Heft 2/2023, afrika süd-dossier: Wie Südafrika gekapert wurde

Absturz mit Ansage

Um seinen Auftrag bei SAA zu behalten, willigte Swissport bei der Staatsairline SAA in illegale Deals und Schmiergeldzahlungen ein. Ehrliche Angestellte der Fluglinie, die sich den Praktiken widersetzten, wurden aus dem Weg geräumt.

Als Masimba Dahwa im August 2014 seine neue Stelle als Einkaufschef bei South African Airways (SAA) antrat, fand er ein Chaos vor, das im Bericht der State-Capture-Kommission mit „signifikante Probleme bei Beschaffungsprozessen" noch äußerst wohlwollend umschrieben ist. „SAA hatte keine ordentlichen Aufzeichnungen über Ausschreibungsdokumente und Verträge. Sie wurden lose in verschiedenen Schubladen aufbewahrt. Eines der Hauptergebnisse der Buchprüfung zu dieser Zeit war, dass Dokumente einfach verloren gingen und für Inspektionen nicht verfügbar waren", heißt es im Bericht weiter. Dahwa wollte aufräumen, doch damit machte er sich einflussreiche Feinde. Er wurde unter Druck gesetzt, bedroht und schließlich suspendiert, um den Weg freizumachen für einen Deal, der einzelne reich, die Fluggesellschaft aber ärmer machte. Seine Geschichte ist ein beispielhafter Fall für die Methoden, die bei der Plünderung von Staatskonzernen angewandt wurden.

Per SMS wurde Dahwa am 2. Oktober 2015 zu einer Sitzung in die SAA-Chefetage zitiert. Die Nachricht kam von Yakhe Kwinana, zu der Zeit Mitglied des SAA-Verwaltungsrats und Verwaltungsratsvorsitzende bei der SAA-Tochter South African Airways Technical (SAAT). Aufgabe SAATs war der Unterhalt der Flotte der Airline. Kwinana war eines von nur drei SAA-Verwaltungsratsmitgliedern, die 2012 in dem Gremium verblieben waren, als die Mehrzahl als Reaktion auf die Machenschaften des damaligen Ministers für Öffentliche Unternehmen, Malusi Gigaba, zurückgetreten war.

Dreißig Prozent „zur Seite legen"

Als Dahwa an jenem Oktobertag wie von ihm verlangt in den Sitzungsraum des Verwaltungsrats kam, fragte Kwinana ihn, wie weit er mit der Umsetzung einer Richtlinie sei, die im Bericht als „30% set aside policy" bezeichnet wird. Ziel dieser Intervention war es, 30 Prozent des Auftragsvolumens bei Neuausschreibungen an Firmen in Händen schwarzer Südafrikaner:innen zu vergeben. Vorgeblich ging es dabei um eine „Transformation" der Wirtschaft zur Förderung schwarzer Geschäftsleute, die an das Regierungsprogramm Broad-Based Black Economic Empowerment (B-BBEE) anschließen sollte. Letztlich wurden aber nur ausgewählte Firmen zu entsprechenden Informationsveranstaltungen eingeladen. Einkaufschef Dahwa war von der SAAT-Verwaltungsratschefin Kwinana beauftragt worden, 30 Prozent des Auftragsvolumens für die Abfertigung der Flieger am Boden (bisher vergeben an den international agierenden Konzern Swissport) und für die Treibstofflieferung (bisher vergeben an den südafrikanischen Ölkonzern Engen) an eine Gruppe von 60 dieser neu eingeladenen Unternehmen zu vergeben. Als Dahwa erwiderte, dass dies den Vorschriften widerspräche und es zudem unmöglich wäre, einen einzigen Auftrag an 60 Firmen zu vergeben, forderte Kwinana ihn auf, eine Holding zu gründen. Auf Dahwas Erwiderung hin, dass er das in seiner Funktion unmöglich dürfe, gründete Kwinana die Holding selbst. Der daraus resultierende Interessenkonflikt liegt auf der Hand.

