Heft 3/2020, Paradise Watch: Luanda Leaks

Die Selfmade-Prinzessin

Isabel dos Santos und ihr Ehemann Sindika Dokolo haben sich über Jahre hinweg mit unlauteren Mitteln ein Vermögen angehäuft. Westliche Firmen und Banken sahen weg und machten einträgliche Geschäfte mit der Präsidententochter. In Deutschland ist die staatliche Förderbank KfW in diese Geschäfte verstrickt, die nun durch die Luanda Leaks an die Öffentlichkeit geraten sind – und auch ein mittelständisches Unternehmen aus Bayern profitierte vom Geschäft.

Es war einfach zu perfekt, um wahr zu sein. Dynamisch, smart und erfolgreich und überdies weiblich, jung und afrikanisch – so wurde Isabel dos Santos in den vergangenen Jahren häufig als Positivbeispiel eines neuen Afrika dargestellt. Auch sie selbst pflegte gerne ihr Image als Selfmade-Frau. So sprach sie auf internationalen Podien und Kongressen kenntnisreich und in geschliffenem Geschäftsenglisch über Performance, Merit Structure oder die Perspektiven afrikanischer Volkswirtschaften.

»Wenn du hart arbeitest und entschlossen bist, wirst du es schaffen, das ist das Wichtigste. Ich glaube nicht an einen einfachen Weg zum Erfolg.« Mit derlei inspirierenden Zitaten ließ die Frau im schwarzen Blazer, der zu ihrem Markenzeichen wurde, immer wieder durchblicken, wie sie sich allein mit Klugheit, Fleiß und Entschlossenheit ihr Firmenimperium erarbeitet habe. Und das kann sich sehen lassen: Die studierte Elektroingenieurin ist laut Forbes die reichste Frau Afrikas mit einem Netto-Vermögen von immer noch 1,5 Mrd. Dollar, das vor einigen Jahren sogar noch das Doppelte betrug. Gemeinsam mit ihrem Mann Sindika Dokolo, einem Unternehmer und Kunstsammler kongolesisch-belgischer Herkunft, besitzt sie Anteile an einer Telekommunikationsfirma, einer Supermarktkette, einer Diamantenfabrik, einem Multimediaunternehmen und verschiedenen Banken, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Zudem leitete sie für knapp 18 Monate Angolas wichtigste Devisenquelle, die staatliche Erdölgesellschaft Sonangol. Sogar eine eigene Biermarke hat sie gegründet, doch dazu an späterer Stelle mehr.

War niemandem aufgefallen, dass ihr Nachname »dos Santos« zufällig der gleiche war, wie der des langjährigen Präsidenten von Angola? Nein, es war sicherlich kein Geheimnis, dass ihr Vater José Eduardo dos Santos ist, der Mann, der Angola fast vier Jahrzehnte lang von 1979 bis 2017 autokratisch regierte. Sie kam 1973 in der Sowjetunion als Tochter einer aserbaidschanischen Geologin und eines vielversprechenden angolanischen Oppositionellen zur Welt, der damals durch die UdSSR protegiert wurde. Doch anscheinend schienen sich wenige daran zu stören, dass die clevere Geschäftsfrau ihr Firmenimperium unter der helfenden Hand des Vaters errichtete, der ihren Erfolg erst ermöglichte.

Einer, der sich daran störte, war der bekannte angolanische Recherche-Journalist Rafael Marques de Morais, der schon früh die Verquickung von Staat und Geschäft durch die Familie dos Santos kritisierte. Spätestens seit 2013 hätte auch auf internationaler Ebene allen klar sein müssen, auf welche Weise Isabel dos Santos an ihr Vermögen gekommen ist. Damals wurde ein Artikel in der Zeitschrift Forbes veröffentlicht, in dem Rafael Marques und Kerry Dolan die »First Daughter« der Korruption bezichtigten (auch wenn sich Forbes nach massivem Druck durch die angolanische Regierung öffentlichkeitswirksam von Marques distanzierte und ihn auf der Titelseite der nächsten Ausgabe als Lügner bezeichnete). »Soweit wir es nachverfolgen können«, heißt es vernichtend in dem fraglichen Artikel, »stammt jede größere angolanische Investition, an der dos Santos beteiligt ist, entweder von dem Stück eines Unternehmens, das in dem Land Geschäfte machen will, oder von einem Federstrich des Präsidenten, der sie in das Geschehen miteinbezogen hat.«

