Heft 2/2023, Lesotho

Frazer Solar gegen den Staat Lesotho

Es sollte ein Quantensprung in der Elektrifizierung des Landes sein, doch es wurde eine Schlammschlacht, deren Ende noch nicht abzusehen ist.

Von Brigitte Reinhardt

Im November 2017 legte das deutsche Unternehmen Frazer Solar – Projektentwickler für erneuerbare Energien – Vertretern der Regierung von Lesotho ein umfangreiches Angebot vor. Im Zeitraum von vier Jahren sollten etwa 40.000 Wasserheizsysteme und etwa eine Million LED-Lampen in staatlichen Einrichtungen installiert werden. Damit sollte u. a. ein Beitrag zur Reduzierung von Stromimporten geleistet werden. Zusätzlich war vorgesehen, dass alle 350.000 Haushalte im Land, die noch nicht an das Stromnetz angeschlossen sind, Solarleuchten erhalten, um damit die bisher übliche Nutzung von Kerzen und Paraffin als Lichtquelle zu ersetzen. Das Projekt würde über einen Kredit der KfW in Höhe von 100 Mio. Euro mit einer Laufzeit von 10 Jahren finanziert. Am 21. November 2017 unterzeichneten beide Seiten eine Vereinbarung (MoU).

Frazer pocht auf Vertragseinhaltung

Die Frazer Solar GmbH wurde im Oktober 2018 in das Handelsregister von Berlin-Charlottenburg eingetragen. Geschäftsführer sind der Australier Robert Frazer, der in Australien ein ähnliches Unternehmen führt, und Stephan Fintelmann, Geschäftsführer der KKB Kollektorenbau GmbH Berlin. In der Zeit der Projektentwicklung hielten sich beide in Lesotho auf. Sie wurden König Letsie III. vorgestellt und beteiligten sich mit großzügigen Lebensmittel- und Bekleidungsspenden an Wohltätigkeitsaktionen.

Im August 2018 trafen sie sich mit dem damaligen Premierminister Tom Thabane und Temeki Tsolo, Minister im Amt des Premierministers, um Einzelheit des Projektes zu besprechen. Im September wurde dann ein Lieferabkommen geschlossen, unterzeichnet von Robert Frazer für das Unternehmen und Temeki Tsolo für das Königreich Lesotho. Das Finanzierungsabkommen mit der KfW sollte vom Finanzministerium ausgearbeitet und nachgereicht werden.

Einen Monat später wandte sich Frazer an das Finanzministerium, um herauszufinden, warum dies bis dahin noch nicht geschehen war. Nun hieß es, für ein derartiges Projekt sei die Zustimmung des Kabinetts erforderlich.

Im März 2019 forderten Anwälte von Frazer Solar die Regierung Lesothos auf, Verletzungen des Lieferabkommens innerhalb von 60 Tagen zu korrigieren. Als darauf jedoch keine Antwort erfolgte, leitete das Unternehmen bei einem Gericht in Südafrika ein Schiedsverfahren wegen Vertragsbruchs ein. Das Gericht entschied zugunsten von Frazer Solar und bestätigte den Anspruch des Unternehmens auf eine Entschädigungssumme von 50 Mio. Euro. Der Schiedsspruch wurde vom Obersten Gericht in Südafrika bestätigt.

Lesotho sieht Betrug

Dies war der Beginn einer beispiellosen Jagd auf Vermögenswerte des Staates Lesotho, beginnend mit dem Zugriff auf die Einnahmen aus dem Verkauf von Wasser an Südafrika aus dem Trans-Caledon-Tunnelsystem bis hin zum Einfrieren von Konten der Botschaft Lesothos in Brüssel. Auch auf Mauritius, in den USA und in Großbritannien wurden Verfahren eingeleitet, um den Anspruch von Frazer Solar auf Entschädigung geltend zu machen.

Längere Zeit war von Seiten Lesothos keine Reaktion erfolgt. Moeketsi Majoro, ehemaliger Finanzminister und Premier bis Oktober 2022, begründete dies damit, die Regierung Lesothos habe keine Kenntnis von dem Abkommen und den juristischen Verfahren gehabt. Das Abkommen sei entweder von einer unbefugten Person unterzeichnet oder die Unterschrift gefälscht worden. Informationen über die juristischen Verfahren seien von korrupten Personen absichtlich nicht an die Regierung weitergeleitet worden.