Die irreguläre Schaffung dieser Dachfirma, so stellte die Kommission in ihrem Bericht später über Kwinana fest, „schloss ihre eigene persönliche Bereicherung ein". Eindeutig ist auch die menschlich-moralische Einschätzung, die die Kommission über Kwinana veröffentlichte: Sie sei eine „sehr schlechte Zeugin". Und weiter: „Sie hat sich kontinuierlich geweigert, die einfachsten Eingeständnisse zu machen, selbst wenn die gegen sie vorliegenden Beweise überwältigend waren. Letztlich hat das ihre Glaubwürdigkeit als Zeugin stark beeinträchtigt. Sie hat sich Willens gezeigt, unter Eid unehrlich zu sein, einfach um zu vermeiden, dass sie für ihr ungesetzliches und verantwortungsloses Verhalten Rechenschaft ablegen muss."

Kwinana versuchte sogar, die 30-Prozent-Regelung auf bereits bestehende Verträge anzuwenden, also Dienstleister und Lieferanten zu zwingen, einen Teil ihrer durch reguläre Ausschreibungsverfahren erlangten Aufträge gemäß einer illegalen Regelung wieder abzugeben. Dahwa, der sich gegen die korrupten Praktiken stellte, versuchte, sich diesen Absichten zu widersetzen. Doch Kwinana war nicht die einzige Gegnerin des aufrechten Einkaufschefs. Als er sich an jenem 2. Oktober 2015 mit Kwinana im Sitzungsraum befand, kam bald ein weiteres Verwaltungsratsmitglied hinzu, das den Umbruch unter Minister Gigaba, einem Vertrauten des damaligen Staatschefs Jacob Zuma, nicht nur überstanden, sondern zum Aufstieg genutzt hatte: Duduzile Myeni, seit 2012 Vorsitzende des Verwaltungsrats und zugleich Vorsitzende der Jacob-Zuma-Stiftung.

Myeni fragte Kwinana über Dahwas Kopf hinweg, wie weit dieser mit der Umsetzung der 30-Prozent-Regelung sei. Die SAAT-Verwaltungsratsvorsitzende antwortete, Dahwa flüchte sich in Ausreden. Daraufhin sprach Myeni Dahwa direkt an und teilte ihm mit, dass sie seine Stelle neu ausschreiben würde. Eine Erwiderung des Gescholtenen ließ sie nicht zu, stattdessen wies sie ihn an, in sein Büro zu gehen und die Aufträge entsprechend der von ihr gewünschten – illegalen – 30-Prozent-Regelung zu unterzeichnen. Dahwa ging, wie ihm befohlen, brachte es aber nicht übers Herz, die Verträge zu unterzeichnen. Als er Kwinana und Myeni dies mitteilte, wiesen sie ihn an, den Namen von Geschäftsführerin Mathulwane Mpshe unter die Verträge zu setzen, zu ihr zu gehen und sie unterzeichnen zu lassen. Auch Mpshe weigerte sich jedoch, die rechtswidrigen Schriftsätze zu unterschreiben. Es folgten noch einige Drohungen, die sich unter anderem auf Dahwas Herkunft (er ist Simbabwer) bezogen, und die Ankündigung Kwinanas, ein Disziplinarverfahren gegen ihn anzustrengen. Erst nach acht Stunden war das im Kommissionsbericht als „Tortur" beschriebene Meeting vorbei.