»Eine orchestrierte Kampagne«

Isabel dos Santos erklärte indessen, die Anschuldigungen gegen ihre Person seien Teil einer »orchestrierten Kampagne durch die aktuelle Regierung« gegen ihre Familie. In einem Interview mit der portugiesischen Online-Zeitung Observador legte sie in Bezug auf ihren Vater großen Wert auf die Unterscheidung zwischen Person und Amt. Tut man ihr also Unrecht und sollte sie stattdessen losgelöst von ihrem Vater betrachten? Schließlich kann man sich die eigenen Eltern nicht aussuchen, auch dann nicht, wenn sie privilegiert sind. Ist sie also bloß eine talentierte Geschäftsfrau, die zufällig in eine einflussreiche Familie geboren wurde, sich aber eigenständig, ehrlich und unabhängig ihr Vermögen erarbeitet hat?

Zahlreiche Dokumente sprechen eine andere Sprache: Offensichtlich hat der mächtige Vater mehrmals wohlwollend auf die Geschäfte seiner Tochter eingewirkt, die ein großes Talent bewies, eine schillernde Fassade zu errichten und ihr Blatt bestmöglich auszureizen. So übertrug er im Jahr 2013 ihren Firmen Urbinveste und Landscape die Lizenz für ein gigantisches Stadterneuerungsprojekt der Hauptstadt Luanda mit einem Umfang von ca. 1,3 Milliarden Dollar. Die katastrophalen Auswirkungen für viele Anwohnerinnen und Anwohner waren verheerend, wie Will Fitzgibbon vom ICIJ in seinem Beitrag »Vertrieben für ein Beach-Ressort« (S. 13-16) aufzeigt. Auch die Ernennung zur Vorsitzenden der staatlichen Mineralölgesellschaft Sonangol 2016 erfolgte persönlich durch ihren Vater gegen Ende von dessen Präsidentschaft. Und nicht zuletzt die Lizenzvergabe an die heute umsatzstärkste Firma des Landes, das Mobilfunkunternehmen Unitel, an dem sie zu 25 Prozent beteiligt ist, lässt ihren Anspruch auf einen selbsterarbeiteten Erfolg äußerst fadenscheinig wirken.

Papas Lizenzen

Der Beginn ihrer märchenhaften Karriere liegt jedoch im Diamantengeschäft. Im Jahr 1999 gründete José Eduardo dos Santos die Angola Selling Corporation und stattete die Firma mit einer Exklusivlizenz zur Vermarktung angolanischer Diamanten aus. Nach dem Erdöl stellt der Export von Diamanten eine wichtige Säule der angolanischen Wirtschaft dar, die besonders während des Bürgerkriegs (1975-2002) von großer Bedeutung war. Einem separaten Unternehmen unter der Leitung von Isabel dos Santos und ihrer Mutter übertrug der Präsident einen Anteil von 24,5 Prozent an Angola Selling Corp. Mit gerade einmal 26 Jahren hielt sie also bereits ohne jede Geschäftserfahrung ein Viertel einer halbstaatlichen Monopolgesellschaft.

