nehmenden Partner anzubieten.

Die Fronten gegenüber der Regierung Kohl und der zu dieser Zeit Inkatha-freundlichen Konrad-Adenauer-Stiftung waren zumindest eindeutig. Wie aber umgehen mit kritischen Strömungen innerhalb der Solidaritätsbewegung, die den ANC zwar als wichtigste, aber nicht als einzige Organisation der Befreiungsbewegung betrachteten, ganz zu schweigen von Gruppen wie dem Arbeitskreis Afrika (AKAFRIK) Münster, die sich in ihren Soli-Aktionen ausschließlich auf Organisationen der Black-Consciousness-Bewegung und vor allem dem ANC-Konkurrenten Pan Africanist Congress (PAC) bezogen?

Eine konfliktbeladene Kooperation: AAB und issa
„Quite honestly, I don't read your magazine", gab Tony Seedat in dem erwähnten Gespräch mit der issa zu, aber von Zeit zu Zeit werde er auf bestimmte Artikel aufmerksam gemacht – aus Kreisen einer dem ANC treu verbundenen AAB, die in einem regelmäßigen Austausch mit der ANC-Vertretung stand. Nach der Gründung der AAB waren issa und AAB eine Redaktionspartnerschaft für den bereits 1972 gegründeten Informationsdienst Südliches Afrika eingegangen, eine Partnerschaft, die sich von Beginn an, vor allem aber ab Mitte der 1980er-Jahre bis zum Ende der Apartheid 1994 als schwierige und oftmals konfliktbeladene „Ehe" erwies.

Immer wieder rang die Redaktion um eine Balance zwischen zwei bisweilen schwer zu vereinbarenden Bedürfnissen: hier die Erwartungen der AAB, nicht nur über ihre vielfältigen Protestaktionen und Mahnwachen gegen die Apartheid zu berichten, sondern auch ANC und Swapo (South-West Africa People's Organisation) als jeweils „einzige legitime Vertreter des südafrikanischen bzw. namibischen Volkes" gebührend zu huldigen, und dort der Anspruch der issa, als Teil der Gegenöffentlichkeit kritische und detaillierte Informationen über die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungen im südlichen Afrika bereitzustellen und dabei auch für ein möglichst großes Spektrum von Gruppen und Einzelpersonen innerhalb der Solidaritätsbewegung ein Sprachrohr zu sein. Einig war man sich in dem Ziel der Aufdeckung und Bekämpfung der wirtschaftlichen, militärischen und nuklearen Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit dem Apartheid-Regime. Doch mit Blick auf die Befreiungskämpfe insbesondere in Südafrika, Namibia und Simbabwe bedeutete die Parteinahme für die Befreiungsbewegungen für die issa bewusst keine Parteilichkeit für bestimmte Organisationen, wie es bei der AAB der Fall war.

„Kritische Solidarität" ist ein anspruchsvoller, ehrenhafter Begriff, dessen konkrete Umsetzung aber immer wieder auf den politischen Prüfstand kam: Insofern war die Frage, ob der Abdruck von Beiträgen von Splittergruppen der Befreiungsbewegung dem Aufklärungs- und Bildungsanspruch diente oder aber denen Futter lieferte, die an einer Aufsplitterung der Bewegung interessiert waren, stets virulent. Ein Sachverhalt, der auch innerhalb des issa-Vorstands kontrovers betrachtet wurde. Bereits im ersten Jahr der gemeinsamen Herausgeberschaft mit der AAB 1976 erschien in der Zeitschrift ein Beitrag von Tennyson X. Makiwane, der nach seinem Ausschluss aus dem ANC im Oktober 1975 Generalsekretär der Dissidentengruppe ANC-AN (African Nationalists) geworden war. Kritisiert wurde, dass der als Leitartikel abgedruckte Beitrag den „Eindruck erwecken musste, als identifizierten sich die Herausgeber des Info-Dienstes mit dieser Gruppe, ihrem politischen Anspruch und ihrer Kritik am ANC" (Issa-Geschäftsbericht 1976/77). Dazu stellte der issa-Vorstand klar, „dass der ANC eine entscheidende Rolle im Kampf gegen Apartheid spielt und bei der Neugestaltung des befreiten Südafrika spielen wird" (ebd.) Es sei nicht Aufgabe der issa, „Gruppierungen zu propagieren, die – objektiv – von den politischen Kräften, die an einer Spaltung und Aufsplitterung der südafrikanischen Befreiungsbewegung interessiert sind, benutzt werden können".

