Heft 3/2014, Editorial

Die Würfel liegen beim ANC

DIE PARLAMENTSWAHLEN IN SÜDAFRIKA SIND VORBEI. Sie haben den regierenden ANC deutlich bestätigt. Die künftige Politik in Südafrika wird davon bestimmt, welche Konsequenzen der ANC intern zieht, weniger von den Positionierungen der Oppositionsparteien. Der Zuwachs der stärksten Oppositionspartei DA (Democratic Alliance) ist viel zu langsam, um für den ANC bedrohlich zu werden, zumal dieser Stimmengewinn im Wesentlichen auf Kosten anderer Oppositionsparteien geht.

 

Die klare Botschaft der Wahlen in Südafrika – darin sind sich viele Interpreten der Ergebnisse einig – lautet: Der ANC wird sich der Herausforderung aus seinen eigenen Reihen stellen müssen, um seine Mehrheit zu sichern und nicht zu gefährden. Das heißt letztlich, die südafrikanische Politik gerät erst in Bewegung, wenn es zu erneuten Abspaltungen vom ANC kommt, bis sich schließlich eine glaubwürdige Formation herausbildet, die um die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler kämpft, die zu ihrer Geschichte stehen, nicht jedoch zur aktuellen Führung.

 

Diese Einschätzung, dass die Verschiebung in der Politik wohl nur von Abspaltungen des ANC initiiert werden kann, erklärt im Übrigen die geradezu überspannten Erwartungen, die in die bisherigen drei Abspaltungen gesetzt worden waren, in die UDM (United Democratic Movement), in Cope (Congress of the People) und jetzt in die EEF (Economic Freedom Fighters). In allen drei Fällen erwiesen sich die Abspaltungen als wenig erfolgreich, weil es ihnen nicht gelang, einen erheblichen Teil aus dem ANC-Lager in ihrer Partei mitzunehmen. Die Chancen der EEF wurden zudem erheblich überbewertet. Manche Meinungsmacher waren fälschlicher Weise davon ausgegangen, dass die Armen im Lande unvernünftig genug wären, populistischen Botschaften nachzulaufen. Das zeigt nur den begrenzten Horizont einiger Medienleute.

 

Die kommende Kursbestimmung liegt also in erster Linie beim ANC. Wie er diese Herausforderung in naher Zukunft meistert, hängt von zwei Faktoren ab. Beide sind in der ANC-Familie verortet.

 

Die erste Frage lautet: Wie geht er nach der Wahl mit seinen Fraktionen um? Ein sicherer Sieg kann sich durchaus als Fluch für eine fraktionierte Partei – Bewegung – entpuppen: Er kann einen Kampf um Posten und Positionen auslösen, der – wenn er nicht rechtzeitig unterbunden wird – rasch zu einer Spaltung führen kann. Man darf gespannt sein, ob und wie es dem ANC gelingt, die Kontrolle über absehbare Zusammenstöße zwischen der ambitionierten Provinz KwaZulu-Natal und anderen Provinzen zu behalten. Ferner wird manches davon abhängen, wie es der Partei gelingt, die Verlierer des letzten Parteikongresses mit der Fraktion der Gewinner auszubalancieren.

 

Die zweite Frage lautet: Wird es dem Allianzpartner, dem Gewerkschaftsdachverband Cosatu, gelingen, die internen Kämpfe zumindest einzudämmen? Wenn nicht, kann man mit der Gründung eines neuen Verbandes und einer Arbeiterpartei rechnen. Wenn es Cope nur wenige Monate nach seiner Gründung geschafft hatte, aus dem Stand heraus und trotz mancher strategischer Fehler bei den anschließenden Wahlen auf 7,5 Prozent zu kommen, dann kann man sich vorstellen, dass eine Arbeiterpartei, die sich einige Jahre vor den nächsten Wahlen organisiert, eine echte Herausforderung für den ANC sein könnte.

 

Im Vorfeld der diesjährigen Wahlen hat sich der ANC mächtig ins Zeug gelegt, als er die nachlassende Zustimmung spürte. Er wollte den Wählerinnen und Wählern demonstrieren, dass er ernsthaft an einer Verbesserung der Regierungsführung arbeite. Die Frage ist, ob der ANC aufgrund des wider Erwarten besseren Abschneidens bei der Wahl nun wieder in die alte Selbstgefälligkeit zurückfallen wird. Wird die ANC-Führung das Wahlergebnis dahingehend interpretieren, die Krise sei überwunden und man brauche nicht mehr um Stimmen zu werben? Wird das Gerangel um eine vorteilhafte Position bei der nächsten Kandidatenkür die Führung stärker beschäftigen als die Tuchfühlung zum Wähler? Auf dem Parteitag von 2017 steht die Wahl zum Parteivorsitzenden an, der damit praktisch als Präsidentschaftskandidat des ANC bei den Wahlen 2019 gesetzt ist. Zuma kann dann nicht mehr antreten.

 

Sollte der ANC sich vornehmlich mit der Postenverteilung beschäftigen, dürften wichtige Problemfelder nicht angepackt werden. So würden sicherlich das Interesse und das Bemühen um eine einvernehmliche Übereinkunft mit der Wirtschaft auf der Strecke bleiben, mit der die Probleme von Armut und Ungleichheit wirkungsvoll angegangen werden könnten, ohne die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zu zerstören. Falls die ANC-Vertreter diese Wahlen als Auftrag für eine Politik wie gehabt verstehen, dann dürften sie eine weitere Abspaltung geradezu provozieren, die diesmal die ANC-Majorität ernsthaft gefährden könnte.

 

Die diesjährigen Wahlen haben die Dominanz des ANC an den Urnen nicht gebrochen. Sollte sich der ANC davon aber zu dem Trugschluss verleiten lassen, die von der Politik verursachten Probleme weiter links liegen lassen zu können und seine eigenen Interessen über die des Landes zu stellen, dann wird er sich bei den nächsten Wahlen 2019 auf eine größere Konkurrenz einstellen müssen als in diesem Jahr.

 

Steven Friedman, Direktor des Zentrums für Demokratiestudien an der Rhodes-Universität von Grahamstown