Heft 3/2018, Südafrika

Shower Songs reichen nicht

DIE WASSERKRISE AM WESTERN CAPE OFFENBART WEITREICHENDES POLITISCHES VERSAGEN. Noch ist der „Day Zero", vor dem schon lange gewarnt wurde, nicht eingetreten. Doch um die Katastrophe abzuwenden, braucht es mehr als nette „Shower Songs", mit denen südafrikanische Künstlerinnen und Künstler die Bevölkerung zum Wassersparen auffordern.

Ein altes Sprichwort besagt: „Erst an jenem Tag, an dem dein Brunnen ausgetrocknet ist, wirst du Wasser wirklich zu schätzen wissen." Wie Kapstadt mit dieser Weisheit umgehen wird, lässt sich noch nicht abschließend sagen. Derzeit stützt sich die Wasserversorgung der Stadt vorrangig auf die Reserven in Stauseen. Man verlässt sich darauf, dass im Großteil der Stadt das Wasser weiterhin aus dem Hahn sprudelt. Die Regenfälle im späten März waren mit viel Erleichterung verbunden, aber aus den ausgedörrten Böden wird nur ein geringer Anteil des Regenwassers ins Grundwasser übergehen und die Reservoirs füllen. Prognosen für die Winterregenzeit lassen sich damit nur schwer treffen. Schon jetzt ist aber klar, dass die Landwirtinnen und -wirte im Western Cape zu den Leidtragenden gehören, da durch die Dürre etwa 25 Prozent der Obstplantagen und Weinberge aufgegeben werden mussten und 30.000 Arbeitsplätze verloren gingen.

Zum Jahresbeginn alarmierte der „Day Zero" die Bürgerinnen und Bürger von Kapstadt und machte in drastischer Weise auf die Konsequenzen des Wassermangels aufmerksam: darauf, dass die Wasserversorgung womöglich bald eingestellt und durch Katastrophenschutzmaßnahmen ersetzt werden müsste. Quittiert wurde dies oft mit einem: „Das haben wir schon lange prophezeit." Denn bereits mehr als ein Jahrzehnt zuvor waren zahlreiche Pläne entwickelt (jedoch nicht umgesetzt) worden, die darauf abzielten, mithilfe weiterer Staudämme die Wasserversorgung zu verbessern und lokal verfügbares Grundwasser zu nutzen. Zudem hatte die Provinz Western Cape eine eigene Klimaanpassungsstrategie entwickelt.

Die Krisen in der Infrastrukturplanung und den vorgelagerten Entscheidungsprozessen waren jedoch kein breit diskutiertes Thema in der politischen Öffentlichkeit. Stattdessen hatten politische Querelen in der einzigen südafrikanischen Provinz, die nicht vom Afrikanischen Nationalkongress (ANC) regiert wird, die Debatte dominiert. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen sind nicht abgehakt, aber eine institutionelle Antwort auf die Wasserkrise fehlt weiterhin. Auch darüber, ob dies die ersten dramatischen Konsequenzen des Klimawandels für Südafrika sind, wird zu wenig öffentlich nachgedacht – geschweige denn, inwieweit eine intensivere Nutzung von Planungsinstrumenten wie dem „Local Integrated Development Planning" (ein Bürgerbeteiligungsverfahren, das die demokratische Legitimität sichern soll) Abhilfe schaffen könnte.

Besorgniserregende Wasserversorgung
Der katastrophale Zustand der südafrikanischen Wasserversorgung ist bereits seit langem ein besorgniserregendes Thema. Immer noch haben etwa drei Millionen Menschen keinen Zugang zu Trinkwasser und es gibt zahlreiche Fälle, in denen Abwasser die Trinkwasservorkommen verseucht. Das zuständige Department of Water and Sanitation (DWS) ist vor allem für sein Missmanagement sowie für Korruptionsvorwürfe bekannt. Im Jahre 2014 verzichtete das Ministerium erstmals darauf, seinen „Blue Drop Report", einen Bericht zum Status quo der Wasserversorgung, zu veröffentlichen. Im März 2018 wurde ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum DWS eingerichtet und der langjährig amtierende Minister abgesetzt.

Südafrika ist ein wasserarmes Land und weltweit auf Platz 30 der trockensten Länder. 98 Prozent des verfügbaren Wassers werden für den unmittelbaren Verbrauch genutzt, wobei allein zwei Drittel davon auf landwirtschaftliche Bewässerung entfallen. Ein neuer Report des Institute for Security Studies bilanziert: „Mehr als 60 Prozent der südafrikanischen Flüsse werden übernutzt, und nur ein Drittel der Flüsse sind in gutem Zustand." Die landesweiten Regenfälle erreichten im Jahre 2015 mit 403 mm ihren historischen Tiefpunkt seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahre 1904.

Kapstadt weist zwar hinsichtlich seiner Wasserversorgungsinfrastruktur recht gute Werte auf, und der Wasserverlust über die Leitungen liegt mit nur 11 Prozent deutlich niedriger als im übrigen Land. Auch die Statistiken zu Wasserverbrauch und -versorgung gelten als belastbar. Möglicherweise hat auch die Einrichtung eines Krisenkomitees durch die Bürgermeisterin Patricia de Lille geholfen, das Ruder herumzureißen und gemeinsam Wassersparmaßnahmen umzusetzen. Trotzdem lässt die Wasserkrise ein soziales Problem zutage treten, wie speziell der ANC nicht müde wurde zu betonen: Weiterhin besteht große soziale Ungleichheit beim Zugang zu Wasser; dies betrifft auch eine zuverlässige Versorgung sowie die Wasserqualität. Ein Anwohner der (inzwischen legalisierten) informellen Siedlung Philippi wurde mit den Worten zitiert: „Day Zero haben wir doch schon seit zwei Jahren."

