Die Lösungsvorschläge der State-Capture-Kommission.
Auf 200 Seiten hat die State-Capture-Kommission im letzten Teil des Berichts ihre Empfehlungen zusammengefasst. Darin schlägt sie der Staatsanwaltschaft vor, gegen eine ganze Reihe von namentlich genannten Akteur:innen zu ermitteln, die sie korrupter Aktivitäten und damit zusammenhängender Vergehen beschuldigt. Die Kommission drängt zudem darauf, regelwidrig zustande gekommene Aufträge zu überprüfen, die Vergaben gegebenenfalls für nichtig zu erklären und Zahlungen zurückzufordern. Neben dieser juristischen Aufarbeitung der State Capture versucht sich die Kommission jedoch auch an einem Blick in die Zukunft und gibt Empfehlungen ab, wie eine korrupte Unterwanderung des Staates künftig vermieden werden soll. Interessant sind darunter vor allem die Punkte zur geforderten Neuregelung von Auftragsvergaben der Öffentlichen Hand.
Gleich im ersten Unterpunkt fordert die Kommission die Verabschiedung einer „National Charter against Corruption", einem Anti-Korruptions-Grundsatzdokument. Darin, so will es die Kommission, soll die Regierung „in Absprache mit der Wirtschaft" Verhaltensregeln („Code of Conduct") zu „ethischen Standards" bei der Prokuration von Gütern und Dienstleistungen für die öffentliche Hand festlegen. Auch eine genaue Aufstellung der gewünschten Unterzeichnenden einer solchen Charta liefert die Kommission: der Präsident und sein Kabinett, die Ministerpräsident:innen der Provinzen und deren Kabinette, kommunale Behörden, Staatsbetriebe, im Parlament vertretene politische Parteien, andere staatliche Stellen, Wirtschaftsverbände, an der Börse gelistete Konzerne, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Anti-Korruptions-Organisationen. Jeder Staatsangestellte im Beschaffungswesen sowie jede natürliche oder juristische Person, die sich um staatliche Aufträge bewirbt, soll dann per Unterschrift die Einhaltung dieser Standards garantieren. Der Code of Conduct soll zudem durch eine entsprechende Initiative des Parlaments Gesetzesstatus erhalten. Unklar bleibt im Kommissionsbericht allerdings, weshalb eine solche Charta eine stärkere Wirkung als das bisherige Wirtschafts- und Strafrecht haben soll.
Konkreter wird die Kommission da mit der Forderung zur Aufstellung einer unabhängigen Public Procurement Anti-Corruption Agency (Anti-Korruptions-Agentur für Öffentliches Beschaffungswesen). Die Einrichtung soll nicht der Regierung unterstellt sein, landesweite Befugnisse haben und aus dem Parlament sowie durch Abgaben finanziert werden, die auf die Bewerbung um öffentliche Aufträge erhoben werden sollen. Auch zum Aufbau einer solchen Agentur macht die Kommission bereits detaillierte Vorschläge. So sollen in einem Rat fünf Fachleute aus den Gebieten Buchführung, Finanzen und Wirtschaft sitzen, von denen ein Experte für öffentliche Auftragsvergaben von einer Universität kommen soll. Die Auswahl der Kandidat:innen sollen der oberste Verfassungsrichter, die oberste staatliche Rechnungsprüferin und der Finanzminister in einem öffentlichen Prozess treffen. Zur Einrichtung sollen zudem ein Inspektorat, eine Rechtsabteilung, ein Tribunal und ein Gericht gehören.
Mit seiner Arbeit soll der Rat der Agentur Maßnahmen initiieren, um öffentliche Beschaffungswesenssysteme vor Korruption zu schützen, Richtlinien zur Verbesserung von Auftragsvergaben entwerfen, Berichte von Whistleblowern entgegennehmen und diese Informant:innen schützen. Er soll zudem mit bestehenden Kontrollstellen zusammenarbeiten, um Transparenz und Integrität zu schaffen, sowie schließlich regelmäßige Korruptionsberichte für die Öffentlichkeit verfassen, um ein detailliertes Lagebild bereitzustellen. Das Inspektorat soll eine Datenbank zu sämtlichen öffentlichen Stellen, die Aufträge vergeben, aufbauen sowie die dortigen Vergabeverfahren, die Personalien der betreffenden Mitarbeitenden und deren Qualifikationen erfassen. Auch Berichte von Kontrollbehörden und Whistleblowern sollen in die Datensammlung einfließen, ebenso Informationen zu Disziplinarverfahren gegen Mitarbeitende des Beschaffungswesens in öffentlichen Einrichtungen.
