Heft 3/2020, 50 Jahre issa

Die Gründungsphase der issa

IM JUNI 2021 WIRD DIE ISSA 50. Aus diesem Anlass werden wir bis zu den Jubiläumsfeierlichkeiten verschiedene Erinnerungen, Geschichten und Bilder aus der issa-Vergangenheit veröffentlichen. An die Anfangsjahre erinnert sich Peter Ripken, früherer Geschäftsführer und langjähriger 1. Vorsitzender des Vereins.

Wer sich mit dem Jubiläum eines Vereins wie der Informationsstelle Südliches Afrika e.V. (issa), die im Juni 1971 gegründet wurde, auseinandersetzt, hat regelmäßig ein Problem. Geht es um den Anfang, so sind die einigermaßen zuverlässigen Zeitzeugen diejenigen, die an der Gründung beteiligt waren, so sie denn überhaupt noch auskunftsbereit oder -fähig sind. Wenn es nicht machbar ist, in die Archive zu steigen (was recht zeitaufwändig sein dürfte, so sie denn überhaupt an einem Orte zugänglich sind), geht es eben um subjektive Erinnerung. Und diese Erinnerung ist in der Regel gefärbt durch das, was das jeweilige spätere Bild der Entwicklungen ausmacht.

Ich habe immerhin den Vorteil, dass ich bei der Gründung nicht dabei war, weil ich zu der Zeit noch in Afrika tätig war. Erst im Sommer 1973 sprach mich der seinerzeitige Erste Vorsitzende Manfred Kulessa an, mit dem ich schon Ende der 60er-Jahre wegen des Großstaudamms Cabora Bassa in Mosambik, damals portugiesische Kolonie, aneinander geraten war: Ich gehörte zu denjenigen, die Cabora Bassa (Siemens war mit Turbinen beteiligt) als Bollwerk gegen die Befreiungsbewegung Frelimo ansahen; Kulessa, mein damaliger Chef beim DED, der auch aktiv in der Evangelischen Kammer für Entwicklungsdienst war, führte indes nicht-öffentliche Gespräche u.a. mit Siemens.

Kritisches Engagement
Seine Frage war, ob ich nicht Geschäftsführer der Informationsstelle Südliches Afrika e.V. werden wollte, die in finanziellen, wahrscheinlich sogar strukturellen Fährnissen steckte. Diese zu überwinden schien er mir zuzutrauen. Nach gewissem Zögern und Erkundigungen bei einschlägigen internationalen Anti-Apartheid-Organisationen – etwa dem Komitee Zuidelijk Afrika von Sietse Bosgra in Amsterdam, International Defence & Aid Fund und Index on Censorship in London oder dem Washington American Committee on Africa – sagte ich zu. Ich war im Übrigen bereits der dritte Geschäftsführer seit der Gründung 1971. Zuerst amtierte das Gründungsmitglied Christa Brandt, die durch ihre Tätigkeit als Entwicklungshelferin politisch sensibilisiert worden war. Sie symbolisierte einen Strang, der zur Gründung führte: kritisch Engagierte in der „Entwicklungszusammenarbeit". Sie war zudem mit dem legendären Bergweg in Bonn-Beuel verbunden, wo das AGM-Komitee (Angola-Guinea-Bissau-Mosambik-Komitee) residierte, das sich z.T. militant mit dem portugiesischen Siedler-Kolonialismus auseinandersetzte.

Aus diesem Feld kamen auch einige Brüder des Dominikaner-Ordens in Walberberg, die sich nach längerem Aufenthalt in Portugal ab Ende 1973/Anfang 1974 bei der Entwicklung und Produktion der jungen Zeitschrift „informationsdienst südliches afrika" engagierten – z.B. in nächtlicher Arbeit im Kloster Walberberg.

Mit dem portugiesischen Kolonialismus in Afrika beschäftigte sich ganz besonders Eduardo de Sousa Ferreira, der wie Christa Brandt dem Gründungsvorstand angehörte und zahlreiche Bücher zu seinem wissenschaftlichen Fachbereich veröffentlichte, u.a. bei dem issa-Kooperationspartner „Dienste in Übersee". Zu den Gründern gehörte auch Reinhard Spilker, der Bundestagsabgeordneten zuarbeitete und international, besonders in Großbritannien, gut vernetzt war.

Am Anfang der issa stand mithin ein relativ breiter Kreis von Personen, Initiativen, auch Institutionen, deren Motive auch unterschiedlich zu sein schienen. Gemeinsamer Ausgangspunkt war freilich eine Einschätzung: In der Bundesrepublik herrschte in vielen Bereich ein eklatanter Mangel an Informationen zu den Entwicklungen im Südlichen Afrika. Trotz enger Beziehungen einer Reihe von Akteuren (besonders Industrie, historische Kontakte einschließlich Kirchen, relativ große deutsche Minderheiten in Südafrika und Namibia) waren allgemein Einschätzungen von Schieflagen und verkürzten Interessenlagen bis hin zu Vorurteilen geprägt. Die Propaganda des südafrikanischen Apartheid-Regimes war auf verschiedenen Ebenen sehr präsent, derweil weitverbreitete Urteile über Ziele und Aktivitäten der Befreiungsbewegungen oft verkürzt und damit falsch waren. Die meisten Medien hatten zwar Anfang der 60er-Jahre angesichts des „wind of change" und der zahlreichen Unabhängigkeiten der einstigen afrikanischen Kolonien ein gewisses Interesse an Afrika gezeigt, aber differenzierte Berichterstattung blieb weithin aus.