Der Swissport-Deal

Nach einem Disziplinarverfahren, das die Kommission als „in höchstem Maße unfair" beschrieb, wurde Dahwa am 3. Dezember 2015 suspendiert. Mpshe war ihres Amtes als Geschäftsführerin bereits knapp drei Wochen zuvor, am 13. November, enthoben worden. Dahwas Nachfolger als Einkaufschef, Lester Peter, schickte die illegalen Verträge, wie von Kwinana und Myeni gewünscht, an Swissport. Der Schweizer Konzern hatte bereits 2011 den Zuschlag für die Bodenabfertigung bekommen, allerdings war diese Zusammenarbeit nie durch einen Vertrag abgesichert worden. Diesen Umstand lastet die Kommission der SAA und den häufigen Wechseln im Verwaltungsrat der Airline an. Swissport hatte seine Leistungen dennoch erbracht, konnte aber nur von Monat zu Monat planen, weshalb der Konzern ein Interesse an einer vertraglichen Absicherung hatte. Diese bekam das Unternehmen mit dem ab 1. April 2016 und für fünf Jahre gültigen Kontrakt nun – allerdings „in Umständen, die irregulär und gesetzeswidrig waren", wie die Kommission festhielt.

Für Swissport hatte der Deal zwei Folgen: Einerseits verlängerte sich die Geschäftsbeziehung mit SAA, die nach der ursprünglichen Ausschreibung eigentlich 2017 ausgelaufen wäre, so bis 2021, ohne dass es dafür eine neuerliche Ausschreibung gegeben hätte. „Der Vertragswert wurde dadurch doppelt so hoch wie der Umfang der ursprünglichen Ausschreibung", heißt es dazu im Kommissionsbericht. Andererseits musste Swissport aber nun – so war es als Vertragsbedingung festgeschrieben – einen Teil des Auftragsvolumens an ein Unternehmen weitergeben, das „schwarze Frauen, Jugendliche, Militärveteranen und Menschen mit Behinderungen" einband.

Reichlich Schmiergeld: JM Aviation kommt ins Spiel

Die Auswahl dieser südafrikanischen Partnerfirma nahm die SAA-Spitze gleich selbst vor. Den Zuschlag erhielt ein Unternehmen namens JM Aviation, das zu einer Reihe von Firmen gehörte, die Myeni und Kwinana im Rahmen ihrer Informationsveranstaltungen als potenzielle Partner eingeladen hatten. Im Vorstand von JM Aviation saß ein Mann, der zugleich im Vorstand der südafrikanischen Tochter von Swissport saß: Vuyisile Ndzeku. Seiner eigenen Einlassung zufolge hatte er Swissport jedoch nicht über seine Tätigkeit für JM Aviation informiert. Letztlich flossen 28,5 Millionen Rand (1,6 Millionen Euro) von Swissport an JM Aviation. Fraglich bleibt, wofür.

Von der Kommission dazu aufgefordert, Belege beizubringen, die beweisen könnten, dass zwischen Swissport und JM Aviation eine echte Geschäftsbeziehung bestand, musste der Schweizer Konzern laut Kommissionsbericht eingestehen, „dass er nicht einen einzigen Zettel Papier hatte, der irgendeinen Aspekt des angeblich zwischen den beiden Parteien bestehenden Vertrags belegen konnte". Man muss kaum zwischen den Zeilen lesen, um die Frustration der Kommission im Bericht zu erkennen: „Es gab nicht eine einzige E-Mail. Es gab keine Gesprächsnotizen, keine Rechnungen, keine Präsentationen, keine Termine, keine Designdokumente – absolut nichts."

