Heft 2/2023, afrika süd-dossier: Wie Südafrika gekapert wurde

Viel Vages, kaum Konsequenzen

Vier Monate Zeit ließ sich Südafrikas Präsident für seine Antwort auf den State-Capture-Bericht. Deren wichtigste Empfehlungen will er zwar umsetzen, offen bleibt aber, wann und wie genau.

Innerhalb von vier Monaten, die Deadline hatte er sich selbst gesetzt, wollte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa die Antwort seines Kabinetts auf den Bericht der State-Capture-Kommission präsentieren. Am letzten Tag dieses Zeitfensters, dem 22. Oktober 2022, einem Samstag, legte der Staats- und Regierungschef dann tatsächlich einen 70-seitigen Bericht zum Umgang mit den Empfehlungen der Kommission vor. Tags darauf trat Ramaphosa in seinem Amtssitz in Pretoria für eine live im Fernsehen übertragene Ansprache vor die Kameras. „Mit der Umsetzung der in dieser Antwort enthaltenen Schritte können wir ein neues Kapitel in unserem Kampf gegen die Korruption beginnen", gab sich der Präsident in seiner Rede optimistisch. Die Maßnahmen, die seine Botschaft begleiteten, zeichnen bisher jedoch ein weniger klares Bild.

Ramaphosa versuchte mit Zahlen zu beeindrucken. Seit Arbeitsbeginn der Kommission habe seine Regierung „signifikante Ressourcen bereitgestellt", um „die Kapazität und Leistungsfähigkeit der Strafverfolgungsbehörden zum effektiven Umgang mit den Ergebnissen und Empfehlungen der State-Capture-Kommission zu stärken und wiederaufzubauen". Infolgedessen habe das Ermittlungsdirektorat der Staatsanwaltschaft 26 Fälle vor Gericht gebracht und 89 Ermittlungsverfahren begonnen. 12,9 Milliarden Rand seien eingefroren und 2,9 Milliarden bereits an betroffene Institutionen zurückgezahlt worden, zählte Ramaphosa auf. Zudem habe die Steuerbehörde SARS „aufgrund der Arbeit der Kommission" 4,8 Milliarden Rand an zuvor nicht gezahlten Steuern eingetrieben. Es werde „überlegt", „Entschädigungsforderungen gegen in State Capture verwickelte Unternehmen" zu stellen sowie diese Firmen „von Staatsaufträgen auszuschließen", schloss Ramaphosa den Themenpunkt ab.

Die vage Formulierung ist charakteristisch für die Antwort der Regierung auf den Kommissionsbericht. Zu den wichtigsten darin enthaltenen Empfehlungen, wie der Schaffung neuer Kontrollinstanzen und einer strengeren gesetzlichen Regulierung des Beschaffungswesens bei Behörden und Staatsbetrieben, kündigte Ramaphosa lediglich an, dass diese in „eine fundamentale Neugestaltung und Überarbeitung der Anti-Korruptions-Architektur des Landes" einfließen sollten. Sein konkretester Schritt war die bloße Ankündigung, dem Parlament bis März 2023 den Entwurf eines neuen Gesetzes zu Öffentlichen Auftragsvergaben vorlegen zu wollen. Vollzug konnte der Präsident weder in diesem Aspekt noch in den meisten anderen Punkten vermelden.

Entsprechend kritisch fielen die Reaktionen der Kommentatoren aus. Die Ansprache des Präsidenten sei „eine der Widersprüche" gewesen, schrieb der Polit-Journalist Stephen Grootes noch relativ ausgewogen im Nachrichtenportal Daily Maverick. Ramaphosa sei „bereit zu versuchen, Korruption in Zukunft zu verhindern, aber nicht bereit, jetzt gegen Korruption zu handeln". Zur Begründung führte Grootes an, dass der Staats- und Regierungschef kein einziges der fünf im Kommissionsbericht schwer beschuldigten Mitglieder seines Kabinetts entlassen habe. Das Urteil des Juraprofessors Omphemetse Sibanda fiel noch eine Stufe vernichtender aus: „Die schleppende Herangehensweise der südafrikanischen Regierung an die Umsetzung des Kommissionsberichts ist sehr besorgniserregend, und es ist für viele Pessimist:innen, und diejenigen, die den Bericht am liebsten geschreddert sähen, nicht weit hergeholt zu sagen, dass er niemals entscheidend umgesetzt werden wird", kritisierte er. Noch drastischer drückte es Paul Hoffman, Direktor der Anti-Korruptions-NGO Accountability Now, aus. „Ramaphosas Rede an die Nation zum Zondo-Report ist bloß ein Lippenbekenntnis für die Rechtsstaatlichkeit", schrieb der Jurist bereits in der Überschrift seines Gastbeitrags, ebenfalls bei Daily Maverick.

Hoffmans wichtigster Kritikpunkt ist der nach wie vor mangelnde Schutz von Whistleblowern. „Es steht außer Frage, dass der Staat seine Pflichten zur Garantie der Menschenrechte unserer mutigen und bedrohten Whistleblower verletzt", warf er der Regierung vor und fordert als Sofortmaßnahme die Schaffung einer Ombudsstelle. Ramaphosa hatte den Aspekt an das Justizministerium delegiert, das einen ersten Gesetzentwurf zum Schutz von Informant:innen erst für März dieses Jahres angekündigt hat. Auch Sibanda mahnt eine „Beschleunigung" des Whistleblower-Schutzes an. „Einige Whistleblower haben bereits ihr Leben verloren und jeder weitere Tag ohne verbesserten gesetzlichen Schutz ist ein Tag zu viel für Whistleblower", schrieb er. Folgen hatte die Kritik bisher nicht.