Um gegen Korruption zu kämpfen, soll das Inspektorat auch unangekündigte Vor-Ort-Kontrollen vornehmen dürfen. Zudem wird vorgeschlagen, dass es Auftragsvergabeprozesse überprüfen und bei Regelverstößen Änderungen anweisen darf. Bei Nichtbefolgen solcher Anweisungen sowie bei Korruptionsdelikten soll das Inspektorat die Fälle zur weiteren Verfolgung an die Rechtsabteilung übergeben. Die Rechtsabteilung soll sich dann an das Tribunal wenden können, um bei Verstößen beispielsweise Geld zurückzufordern, Personen von öffentlichen Aufträgen auszuschließen oder Mitarbeitenden des Beschaffungswesens die Ausübung ihrer Funktion zu untersagen. Das Gericht soll schließlich Kompensationszahlungen verhängen können und als Berufungsinstitution für Urteile des Tribunals agieren.
Whistleblower sollen unter Anwendung bestehender Gesetze und durch die neu zu schaffende Public Procurement Anti-Corruption Agency stärker geschützt werden. Zudem sollen Anreize für potenzielle Informant:innen geschaffen werden: So schlägt die Kommission vor, dass die Rechtsabteilung der Agentur mit Whisteblowern eine prozentuale Beteiligung an Rückzahlungen öffentlicher Gelder vereinbaren können soll. Zugleich soll Informant:innen, die selbst in Delikte verwickelt waren, im Gegenzug für umfangreiche Aussagen Straffreiheit garantiert werden.
Für Unternehmen will die Kommission derweil ebenfalls ein Instrument schaffen, einer Strafverfolgung zu entgehen, wenn sie sich kooperativ zeigen. Die Regierung soll dafür den gesetzlichen Rahmen für sogenannte Deferred Prosecution Agreements (DPA, deutsch: Vereinbarungen über den Aufschub einer Anklageerhebung) schaffen. Greifen sollen die DPAs, wenn ein Unternehmen eigene Vergehen selbst anzeigt und vollumfänglich mit den Behörden kooperiert, Maßnahmen trifft, um erneute Vergehen auszuschließen, eine Strafe bezahlt oder anderweitig Wiedergutmachung leistet.
Des weiteren empfiehlt die Kommission die Schaffung eines geschützten Berufs des Beschaffungswesensmitarbeitenden sowie einer entsprechenden Berufskammer, der alle Mitarbeitenden im öffentlichen Beschaffungswesen angehören sollen. Diese Kammer soll Kriterien für Ausbildung, Qualifizierung und Berufserfahrung festlegen und ihren Mitgliedern eine Verpflichtung abverlangen, gegen Missmanagement, Verschwendung und Korruption vorzugehen. Die Kammer soll nach Urteilen des Tribunals auch Mitglieder ausschließen können.
In weiteren Punkten mahnt der Kommissionsbericht die Verbesserung der Transparenz bei öffentlichen Auftragsvergaben entsprechend der OECD-Prinzipien an, regt eine Schutzklausel für Buchhaltungsmitarbeitende und Organisationen an, solange sie in guter Absicht und nicht fahrlässig handeln, und schlägt eine Ergänzung des Anti-Korruptionsgesetzes vor, um die Nicht-Verhinderung von Korruption unter Strafe zu stellen. Zudem empfiehlt die Kommission eine Änderung des Parteienfinanzierungsgesetzes, um Spenden an politische Parteien, die mit der Erwartung einer Gegenleistung in Form öffentlicher Aufträge verknüpft sind, unter Strafe zu stellen.
Im zehnten und letzten Punkt ihrer Empfehlungen zur Bekämpfung von Korruption bei öffentlichen Auftragsvergaben schlägt die Kommission eine Reihe gesetzlicher Neuregelungen vor, um öffentliche Auftragsvergaben stärker zu zentralisieren, die dazu bestehenden gesetzlichen Vorgaben besser zu vereinheitlichen, Mitarbeitende bei der Anwendung der Vorgaben besser auszubilden und zu leiten und schließlich jegliche Form des Konzepts eines Generaldienstleisters abzuschaffen.
Zusammenfassen lassen sich die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen unter den Aspekten: 1) stärkere moralische Selbstverpflichtung, 2) stärkere Kontrolle und Strafverfolgung, 3) stärkere Anreize zur Offenlegung von Korruptionsdelikten, 4) bessere Ausbildung und 5) mehr Transparenz. Während der erste Punkt wohl eher unter „gutem Glauben" verbucht werden darf, sind die restlichen Anregungen zusammengenommen der logische Versuch, im Rahmen der bestehenden Macht- und Wirtschaftsverhältnisse eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Da die State-Capture-Kommission aber offensichtlich die Schnittstelle zwischen Öffentlicher Hand und Privatwirtschaft, also die Auftragsvergabeprozesse, als Einfallstor der Korruption identifiziert hat, hätte sie dort mit einer mutigeren Haltung auch eine andere Stoßrichtung zur Korruptionsbekämpfung vorschlagen können: Eine konsequente Wiedereingliederung von professionellen Kapazitäten in die staatlichen Betriebe, um den Einkauf von externen Leistungen, wo immer das möglich ist, überflüssig zu machen. Für eine solche Herangehensweise fehlte aber offensichtlich der politische Wille und möglicherweise in Südafrika – wo der Ruf nach Privatisierungen mit jedem Skandal bei einem Staatsunternehmen lauter wird – auch der gesellschaftliche Rückhalt.