Doch schon der darauf folgende Satz zeigte den schmalen Grat auf zwischen politischer Rücksichtnahme auf den ANC als Hauptakteur des Befreiungskampfes und der Unabhängigkeit solidarischer Berichterstattung: „Die issa will eine Informationspolitik betreiben, die die (wohl immer stärker zutage tretenden) inneren Widersprüche, die Diskussion über Strategie und Taktik des Befreiungskampfes im Südlichen Afrika nicht negiert, sondern dokumentiert, analysiert und diskutiert." (ebd.)

Dissidenten wie Makiwane, der in seinem Londoner Exil einer afrikanistischen Strömung innerhalb des ANC angehörte, die sich gegen den wachsenden Einfluss der moskautreuen SACP wehrte und aus der heraus bereits 1959 der Pan Africanist Congress entstanden war, wurden vom ANC als „antikommunistisch", „anti-ANC", „sektiererisch" und als „Agenten des Imperialismus" gebrandmarkt. Dass Makiwane später, im Jahr 1980, als „Kollaborateur" im Auftrag des ANC in Umtata, der Hauptstadt des früheren „Homelands" Transkei, „exekutiert" wurde, weil er sich nach seiner Rückkehr aus dem Exil der „Homeland"-Regierung der Transkei unter Kaiser Matanzima als diplomatischer Berater angedient hatte, gehört zur Tragik eines Befreiungskampfes, der mit einem zunehmend brutaler vorgehenden Repressionsapparat der Apartheid fertigwerden musste, eine Tragik, die später von der Wahrheits- und Versöhnungskommission, der Truth and Reconciliation Commission (TRC), zumindest in Ansätzen aufgearbeitet wurde. (Vgl. dazu u.a. Trewhela, Paul: The murder of Tennyson Makiwane, in: politicsweb, 29.9.2008, unter: https://bit.ly/2PsEqqS)

Vieles von dem, was hinter den Kulissen des realen Befreiungskampfes geschah, blieb der Solidaritätsbewegung hierzulande naturgemäß verborgen. Unsere Berichterstattung war auf Informationen der unterstützten und befreundeten Organisationen im Exil angewiesen, konnte sich im Falle Südafrikas aber auch aus Medienberichten einer trotz Apartheid unabhängigen Presse wie der 1985 gegründeten Wochenzeitung Weekly Mail bedienen. Insofern rückten die Ereignisse des letzten Jahrzehnts der Apartheid mit der Verhängung der Ausnahmezustands 1985, mit dem das Apartheid-Regime auf den wachsenden Widerstand in den Townships reagierte, näher an die Aufmerksamkeit der Soli-Bewegung. Mit der Gründung des National Forum (NF) und kurze Zeit später der United Democratic Front (UDF) gab es 1983 Dachorganisationen zivilgesellschaftlicher Gruppen in Südafrika, die sich entweder, wie die UDF, überwiegend an der Freiheitscharta des ANC orientierten oder aber, wie das NF, ein Sammelbecken von Black-Consciousness-Organisationen und unabhängigen sozialistischen Strömungen waren.

Dass im Informationsdienst Südliches Afrika neben dem ungleich größeren UDF-Bündnis auch über das National Forum berichtet wurde, schmeckte einigen AAB-Mitgliedern gar nicht. Manche schienen geradezu mit dem Zentimetermaß genau ausmessen zu wollen, wie viel Platz den Organisationen jeweils gewidmet wurde. Dahinter schien sich eine paranoide Angst vor der Ausstrahlungskraft eines Neville Alexander zu verbergen, der führenden Persönlichkeit hinter dem National Forum, der sich damals für eine Einheitsfront des gesamten Widerstands über das Lager der Anhänger der Freiheitscharta, den sogenannten Charteristen, hinaus stark machte. Alexander, der sich als Stipendiat der Humboldt-Stiftung in den 1950er-Jahren auch mit der deutschen Geschichte vertraut gemacht hatte, stand politisch in der Tradition sozialistischer und trotzkistischer Strömungen im Western Cape, der Westkap-Provinz Südafrikas.