Der Wirtschaftsverband Consulting Engineers SA stellte im Rahmen einer Pressekonferenz Anfang 2018 fest, dass nicht die häufigen Dürren, sondern die mangelhafte Infrastruktur die Wasserkrise hervorgebracht hätten. Kapstadt sei lediglich das erste Opfer eines weitreichenden Staatsversagens in der Wasserpolitik. Neresh Prater, der Präsident der Vereinigung, schlug dem Finanzministerium vor, eine eigene Infrastrukturabteilung einzurichten, um bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen in der Wasserversorgung größere Transparenz zu garantieren. Immer noch ist Südafrika weit davon entfernt, Städte nicht nur als Wasserverbraucher, sondern auch als Wassereinzugsgebiete zu betrachten, und mit der Methode des Integrierten Wasserressourcenmanagements eine lückenlose Versorgung und Aufbereitung zu gewährleisten.

Dringlicher Handlungsbedarf
Schlechte Regierungsführung war zweifellos ein Faktor, der Kapstadts Krisenanfälligkeit entscheidend erhöht hat. Gleichzeitig ist es nur eine zufällige Fügung, dass kräftige Niederschläge in Johannesburg und der gesamten Provinz Gauteng dort ein ähnliches Desaster verhindert haben. Wie Craig Sheraton in der Tageszeitung Business Day berichtete: „Im Oktober 2016 war die Provinz mit einer schweren Dürre konfrontiert und der Bewässerungsspeicher des Vaal-Dammes war nur noch zu 27 Prozent gefüllt." Dieser Damm ist nun bis an den Rand gefüllt, aber dafür befindet sich das Eastern Cape in einer vergleichbar ernsten Situation wie das Western Cape.

Mittlerweile wird deutlich, dass klar identifizierte Risiken selbstgefällig ignoriert wurden. Ein aktueller Artikel des Alternative Information and Development Centre listet zahlreiche Regierungsdokumente auf, darunter zwei Studien aus dem Jahre 2002, die vor Wasserknappheit in Kapstadt warnten. Diese Dokumente empfahlen vor mehr als 15 Jahren Maßnahmen, die jetzt in buchstäblich letzter Minute umgesetzt worden sind: Erschließung neuer Grundwasservorkommen, Wasseraufbereitung und Entsalzung. Schon im Jahre 2011 wurde ein Plan entwickelt, um die geförderte Wassermenge zu erhöhen; dieser wurde aber durch die Stadtverwaltung im Oktober 2015 abgelehnt, da die Kosten als nicht darstellbar erschienen.

Am dringlichsten erscheint der Handlungsbedarf nun in folgenden Feldern: Nachfrageorientiertes Management und Infrastrukturerhalt (dies schließt auch ein, die Versorgungslecks zu schließen), Ausbau und Renovierung der Infrastruktur (inklusive der Nutzung von Grauwasser), Diversifizierung der Wasserressourcen. All diese Aspekte waren schon einmal diskutiert worden, als im Jahre 2008 landesweite Stromausfälle – das sogenannte „load shedding" – Südafrika verdunkelten. Trotzdem ist die Elektrizitäts-Infrastruktur weiterhin von Zentralismus geprägt, und zwei der weltgrößten Kohlekraftwerke (Medupi und Kusile; Anm. d. Übers.) tragen ebenfalls entscheidend zur Übernutzung der Wasserressourcen bei. Wenn diese Dynamik sich fortsetzt, wird dies eine Reihe teils widersprüchlicher Konsequenzen haben:

  • weitere Staudammprojekte, wobei der Wasserverlust durch Verdunstung immens ist,
  • unzureichende öffentliche Gelder, um die Infrastruktur zu erhalten und die Wasserressourcen zu diversifizieren,
  • Fortsetzung eines nachfrageorientierten Wassermanagements, gepaart mit dem Interesse, öffentliche Dienstleistungen zu nutzen, um staatliche Einnahmen zu steigern (höhere Wasserpreise, wenngleich mit Stufentarifen, die die Auswirkungen auf die arme Bevölkerung, die offiziell 50 Prozent ausmacht, zu verringern).
  • Ein wachsendes politisches Interesse, den privatwirtschaftlichen Sektor einzubinden, und damit die Gefahr einer Liberalisierung der Wasserversorgung.
  • Eine ganzheitliche Planung wird weiterhin ein Zukunftstraum bleiben.

Um Christine Colvin mit einer Studie des südafrikanischen WWF (Scenarios for the Future of Water in South Africa) zu zitieren: „Obwohl das Kap weiterhin nur Millimeter von einem Desaster entfernt ist, besteht eine noch größere Gefahr darin, dass die ergiebigen Niederschläge in den übrigen Landesteilen die guten Absichten, besser vorbereitetet zu sein und Wassergovernance zu stärken, buchstäblich wegspülen werden. Deswegen gilt es nun, kritisch zu prüfen, ob die Wasserkrise einen systemischen Wandel induziert hat, durch den wir die Bedeutung von Wasser gebührend wertschätzen und die Transformation hin zu einer wassersparenden Ökonomie beschreiten können."

Richard Worthington

Der Autor ist freier Journalist (u.a. beim Daily Maverick) und seit mehr als 15 Jahren in der südafrikanischen Umwelt- und Klimabewegung aktiv, zuletzt bei Earthlife und dem WWF.
Übersetzung aus dem Englischen von Franziska Müller.

Two Minute Shower Songs:
https://2minuteshowersongs.com/

Report March 2018: 'A delicate balance - Water scarcity in South Africa' by Zachary Donnenfeld, Courtney Crookes and Steve Hedden; https://issafrica.s3.amazonaws.com/site/uploads/sar13-2.pdf