Von der EKD unterstützt
Einem besonderen Problem sah sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) gegenüber. Sie hatte zu den evangelischen Kirchen in Südafrika und Namibia recht enge Beziehungen, wobei in den Kirchen in der Region eine gewisse Spannbreite in Bezug auf gesellschaftliche Entwicklungen herrschte, die in Deutschland nicht immer geteilt wurden. Auch hatte die EKD Missionare nach Südafrika und Namibia entsandt, die mit ihren Einsichten die EKD z.T. erheblich unter Druck setzten (besonders durch den Mainzer Arbeitskreis Südliches Afrika MAKSA).

Eine noch weiter reichende Herausforderung entwickelte sich freilich für die EKD, als der „Ökumenische Rat der Kirchen" das „Programm zur Bekämpfung des Rassismus" beschloss. Dieses Programm war in der EKD umstritten, weil es ein anderes Verhältnis zu den Befreiungsbewegungen propagierte, als es die EKD für vertretbar hielt.

In dieser Gemengelage entstanden Idee und Motivation für die Gründung der issa. Es war daher kein Zufall, dass die Evangelische Kirche mit ihren verschiedenen Gruppierungen von Anfang an issa unterstützte. So beauftragte sie issa bzw. von issa benannte Wissenschaftler mit der Erarbeitung von Studien zu Themen wie z.B. Einwanderung nach Südafrika oder südafrikanische Propaganda in der Bundesrepublik Deutschland.

Unterbliebene Nachrichten verbreiten
Der Auftakt der issa war ehrgeizig und vielversprechend. Die Methoden waren auch vielfältig: Es ging u.a. um den Anspruch, „unterbliebene" oder gar „unterdrückte" Nachrichten/Informationen zur Entwicklung im Südlichen Afrika zu recherchieren, zu sammeln und zu veröffentlichen. Thematisch schloss das auch die Beziehungen zwischen den einzelnen Ländern zu Deutschland ein.

Der Anfang war dabei auch ambivalent: Die Zeitschrift „informationsdienst südliches afrika" war zwar mit hohem Anspruch und dahinter zurückstehenden Möglichkeiten gestartet, kostete indes mehr Geld, als sie einbringen konnte, so dass nur Zuschüsse und Spenden ihr Erscheinen – zu Anfang in sehr begrenzter Auflage – möglich machte. Andererseits wurde der neue Verein relativ früh als Träger des zivilen Ersatzdienstes anerkannt (letztlich auf Grund der Fürsprache von Mitarbeitern des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit BMZ), was die Mitarbeit von Zivildienstleistenden möglich machte, ein wichtiger Faktor für die Personalsituation. Die Bürogemeinschaft mit der vom Auswärtigen Amt (AA) getragenen Deutschen Afrika-Gesellschaft mitten in der Innenstadt Bonns hatte wichtige Vorteile, erwies sich indes auch als Problem, als die Afrika-Gesellschaft vom AA unter Druck gesetzt und aufgelöst wurde.

Das hehre Prinzip, unterdrückte Nachrichten zu verbreiten, war freilich dadurch beeinträchtigt, dass keine hinreichend guten Beziehungen zu Medien aufgebaut werden konnten, auch wenn in Bonn gewisse Kontakte mit Journalisten bestanden.

Die Frage, wie man es mit den Befreiungsbewegungen halten solle, stellte sich in den ersten Jahren durchaus nicht in zugespitzter Form: Es ging im Grunde darum, die Befreiungsbewegungen als Teil eines Prozesses zu betrachten und zu bewerten, der auf demokratische Herrschaft hinauslaufen sollte. Folgerichtig wurden nicht nur Organisationen herausgestellt, sondern eben auch „Bewegungen". Eine der frühen Publikationen (in hoher Auflage, subventioniert für die Verbreitung u.a. auch in Schulen) war dann auch eine mit guten Photos bestückte Analyse der „Black Consciousness-Bewegung", die manchen Freunden des African National Congress (ANC) nicht so sehr gefiel.

Neue Dimensionen in diesem Bereich ergaben sich erst nach der Gründung der Anti-Apartheid-Bewegung (AAB) in Deutschland 1974 und der Teilnahme der issa an den sogenannten Delegierten-Konferenzen in der Mitte der 70er-Jahre, an denen auch Vertreter militanter Solidaritätsorganisationen maoistischer Parteien (wie KBW, KP-Nord, KPD-AO) teilnahmen, die recht bald issa als eine feindliche Organisation ansahen. Es war eine Zeit teilweise absurder ideologischer Auseinandersetzungen. In einer Zeitschrift wurde ich gar als Agent des BMZ, Moskaus und der SPD bezeichnet.

Die Orientierung der issa auf Analyse von Prozessen wurde nicht einfacher dadurch, dass später die Zeitschrift informationsdienst südliches afrika zusammen mit der AAB herausgegeben wurde. Aber das ist eine lange neue Geschichte.

Peter Ripken

Zeitzeugen aus der Solidaritätsbewegung
Interview mit Peter Ripken zur Gründungszeit der issa und die Zeit der Anti-Apartheid-Bewegung auf dem issa-Videoblog: https://www.issa-bonn.org/mediathek/videoblog/