Was es aber gab, waren Zahlungen von mehreren Millionen Rand an Personen, die beim „Ermöglichen" des Vertragsabschlusses „behilflich" waren. Die Zuwendungen werden im Bericht als „wahrscheinlich 'Kick-Backs'" bewertet, oder einfacher gesagt: Schmiergeld. Als Empfänger werden im Kommissionsbericht Dahwas Nachfolger Lester Peter (der neue Einkaufschef, der die illegalen Verträge bereitwillig versandt hatte), Swissport- und JM-Aviation-Vorstandsmitglied Ndzeku, die SAAT-Einkaufschefin Nontsasa Memela und ein gewisser Daluxolo Peter aufgeführt. Letzterer gilt als persönlicher Bekannter von Kwinana und saß im Vorstand einer Firma namens Jamicron, die die SAAT-Verwaltungsratschefin als 30-Prozent-Partner für Swissport durchdrücken wollte. Letztlich erhielt Jamicron 20 Millionen Rand der 28,5 Millionen Rand, die Swissport an JM Aviation überwies. Fünf Millionen Rand musste Daluxolo Peter auf Geheiß von Ndzeku in bar abheben und an einen Anwalt namens Mbuleli Kolisi übergeben. Kolisi – und da schließt sich der Kreis – war genau der Anwalt, den die SAA-Führung um Myeni und Kwinana für die Suspendierung ihrer aufrechten Widersacher Dahwa und Mpshe engagiert hatte.

Durch eine weitere Klausel, die den Buchstaben nach der Förderung schwarzer Menschen in der Wirtschaft dienen sollte, wurde JM Aviation über Nacht zudem um weitere sechs Millionen Rand (340.000 Euro) reicher. Von der Summe flossen 4,3 Millionen Rand (240.000 Euro) umgehend weiter zu Kwinana.

Dieser Teil des Geschäfts zeigt zudem frappierend einfach auf, wie sehr die korrupten Machenschaften zu Lasten der SAA gingen. So verkaufte die Flottentochter SAAT im März 2016 eine Reihe von Ground Power Units (GPUs), Generatoren für die Stromversorgung von Flugzeugen am Boden, für etwas über drei Millionen Rand (170.000 Euro) an JM Aviation. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Geräte einen Buchwert von knapp acht Millionen Rand (450.000 Euro), wurden demnach also deutlich unter Wert veräußert. Nur einen Tag später verkaufte JM Aviation exakt diese GPUs für mehr als neun Millionen Rand (510.000 Euro), also etwas über Buchwert, weiter an Swissport. Der Schweizer Konzern leaste die Geräte schließlich zurück an SAAT, wofür die SAA-Tochter laut Kommissionsbericht 8,4 Millionen Rand (476.000 Euro) gezahlt hat. Insgesamt ist der Fluggesellschaft so durch den Verkauf eigener Infrastruktur unter Wert sowie durch die folgenden Leasingkosten ein Verlust von 14,5 Millionen Rand (820.000 Euro) entstanden.

Alle Empfänger des mutmaßlichen Schmiergelds aus den Deals zwischen Swissport und JM Aviation hat die Kommission der Staatsanwaltschaft für weitere Ermittlungen vorgeschlagen. Kwinana und Myeni sind selbstredend auch unter denjenigen, gegen die ermittelt werden soll, wobei es bei beiden um noch weitaus mehr Vorwürfe geht. Die Machenschaften bei SAA füllen im Kommissionsbericht 448 Seiten.

Kommission empfiehlt lediglich strafrechtliche Verfolgung

Darunter war der Swissport-Deal nicht einmal das folgenschwerste Vergehen. Der SAA-Verwaltungsratsvorsitzenden Myeni wirft die Kommission beispielsweise vor, den Minister für Öffentliche Unternehmen über zwei Beschlüsse des Verwaltungsrats in die Irre geführt zu haben. Sie hatte behauptet, der Rat habe sich für einen Leasing-Deal für zehn Flugzeuge entschieden und dann eigenmächtig versucht, die Finanzierung zu organisieren. Nichts daran stimmte, der Verwaltungsrat hatte ihren Vorschlag abgelehnt und wollte nur zwei Maschinen leasen. Durch Myenis Handeln bedingte Verzögerungen führten für SAA zu einem Schaden von 800 Millionen Rand (44,5 Millionen Euro). Die Kommission schlägt deshalb vor, eine Anklage wegen Betrugs zu prüfen.