Ich habe in meiner langen issa-Laufbahn selten einen so warmherzigen und zugleich in äußerst komplexen Zusammenhängen klar denkenden Intellektuellen getroffen wie Neville Alexander. Es war für Hein Möllers und mich keine Frage, dass wir seinen Deutschland-Besuch 1984/85 nutzten, um ein ausführliches Interview mit ihm zu machen. Es erschien in der März/April-Ausgabe des Info-Dienstes mit dem Schwerpunkt „Perspektiven des Widerstands in Südafrika". Was dann folgte, war eine Groteske, die absurder kaum sein konnte: Die Ausgabe kam gerade frisch vom Drucker, pünktlich zur AAB-Mitgliederversammlung 1985. Vor den versammelten Mitgliedern wurde das Cover des Widerstandsheftes hochgehalten und Empörung darüber ausgedrückt, wie die issa es denn wagen könnte, den Namen Neville Alexander in gleicher Schriftgröße wie die Namen der UDF-Vertreter Patrick Lekota und Allan Boesak und die Zeile „ANC: Das Jahr des Kaders" auf die Titelseite zu setzen.

Diese Ausgabe löste heftige Kontroversen aus. Einige gratulierten, dass wir endlich mit einem Tabu gebrochen hätten, das die westdeutsche Solidaritätsbewegung bisher weithin geprägt habe: die Aufrechterhaltung der Fiktion, dass die schwarze Widerstandsbewegung eine Einheit darstelle und nicht zum ANC oder der UDF Gehörende „Spalter" oder „Verräter" seien. Auch Klaus Linsenmeier von medico international sah eine „befreiende Kontroverse", die die Solidarität mit der Befreiungsbewegung eher gestärkt als geschwächt habe. Aus dem AAB-Lager kam dagegen erneut der Vorwurf, man habe das „National Forum featuren" wollen, indem es mit der UDF gleichgestellt worden sei.

Überidentifikation leistete Sektierertum Vorschub
Im Grunde genommen spaltete die Frage „Wie halte ich es mit der Freiheitscharta?" die westdeutsche Südafrika-Solidaritätsbewegung – eine Spaltung, die sich trotz groß propagierter „breiter Anti-Apartheid-Bündnisse" bei den Großdemos in Bonn 1985 und 1986 nie wirklich auflöste. Sie spiegelte auch die Spaltung eines Teils der Linken in das Lager der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) mit ihrer Nähe zur DDR einerseits und verschiedener maoistischer K-Gruppen andererseits wider, die sich im Organisationskomitee des BUKO (Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen) wiederfanden. Zu Letzteren gehörte auch die Gruppe um den „Arbeitskreis Afrika" Münster. Je mehr die AAB auf dem Alleinvertretungsanspruch von ANC und Swapo beharrte, desto hartnäckiger verstand sich AKAFRIK Münster als westdeutsches Sprachrohr für den PAC und den Swapo-Konkurrenten Swanu (South-West African National Union). In beiden Fällen führte die Überidentifikation mit der jeweils erwählten Befreiungsorganisation, wenn nicht zu einer Funktionalisierung für die eigenen Interessen, so doch zumindest zu einer Ignoranz gegenüber dem Adressaten der Solidarität der konkurrierenden Soli-Gruppe. (Vgl. dazu Reinhart Kößler, Henning Melber: Faszination der Vielfalt und ihre politischen Folgen. Zum Umgang der Solidaritätsgruppen mit Befreiungsbewegungen, in: Informationsdienst Südliches Afrika, Nr. 2, März 1986.)

Die AAB rühmte sich damals, mit dem breiten Bündnis „Aktionskomitee gegen Apartheid" mehrere tausend Menschen zu der Demo „Freiheit für Südafrika und Namibia! Boykottiert Apartheid!" am 29. November 1986 nach Bonn mobilisiert zu haben. Die Liste der Unterzeichner*innen des Aufrufs liest sich beeindruckend. Doch die Chuzpe, den BUKO, in dem sich damals viele linke Gruppen außerhalb des SPD- und DKP-nahen Spektrums vereinten, in das Bündnis einzuladen, gleichzeitig aber darauf zu beharren, die „international anerkannte Führung von ANC und Swapo" im Aufruf explizit zu nennen, den ebenfalls als Befreiungsbewegung anerkannten PAC aber außen vor zu lassen, ließ dem BUKO keine Wahl, als sich vom Aufruf zu distanzieren. Die Chance war vertan, auch Soli-Gruppen in das Bündnis gegen Apartheid zu integrieren, die mit dem Bekenntnis zur Freiheitscharta des ANC ihre Bauchschmerzen hatten. Diese Gruppen haben dann ihren eigenen Boykott-Aufruf verfasst und nicht für die Demonstration am 29.11. mobilisiert.