Nur etwa ein Jahr später vergab die Regierung dem ICIJ (International Consortium of Investigative Journalists) zufolge eine Mobilfunklizenz an das Unternehmen Unitel, das Isabel dos Santos erst kurz zuvor gegründet hatte. Diese Lizenz erwies sich als äußerst profitabel, denn Unitel hat inzwischen einen Marktanteil von 90 Prozent in Angola und einen Jahresumsatz von 958 Millionen Dollar (Stand 2018). Allein zwischen 2006 und 2015 wurden Dividenden in Höhe von mehr als fünf Milliarden Dollar an die Aktionäre ausgeschüttet. 25 Prozent davon gingen bis vor kurzem an Isabel dos Santos, weitere 25 Prozent an den General Leopoldino Fragoso do Nascimento, genannt Dino. Die restlichen 50 Prozent verteilten sich lange zu gleichen Teilen auf den brasilianischen Telekommunikationsanbieter Oi und den staatlichen Ölkonzern Sonangol, der von 1999 bis 2012 von Manuel Vicente geleitet wurde. Erst im Januar 2020 übernahm Sonangol für 739 Millionen Dollar die brasilianischen Anteile, sodass heute insgesamt 50 Prozent aller Dividenden von Unitel auf Sonangol entfallen. Die Rolle von Leopoldino do Nascimento und Manuel Vicente wird eingehender im Artikel »Die Macht der zweiten Reihe« (S. 17-24) beleuchtet.

Vitamin B

Dieser eklatante Fall von Vorteilsgewährung durch den eigenen Vater bei der Lizenzvergabe sollte jedoch nicht die einzige Verfehlung von Isabel dos Santos als Aktionärin bei Unitel bleiben. Im Jahr 2013 vergab sie als Aufsichtsratsmitglied von Unitel einen Kredit über 460 Millionen Dollar an eine vermeintliche Holding mit dem Namen Unitel International Holdings. Diese Firma mit Sitz in den Niederlanden entpuppte sich später als eine Strohfirma von Isabel dos Santos selbst. Doch auch jenseits von Unitel und dem Diamantengeschäft half Papa dos Santos bei der geschäftlichen Karriere seiner Ältesten nach. So machte der Vater sie mit dem portugiesischen Milliardär Américo Amorim bekannt, der einer ihrer wichtigsten Geschäftspartner werden sollte. Der inzwischen verstorbene und einstmals reichste Mann Portugals hatte das elterliche Korkgeschäft übernommen und so erfolgreich geführt, dass er im Laufe der Zeit in andere Branchen wie Banken, Immobilien und Energie expandieren konnte. Gemeinsam mit der jungen, finanzkräftigen Tochter des angolanischen Potentaten gründete Amorim im Jahr 2005 bspw. die Banco BIC, die heute in Angola als drittgrößte Bank ein Kapital von 4,2 Mrd. Dollar verwaltet. Bis zu seinem Tod im Jahr 2017 hielt er 25 Prozent der Aktien, während auf Isabel dos Santos noch immer 42,5 Prozent der Anteile entfallen.

Wie man sich selbst einen Kredit gibt

Später weiteten die beiden Kompagnons ihre Geschäfte auf die Bereiche Zement, Energie und Immobilien aus. Um die gesamte Wertschöpfungskette des Erdölgeschäfts »von der Produktion bis zur Pumpe« zu kontrollieren, wie ihr Ehemann Sindika Dokolo in einem Radiointerview stolz erzählte, schloss man mit Amorim einen Deal: Gemeinsam mit der Ölgesellschaft Sonangol, die sich unter der Leitung von Manuel Vicente indirekt unter staatlicher Kontrolle befand, gründete Amorim eine Investmentgesellschaft, die ein Drittel des profitablen portugiesischen Energieunternehmens Galp Energia aufkaufte. Sindika Dokolo, der mächtigste Schwiegersohn des Landes, erhielt einen Posten im Vorstand der Gesellschaft und somit die Familie dos Santos gewichtigen Einfluss.

