Heft 2/2023, afrika süd-dossier: Wie Südafrika gekapert wurde

„Partners in Crime“: Wider die systemrelevante Korruption!

„Die Welt nach Afrika und Afrika in die Welt bringen" wollte South African Airways (SAA) dem eigenen Slogan nach einst. Zwischenzeitlich kurz vorm Bankrott und gänzlich vom Himmel verschwunden, bedient die inzwischen teilprivatisierte Fluglinie heute kaum mehr als eine Handvoll Destinationen auf dem afrikanischen Kontinent. Ihr Niedergang ist ein Resultat der korrupten Plünderung von Behörden und Staatsunternehmen, die unter Ex-Präsident Jacob Zuma derart horrende Ausmaße angenommen hatte, dass in Südafrika dafür ein neuer Begriff geprägt wurde: „State Capture", die Unterwanderung des Staates. Um das kriminelle Netzwerk dahinter aufzudecken, befasste sich eine Untersuchungskommission drei Jahre lang en detail mit den Mechanismen der systematischen Korruption.

Das Schicksal der SAA wird im Untersuchungsbericht der State-Capture-Kommission an erster Stelle behandelt. „Die Untersuchung war der Versuch, nicht nur aufzudecken, was in diesen Organisationen passiert ist, sondern auch, warum und wie es passierte. Die Untersuchung hatte deshalb einen großen Umfang, weil sie von der Motivation bestimmt war, die Schwächen im öffentlichen Sektor zu verstehen, die ihn anfällig machen für State Capture, Korruption und Betrug", steht in der Zusammenfassung der Kommission zu den Vorgängen bei der SAA und ihren Tochtergesellschaften. Diese Sätze sind übertragbar auf die Gesamtausrichtung der Kommission, auch in Bezug auf die anderen von State Capture betroffenen Staatsunternehmen und Behörden.

Der so umrissene Auftrag der Kommission zeigt, dass deren Fokus klar auf den staatlichen Institutionen lag. Das Agieren der internationalen Konzerne, die in die State Capture verwickelt waren, spielte eine untergeordnete Rolle. Aus südafrikanischer Sicht ist das nachvollziehbar. Anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen, wollte man zunächst den „eigenen Laden" aufräumen und so einer Wiederholung der Vorfälle entgegenwirken. Die dafür notwendige Untersuchungsarbeit geschah mit großer Gründlichkeit und enormem Aufwand. Dass ein Staat – zumal einer, in dem die regierende Partei nicht gewechselt hatte – einen solchen personellen und finanziellen Aufwand betreibt, um Korruptionsnetzwerke in seinen Institutionen offenzulegen, verdient Anerkennung. Südafrika hat mit der State-Capture-Kommission auch international durchaus Maßstäbe gesetzt.

Der weitgehend fehlende Fokus auf die Konzerne, die die weitreichende Korruption nicht nur mitmachten, sondern teilweise aktiv beförderten, bleibt aber eine Schwäche der Kommission. „It takes two to tango", heißt es auf Englisch: Es gehören immer zwei dazu. Entsprechend müssten auch die Konzerne und deren Vertretungen mit derselben Entschlossenheit ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt und für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden, wie die bestechlichen Staatsdiener und Manager öffentlicher Betriebe. Denn Konzerne und korrupte Offizielle sind nicht etwa Opfer und Täter, sondern das, was man im Englischen „Partners in Crime" nennt: Kompliz:innen. Wenn ein Unternehmen aber kaum mehr als eine Rückzahlung des Gewinns aus mit Korruption und Schmiergeld ergatterten Aufträgen befürchten muss, dann bleibt der Anreiz hoch, es genauso wieder zu versuchen.

Mit dieser Analyse wollen wir daher nicht nur den insgesamt 5606-seitigen Abschlussbericht der Zondo-Kommission übersichtlicher und zugänglicher machen, sondern auch einen Fokus darauf legen, wie global tätige Unternehmen sich an der Ausplünderung der südafrikanischen Gesellschaft bereicherten. Denn allen Compliance-Schauspielen zum Trotz: Bestechung und Korruption, meist ausgeführt durch als „Berater", „Vermittlerinnen" oder „Geschäftsentwicklungspartner" getarnte Strohleute, sind im globalen Geschäft systemrelevant. Gesetzliche Beschränkungen regeln für Unternehmen in der freien Marktwirtschaft lediglich den Preis irregulären Agierens, der bei Entdeckung zu zahlen ist. Er ist in der Regel niedriger als der Verlust durch entgangene Aufträge. Wer das nicht wahrhaben will, verschließt die Augen vor der Funktionsweise der Marktwirtschaft. Als einziger Trost bliebe dann, sich an die von den Konzernen gern bediente Mär von unlauter handelnden Einzeltäter:innen im mittleren Management zu klammern. Wir glauben nicht an Sündenböcke und Opferlämmer. Wir wollen stattdessen die Systematik hinter der organisierten Korruption erkennbar machen, einem Verbrechen, das immer die Ärmsten am härtesten trifft. Denn die Bedrohung bleibt bestehen, nicht nur in Südafrika, sondern weltweit. Sie muss stetig bekämpft werden.