Heft 3/2016, Südafrika: Recht auf Bildung

Forschen und Protestieren in Kapstadt

ICH BIN SONWABISO NGCOWA und arbeite an meinem Masterabschluss in Sozialanthropologie. Dieser breit gefächerte Studiengang an der Universität Kapstadt schult mein kritisches Denken. Denn die hinterfragende Textlektüre, das eigenständige Forschen und reflektierende Schreiben eröffnen mir neue Horizonte. So ebne ich mir neue Wege für meine eigene Weiterentwicklung; mich begeistert das Schreiben über außergewöhnliche Themen.


Für meine BA-Abschlussarbeit habe ich erforscht, warum Frauen Mittel zur Hautaufhellung benutzen. Wir alle wissen, sie sind gesundheitsschädigend. Ethnographische Forschung bedeutet, die Menschen an einer Studie aktiv zu beteiligen. Bei mir waren es fünf Frauen in Khayelitsha; ich habe viel Zeit mit ihnen verbracht, um von ihnen mehr über die Bedeutung der Hautaufhellung zu hören. Dreh- und Angelpunkt ist nicht das Weiß-Werden, sondern sozialer Druck und gesellschaftliche Schönheitsideale – eine hellbraune Haut.


Seitdem beschäftigen mich Fragen von Körperlichkeit, Gesellschaft und Gesundheit, auch mit Blick auf zukünftige berufliche Möglichkeiten, etwa im Bereich interkultureller und internationaler Beziehungen. Meine Masterarbeit werde ich über die ersten tausend Lebenstage von Neugeborenen schreiben. So möchte ich verstehen, wie sich Ereignisse in dieser Zeit auf das spätere Leben der kleinen Individuen auswirken. Ein Kind zur Welt zu bringen und groß zu ziehen, ist in etlichen Fällen keine freie Wahl. Dennoch wird von jungen Müttern erwartet, dass sie ihr Baby stillen. Doch das ist unmöglich, wenn sie den ganzen Tag nichts gegessen haben. Das ist keine Frage der Wahl, sondern eine Folge der Armut. Dies sagt alles über die negativen Langzeitwirkungen der brutalen Gewalt des Kolonialismus und der verbrecherischen Apartheid, darunter leiden die Menschen in Südafrika noch heute.

 

Proteste gegen die Rhodes-Statue
An der Universität Kapstadt – ich habe mich lange schwer getan, von meiner Universität zu sprechen – begannen die Proteste öffentlich sichtbar mit der Aktion #RhodesMustFall (RMF-Kampagne). So schüttete Chumani Maxwele im März 2015 Fäkalien über die Rhodes-Statue auf dem Campus. Doch der Widerstand gegen die Unterdrückung von Afrikanern durch Europäer begann bereits vor Jahrhunderten kurz nach deren Ankunft. So brachte Chumani Maxwele nur die tiefen Schmerzen zum Ausdruck, die Generationen vor ihm erlitten hatten. Die Proteste der Studierenden weiteten sich rasch aus und deckten den Kolonialismus an Universitäten auf.


Bevor man eine Aktion als respektlos gegenüber einzelnen historischen Personen oder gar als gewalttätig anprangert, sollte man über die Gewalt nachdenken, die unterdrückte schwarze Menschen in Südafrika über Jahrhunderte erlitten haben. So kann es als gerechtfertigt gelten, menschliche Exkremente über die Statue eines der schlimmsten Unterdrücker schwarzer Menschen zu schütten, auch wenn man das Abbrennen von Universitätsgebäuden strikt ablehnt, wie ich es tue.


Aktivisten/innen der RMF-Kampagne stürmten das Büro des Vize-Kanzlers der Universität, Dr. Max Price, und verlangten die Entfernung des Denkmals. Über mehrere Tage besetzten sie das Gebäude. Weil die Studierenden nicht nachgaben, stimmte der Senat dem Abbau schließlich zu. Inzwischen entstanden in der RMF-Kampagne Risse. Sie betrafen die Frage der Gewalt, denn einige meinten, schwarze Menschen könnten sich nur durch Gewalt Gehör verschaffen. Auch über Homophobie wurde gestritten, zumal Lesben, die anfänglich die Kampagne anführten, plötzlich verdrängt wurden.


In den Protesten ging es auch um mangelnde Wohnheime und hohe Studiengebühren. Hier solidarisierten sich viele privilegierte weiße Studierende mit schwarzen Kommilitonen. Erstmals wurde ihnen bewusst, wie sehr diese tagtäglich in vielerlei Hinsicht kämpfen müssen. Noch immer werden schwarze benachteiligte Studierende diskriminiert. In der akademischen Welt sind mache weiße Dozenten unwillig oder unfähig, uns Themen verständlich zu erklären. Die Ende 2015 und Anfang 2016 Protestierenden verlangten die Wiederherstellung der Würde schwarzer Menschen.


Der Kolonialismus ist wie mehrere Kilo Salz in der klaffenden Wunde der Unterdrückung, schmerzhaft für die Menschen in den überfüllten Townships, symbolreich in universitären Lehrbüchern, die Unterdrücker der Schwarzen schrieben. So sind wir in unseren fortwährenden Debatten in der Sozialanthropologie stärker als je zuvor am Enterhaken von „race", Reichtum und Armut.


Sonwabiso Ngcowa

 

Der Autor studiert an der Universität Kapstadt, zu seinen Publikationen zählen: Nanas Liebe (2014) und 21 at 21 (2015).