Nur ein Jahr später verkaufte Sonangol 40 Prozent seiner Anteile an Dokolos Unternehmen, die Schweizer Aktiengesellschaft Exem Holding. Von dem eigentlichen Kaufpreis in Höhe von 99 Millionen Dollar erhielt Sonangol lediglich 15 Millionen als Anzahlung durch Exem und gewährte die übrigen 84 Millionen großzügigerweise als Kredit. Dieser Kredit ist immer noch ausstehend, er wäre heute rund 800 Millionen Dollar wert. Dies war das erste große internationale Geschäft von Isabel dos Santos und Sindika Dokolo und zugleich der erste große, fast lehrstückartige Betrug des Paares. Sie hatten es geschafft, sich ein saftiges Stück eines lukrativen Unternehmens einzuverleiben und die Rechnung an die angolanische Bevölkerung weiterzureichen, indem sie sich einfach an der Haupteinnahmequelle des Landes gütlich taten, nämlich an Sonangol. Möglich machte das die Vermittlung und Schirmherrschaft des Vaters und ein Komplize in Portugal, in diesem Fall Américo Amorim. Dieses Muster sollte sich noch bei vielen weiteren Geschäften von dos Santos wiederholen.

Der Streit um die Nachfolge

Als mit dem Einbruch der Ölpreise 2014/2015 auch Angolas extrem erdölzentrierte Wirtschaft in Schwierigkeiten geriet, die Regierung die aufflammenden Proteste mit Repression beantwortete und sich die Herrschaft ihres Vaters nach über einem Dritteljahrhundert ihrem Ende zuneigte, stellte sich die Frage, welchen Platz Isabel dos Santos in der neuen Ordnung einnehmen würde. Als Thronerbe des Präsidenten galt lange Zeit dessen Intimus Manuel Vicente. Dass sein langer politischer Weggefährte 2012 seinen Chefposten bei Sonangol räumte, um Vizepräsident zu werden, nährte entsprechende Spekulationen. Auch Isabel dos Santos jüngerer Halbbruder, José Filomeno dos Santos, galt als aussichtsreicher Kandidat. Die ehemalige sozialdemokratische Europaabgeordnete Ana Gomes äußerte im Interview die Vermutung, dass Isabel dos Santos zu diesem Zeitpunkt bereits selbst Ambitionen auf die Nachfolge ihres Vaters gehegt habe und in Rivalität zu Manuel Vicente geriet. Da passt ins Bild, dass José Eduardo dos Santos seiner Tochter eine Schlüsselposition in der angolanischen Wirtschaft zuwies, noch bevor der bisherige Verteidigungsminister João Lourenço Ende 2016 zur allgemeinen Überraschung zum Präsidentschaftskandidaten der MPLA gekürt wurde: Im Juni 2016 übernahm Isabel dos Santos die Leitung von Sonangol.

Später legte sie Wert darauf, dass man sie nur aufgrund ihrer Geschäftserfahrung ausgewählt habe, mit dem Ziel, die aufgeblähte Bürokratie zu reformieren. Vielleicht hatte der alternde Autokrat dos Santos auch gehofft, sich über seine aktive Amtszeit hinaus Einfluss und Straffreiheit zu sichern, indem er seine Kinder und Vertrauten an wichtigen Schaltstellen in Wirtschaft, Politik und Justiz positionierte. Seinen Sohn José Filomeno etwa, der sich aktuell in Luanda wegen Geldwäsche und Korruption in Untersuchungshaft befindet, hatte er bereits 2013 zum Leiter des fünf Milliarden Dollar schweren staatlichen Ölfonds FSDA ernannt. Über die Verbindungen von »Zénu«, wie der Präsidentensohn gemeinhin genannt wird, zu den Paradise Papers berichtete afrika süd ausführlich im vergangenen Jahr (u.a. Dossier Paradise Watch 1-2019, Angola-Schweiz-Connection).