Sich von solchem Sektierertum fernzuhalten und sich von beiden Lagern nicht vereinnahmen zu lassen, dabei ein eigenes, unabhängiges Solidaritätsprofil zu pflegen, war für die issa nicht immer leicht. Als die Grünen im Bundestag im September 1985 ein Hearing über die Beziehungen der Bundesrepublik zu Namibia und den Perspektiven der Unabhängigkeit veranstalteten, gehörte die issa zur Vorbereitungsgruppe. Im Vorfeld des Hearings lud AKAFRIK Münster, auf offiziellem Briefkopf der Grünen, Vekuii Riruako als Redner ein und präsentierte ihn als einen sich gerade in der BRD aufhaltenden Anwalt. Tatsächlich war er aber auch Generalsekretär der Swanu. Das wollte die Swapo nicht dulden. Riruako wurde wieder ausgeladen und akzeptierte, dass kein Swanu-Vertreter auf dem Hearing auftreten würde. In der Vorbereitungsgruppe herrschte Erleichterung.

Doch kaum war die Kuh vom Eis, tauchte ein neues Problem auf: Neville Alexander, der gerade auf Deutschland-Besuch war, hatte sich für das Hearing als Teilnehmer angemeldet. Als Tony Seedat davon erfuhr, drohte er, die ganze Veranstaltung platzen zu lassen. Die undankbare Rolle, Neville von einem Besuch der Veranstaltung abzuraten, blieb dem frustrierten issa-Geschäftsführer überlassen. Neville Alexander aber zeigte Verständnis, weil er dem Hearing keinen Stein in den Weg legen wollte.

Auf der Bonner Großdemonstration gegen Apartheid, die im September 1985 im Anschluss an das Namibia-Hearing stattfand, hatte es die AAB unwissentlich mit einem ganz anderen Gegner zu tun: Statt die Vertreterinnen einer Black-Consciousness-Frauenbewegung, die auf Rundreise in Deutschland waren, auf der Demo reden zu lassen, lud die AAB einen jugendlichen Gastredner aus Südafrika ein und handelte sich dabei ungewollt einen Spion des Apartheid-Regimes ein. Es gehörte zu den Strategien Pretorias in den 1980er-Jahren, junge Personen in den ANC zu infiltrieren. Ausgerechnet Pastor Beyers Naude, der renommierte Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrates, arrangierte damals das Flugticket für Robert Dube, der bereits 1982, als er noch auf der Highschool war, von Sicherheitsagenten des Regimes für ein geringes Taschengeld als Informant angeheuert worden war und nach eigenen Aussagen, die er später machte, für Lieutenant Willem Coetzee, einen Sicherheitsagenten der südafrikanischen Polizei, Berichte anfertigte. Mit der Kopie einer Rede des damaligen ANC-Präsidenten Oliver Tambo und etlichen Anti-Apartheid-Dokumenten ist Dube nach Südafrika zurückgekehrt und verfasste für Coetzee einen 184 Seiten umfassenden Bericht von seiner Reise. (Vgl. Rule, Sheila: Anti-Apartheid infiltrators detail their recruitment in South Africa, in: New York Times, 6.5.1987)

Gewalt ruft naturgemäß Gegengewalt hervor, wenn friedliche Mittel versagen. Insofern waren die Anschläge von Umkhonto we Sizwe, des bewaffneten Arms des ANC, eine logische Konsequenz des Befreiungskampfes. Die „Militarisierung" der Befreiungsbewegung (wenn auch nie auf gleicher Stufe wie der schwer bewaffnete Gegner, das Apartheid-Regime) ließ erahnen, dass es mit innerparteilicher Demokratie in den einzelnen Widerstandsorganisationen nicht weit her sein konnte. Von Folter an eigenen Dissidenten, wie insbesondere im Falle der Swapo in ihren Lagern, ganz zu schweigen. Während die AAB um solch unbequemen Themen einen weiten Bogen machte und sich schließlich auflöste, als die „Mission" Kampf gegen Apartheid mit den ersten demokratischen Wahlen in Südafrika im April 1994 erfüllt war, sah sich die issa zunehmend damit konfrontiert, Antworten auf die Fragen zu finden, wie „Befreiungsbewegungen an der Macht" nach der Unabhängigkeit mit den auf sie projizierten Hoffnungen auf eine demokratische Entwicklung umgehen. Aber das ist ein anderes Kapitel ...

Lothar Berger

Der Beitrag erschien zuerst in: Andreas Bohne, Bernd Hüttner, Anja Schade (hrsg.), Apartheid No! Facetten von Solidarität in der DDR und der BRD Berlin, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Berlin, November 2019