Schließlich wurde das Abkommen vom Obersten Gericht in Maseru für null und nichtig erklärt. Es habe gegen die Verfassung des Landes und gegen die Beschaffungsrichtlinien verstoßen. Das Gericht geht davon aus, dass sich Robert Frazer dessen bewusst gewesen sei und er in betrügerischer Absicht gehandelt habe. Im April 2022 erging ein Haftbefehl gegen Robert Frazer, gefolgt von einem Gesuch an Interpol, Frazer festzunehmen und an Lesotho auszuliefern.

Haftbefehl erging ebenfalls gegen Temeki Tsolo. Er sei nicht befugt gewesen, das Abkommen für die Regierung Lesothos zu unterzeichnen. Auch ihm wird Betrug unterstellt. Er wurde von der Anti-Korruptionsbehörde (DCEO) verhört und auf Kaution freigelassen.

Frazer droht, Ausgang offen

Frazer Solar reagierte auf den Haftbefehl mit massiven Drohungen. Man werde den ganzen Sumpf und die Korruption im Regierungsapparat Lesothos aufdecken und Missmanagement, Missbrauch bis hin zu blankem Diebstahl öffentlicher Mittel in Höhe von über 840 Mio. Euro anprangern. Damit solle der internationalen Öffentlichkeit klargemacht werden, dass Mitarbeiter der Regierung Lesothos korrupt seien und nicht Frazer Solar. Dies könne zur Folge haben, dass verschiedene Länder juristisch gegen Lesotho vorgehen würden. Darüber hinaus wurde die Anti-Korruptionsbehörde aufgefordert zu untersuchen, wie es dazu kam, dass die Majoro-Regierung das sehr viel teurere Solar-Energie Projekt eines chinesischen Unternehmens vorgezogen habe.

Versuche von Frazer Solar, mit der neuen Regierung unter Premierminister Matekane – seit Oktober 2022 im Amt – doch noch zu einer gütlichen Einigung zu kommen, blieben erfolglos. Ein Angebot zur Mediation unter der Leitung eines ehemaligen britischen Generalstaatsanwaltes wurde von der Regierung abgewiesen. Nach allem was vorausgegangen sei, könne ein solches Angebot nicht in ehrlicher Absicht erfolgt sein, hieß es. Außerdem sei es höchst ungewöhnlich, vom Premierminister eines souveränen Landes zu erwarten, zu derartigen Verhandlungen – die in Johannesburg stattfinden sollten – einen anderen Staat aufzusuchen.

Das Ganze bleibt undurchsichtig. War Temeki Tsolo tatsächlich nicht befugt, das Abkommen zu unterzeichnen, und Robert Frazer war das bekannt? Ist Tsolo – und mit ihm der damalige Premierminister Tom Thabane – bestochen worden, wie manche in Lesotho vermuten? Oder hat das Unternehmen im guten Glauben gehandelt und ist ein Opfer von Fraktionskämpfen innerhalb der früheren Regierungspartei ABC?

Auf Nachfrage erklärt Robert Frazer, er sei dabei gewesen, als Minister Tsolo auf Anweisung von Premierminister Thabane den Vertrag unterzeichnet habe. Damit sei der Vertrag auch nach den Bestimmungen des Staates Lesotho bindend. Wäre dies nicht der Fall, dann hätten die internationalen Schiedsgerichte den Vertrag nicht anerkannt. Die ABC-Fraktion von Tom Thabane habe das Projekt unterstützt und für alle notwendigen Zustimmungen gesorgt. Erst nachdem Frazer Solar juristische Schritte eingeleitet hatte, habe die rivalisierende Fraktion unter Moeketsi Majoro behauptet, es habe keinerlei formelle Zustimmung für das Projekt gegeben. In dieser Zeit habe die pro-westliche Thabane-Fraktion die Macht an die Pro-China-Fraktion Majoros verloren. Kurz nach dem Vertragsbruch habe Majoro ein Solarprojekt mit einer chinesischen Firma abgeschlossen. Es gilt als überteuert und darüber hinaus , so heißt es, seien Bestechungsgelder in erheblichem Umfang geflossen.

Wie diese höchst unerfreuliche Auseinandersetzung enden wird, bleibt abzuwarten. Eines ist jedoch klar: Auch wenn – wie es von Seiten Lesothos heißt – bisher keine Vermögenswerte verloren gegangen sind, abgesehen von den Kosten für die juristischen Verfahren, so ist es doch zu einem schwerwiegenden Imageverlust für das Land gekommen.