Freundinnenschaft

Es zeigte sich jedoch schnell, dass Nachfolger Lourenço entgegen den damaligen Prognosen keineswegs beabsichtigte, bloß eine Marionette von dos Santos' Gnaden zu sein. Ob die Motivation seines Handelns letztlich nur strategischer Natur ist, oder ob er ernsthaft versucht, der ausufernden Korruption im Land zu Leibe zu rücken – innerhalb des ersten Jahres kehrte der neue Präsident jedenfalls mit eisernem Besen zahlreiche Familienangehörige und Günstlinge des ehemaligen Präsidenten aus ihren Ämtern. Die Wichtigste unter ihnen war zweifelsohne Isabel dos Santos. Nur wenige Wochen nach Lourenços Amtsantritt musste sie ihren Posten bei Sonangol räumen, nicht jedoch ohne sich den Abschied angemessen zu versüßen: Diesmal bediente sie sich einer »Beraterfirma« namens Matter Business Solutions, die zufällig einer Geschäftspartnerin gehörte. Die Strohfrau, eine 48-jährige Portugiesin mit dem klangvollen Namen Paula Cristina Fidalgo Carvalho das Neves Oliveira und einem beruflichen Hintergrund in Personalberatung, war seit 2009 mit Isabel dos Santos im Geschäft und betrieb mit ihr u.a. ein Nobelrestaurant in Luanda sowie ein Personalbewertungsunternehmen.

Am 7. November 2017, eine gute Woche vor ihrer Entlassung durch den neuen Präsidenten, kündigte Isabel dos Santos ihrerseits plötzlich und ohne Vorwarnung der langjährigen und allseits respektierten Chefin der britischen Niederlassung von Sonangol, Maria Sandra Lopes Julio. Man bedankte sich für die gute Zusammenarbeit, lobte sie sogar für ihre gute Leistung – und ersetzte sie durch eine Schwippschwägerin von José Eduardo dos Santos. Maria Rodrigues, deren Bruder zwischenzeitlich mit der Schwester des Ex-Präsidenten verheiratet war, unterzeichnete nach eigener Aussage in ihrer sehr kurzen Amtszeit als Leiterin von Sonangol UK nur ein einziges Dokument. Sie selbst könne sich nicht erinnern, welches Dokument dies gewesen ist, doch das ICIJ konnte nachweisen, dass es sich um eine Genehmigung für ein überaus großzügiges Beraterhonorar in Höhe von 38 Millionen Dollar an eine gewisse Matter Business Solutions in Dubai handelte. Für Matter unterschrieb Paula Oliveira. Nur eine Woche später, am 15. November 2017, entließ João Lourenço Isabel dos Santos aus ihrem Amt und mit ihr verschwanden noch an ihren drei letzten Arbeitstagen 58 Millionen Dollar ohne Ausschreibung auf Nimmerwiedersehen in Dubai.

Carlos Saturnino, dos Santos' Nachfolger bei Sonangol, sollte drei Monate später auf einer Pressekonferenz schwere Vorwürfe gegen seine Vorgängerin erheben. Er prangerte überhöhte Vergütungen, Interessenkonflikte, Steuervermeidung und eine übermäßige Zahl an Beraterfirmen an. In nur 18 Monaten seien insgesamt 135 Millionen Dollar an 13 verschiedene Consulting-Unternehmen geflossen, der Löwenanteil jedoch an Matter Business Solutions. Unter den 13 Firmen waren auch vier Unternehmen, die schon vorher mit Isabel dos Santos geschäftlich verbunden waren und nun durch überhöhte Consulting-Honorare belohnt wurden: PricewaterhouseCoopers (PwC), die Boston Consulting Group, McKinsey & Co. sowie dos Santos' Lissaboner Anwaltskanzlei Vieira de Almeida.

Abgang unter Krokodilstränen

Dennoch blieb sie weiterhin ein gern gesehener Gast auf Konferenzen, Gipfeltreffen und sogar an Elite-Universitäten, wo sie als lebendiges Beispiel für „Africa Rising" Reden halten und aus dem Nähkästchen ihrer Geschäftserfahrungen plaudern konnte. Das Weltwirtschaftsforum in Davos 2019 lud sie auch dann noch als Gastrednerin ein, als die angolanische Staatsanwaltschaft bereits längst juristische Schritte gegen sie unternommen hatte – erst kurz vor Beginn der Konferenz zog man die Einladung zurück.