Die SAAT-Verwaltungsratsvorsitzende Kwinana hat laut Kommissionsbericht, ebenso wie SAAT-Einkaufschefin Memela, zudem Zahlungen in Verbindung mit einer Ausschreibung für Komponenten erhalten. Der Auftrag war an ein Joint Venture vergeben worden, an dem wiederum JM Aviation sowie der US-Konzern AAR beteiligt waren.

Gegen Myeni stellte die Kommission gar Strafanzeige, weil sie den Klarnamen eines Informanten verraten hatte, dessen Identität unter Schutz gestellt worden war. Andere Whistleblower-Berichte soll Myeni hingegen bisweilen zu ihrem Vorteil genutzt haben, wenn auch keine echten. Das ging der Aussage einer ehemaligen Angestellten zufolge, die sich wiederum auf Erzählungen Kwinanas berief, so: Erledigten Untergebene ihre korrupten Machenschaften nicht zu ihrer Zufriedenheit, ging Myeni höchstpersönlich – und in Verkleidung (!) – in ein Café, um von dort online frei erfundene Whistleblower-Berichte abzusetzen, in denen sie ihre Kontrahent:innen mit Anschuldigungen überhäufte. Im Anschluss drängte sie dann auf den Rauswurf der Betroffenen. Die Kommission befand folgerichtig, Myeni habe „durch eine Mischung aus Fahrlässigkeit, Inkompetenz und gezielter korrupter Absicht die Unternehmensrichtlinien bei SAA außer Kraft gesetzt, ein Klima von Angst und Einschüchterung geschaffen und eine Reihe operationaler Entscheidungen getroffen, die SAA in einen chaotischen Zustand abrutschen ließen".

Der Niedergang der südafrikanischen Staatsfluggesellschaft ist ein Beispiel dafür, wie Korruption aus dem eigenen Apparat heraus durch zwielichtige Entscheidungsträger:innen angestoßen wird und große Konzerne das Spiel mitspielen, um nicht von den Einnahmequellen abgedrängt zu werden. Im Fall von Swissport lag der Anstoß zur Korruption klar auf Seiten der SAA-Führung. Dennoch verwundert es ein wenig, wie einfach der Schweizer Konzern in den Empfehlungen der Kommission davonkommt. Denn ohne seine Beihilfe und seine Einwilligung, Teile des Vertrags an offensichtliche Schein-Firmen abzugeben, wären die kriminellen Machenschaften nicht möglich gewesen.

Dass die Sicherung des Auftrags für Swissport in direktem Zusammenhang mit einer Zusammenarbeit mit der von der korrupten SAA-Führung zwischengeschalteten Schein-Firma stand, zeigt die Kommission in ihren Empfehlungen auch anhand der zeitlichen Abfolge. „SAAs Abschluss eines Fünfjahresvertrags für die Bodenabfertigung erfolgte einen Monat, nachdem Swissport ein Service-Abkommen mit JM Aviation abgeschlossen hatte, auf dessen Grundlage JM Aviation 28,5 Millionen Rand bekam", heißt es im Bericht. Durch die Auflistung der Profiteure wird zudem offensichtlich, dass durch den Vertrag mit der Schein-Firma lediglich die Schmiergeldzahlungen verschleiert wurden. Eine eindeutige Empfehlung zur strafrechtlichen Verfolgung der Swissport-Verantwortlichen folgt daraus dennoch nicht, stattdessen eher eine Kann-Regelung: „Die Kommission empfiehlt, dass die Strafverfolgungsbehörden zur Rolle von Swissport bei diesen Deals weiter ermitteln, und wo es geboten erscheint, sollte die Generalstaatsanwaltschaft die Strafverfolgung all jener erwägen, die in kriminelle Handlungen involviert waren."

Der Fall des US-Konzerns AAR

Noch deutlicher wird die unterschiedliche Behandlung der beiden in einen korrupten Deal verwickelten Seiten im Falle des Auftrags an den US-amerikanischen Konzern AAR. Auch hier stellt die Kommission fest, dass geleistete Zahlungen des AAR-Partners JM Aviation an SAA-Offizielle „wahrscheinlich Schmiergeld" waren. Der Bericht lässt keinen Zweifel daran, dass die Auftragsvergabe „gesetzeswidrig, irregulär und unfair" war. Was die Vorstandsmitglieder von JM Aviation, die damaligen Mitglieder des SAAT-Verwaltungsrats und die Einkaufschefin der SAA-Techniktochter, Nontsasa Memela, angeht, klingt die Kommissionsempfehlung daher auch relativ eindringlich: Die Generalstaatsanwaltschaft solle eine Anklage „wegen Korruption und damit zusammenhängender Verbrechen ernsthaft erwägen". In Bezug auf den involvierten Großkonzern heißt es dagegen nur, die südafrikanischen Strafverfolger sollten „auch erwägen, die US-Justizbehörde wegen der Rolle von AAR in diesem Projekt zu kontaktieren".

Dabei stellt sich der Fall AAR im Hauptteil des Berichts sogar noch klarer schuldhaft dar als der Swissport-Deal. „Die Beziehung zwischen SAAT und AAR begann im Februar 2015, als Frau Cheryl Jackson, die Vizepräsidentin für Regierungsangelegenheiten und Konzernentwicklung bei AAR, auf Herrn Nico Bezuidenhout, damals Interims-Geschäftsführer bei SAA, zukam und den Vorschlag zu einer Partnerschaft zwischen AAR und SAAT unterbreitete." Der Impuls ging hier also klar von AAR aus. Problematisch war dies vor allem, weil für die angebotenen Dienstleistungen rund um die Reparatur und Bereitstellung von Teilen gerade eine offene Ausschreibung lief. Eine vierköpfige SAA-Delegation, darunter Kwinana und Memela, flog gar zu einem Besuch in die USA, um dort direkt mit AAR zu verhandeln, während der Ausschreibungsprozess noch lief. Ein solches Vorgehen war hochgradig irregulär. Die ergebnisoffene Suche nach dem besten und günstigsten Zulieferer wurde schließlich abgebrochen, um stattdessen einzig die Partnerschaft mit AAR weiter zu verfolgen. JM Aviation wurde auch hier als Schein-Partner integriert, um das Schmiergeld weiterzuleiten.

Internationale Konzerne nur Opfer?

Anstatt tiefergehend zu ermitteln, warum die internationalen Konzerne sich derart in korrupte Praktiken einbinden ließen, welche Mechanismen innerhalb ihrer Chefetagen griffen – oder versagten – und wer dort was wusste, fokussierte sich die Kommission wesentlich stärker auf die Empfängerseite des Schmiergelds. Die Konzerne werden zwar kritisiert und weitere Ermittlungen zumindest angeregt, ansonsten wird ihnen aber fast eine Opferrolle eingeräumt. So übernimmt die Kommission in ihrem Bericht kommentarlos eine schriftliche Erklärung des ehemaligen Swissport-CEOs Peter Kohl, in der dieser zunächst ausführte, dass der SAA-Auftrag 70 Prozent des Geschäfts der südafrikanischen Swissport-Tochter ausmachte. Die Erklärung gipfelt in dem Satz: „Wenn Swissport den SAA-Auftrag verloren hätte, wäre es liquidiert worden." Vorgebliche ökonomische Zwänge drohen so zur Erklärung für korruptes Verhalten zu werden. Jegliche Sympathie wäre hier jedoch fehl am Platz, denn die wahren Opfer des SAA-Skandals sind Menschen wie Masimba Dahwa und Mathulwane Mpshe, die aufgrund ihres Widerstands gegen die Korruption ihre Jobs verloren haben, sowie alle Südafrikaner:innen, die unter kaputtgesparten staatlichen Diensten leiden.