Seit Veröffentlichung der Luanda Leaks im Januar 2020 wurden erneut zahlreiche Konten von Angolas einstmals mächtigstem Ehepaar gesperrt, der politische Einfluss in Angola ist anscheinend vollständig erodiert und Lourenço scheint entschlossen, ihre Familie zurückzudrängen. Ihr Bruder sitzt in Luanda in Untersuchungshaft, sie selbst hat sich nach London und Portugal zurückgezogen, um sich der strafrechtlichen Verfolgung in ihrer Heimat zu entziehen. Viele einstige Weggefährten, die bis vor kurzem noch an ihren Geschäften kräftig mitverdient hatten, distanzieren sich inzwischen von ihr. „Schockiert und persönlich enttäuscht" äußerte sich etwa der CEO des Consulting-Riesen PwC, Bob Moritz, obwohl besonders PwC zuvor von Isabel dos Santos' überhöhten Beraterverträgen profitiert hatte.

Berührungsängste gegenüber der milliardenschweren Tochter des Diktators dos Santos hatten damals auch einige internationale Unternehmen, Beraterfirmen und Banken nicht, obwohl andere Institutionen und Firmen sich bereits recht früh von ihr distanzierten. Das ICIJ konnte dokumentieren, dass sich schon in den Jahren 2012 und 2013 die Banken Citigroup, Barclays, Intertrust, ING Bank und Santander aus Geschäften mit Isabel dos Santos und Sindika Dokolo zurückzogen. Sogar die Deutsche Bank, beklagte sich ein enger Berater ihres Ehemanns in einer vertraulichen Nachricht, habe schließlich Bedenken gehabt und daraufhin Dokolos Konten geschlossen und als Korrespondenzbank einige Zahlungen blockiert. Nicht zu schade war sich hingegen noch im Jahr 2015 die staatseigene Kreditbank für Wiederaufbau (KfW), wie ein Rechercheteam der Süddeutschen Zeitung herausfand.

Mein Name ist Hase

Will Fitzgibbon vom ICIJ berichtet, dass Isabel dos Santos bereits 2014 konkrete Pläne hatte, eine Brauerei auf angolanischem Boden zu errichten. Hierzu nahm sie Kontakt mit einem Hersteller von Brauerei- und Abfüllanlagen aus Deutschland auf. Dieser Hersteller ist das börsennotierte Unternehmen Krones AG aus der bayrischen Oberpfalz nahe Regensburg. Der Mittelständler, der sich auf die Herstellung von Maschinen und Anlagen zur Getränkeproduktion, -abfüllung und -verpackung spezialisiert hat, soll sich laut Süddeutscher Zeitung schon früher in Afrika betätigt haben. Sie zitiert einen Handelsvertreter der Firma, der das Geschäft mit Isabel dos Santos vereinbart hatte. Der habe keine Einwände gegen ein Geschäft mit der Tochter des Präsidenten gehabt. Im Gegenteil würden Unternehmen den Angehörigen mächtiger Politiker grundsätzlich eher Vertrauen entgegenbringen, da sie in der Regel zuverlässig zahlten.

Um ihre Biermarke »Luandina« schließlich Wirklichkeit werden zu lassen, suchte Isabel dos Santos nach einer Kreditgeberin und wurde schließlich bei einer Tochter der deutschen Kreditbank für Wiederaufbau fündig, die zu 80 Prozent dem Bund und zu 20 Prozent den Bundesländern gehört. Der Zweck dieser Tochtergesellschaft, der KfW-Ipex, ist es schließlich, Exportgeschäfte der deutschen Wirtschaft zu fördern.

Die KfW-Tochter vergab den Kredit allerdings nicht direkt an Isabel dos Santos, sondern an die angolanische Spar- und Kreditbank BPC (Banco de Poupança e Crédito). Die BPC wiederum gab den Kredit im Jahr 2015 in Höhe von rund 50 Millionen Euro an die Brauereigesellschaft Sodiba (Sociedade de Distribuição de Bebidas de Angola) weiter, die damit die Anlagen bei Krones in Auftrag gaben. Derweil erklärte ihr Vater im Präsidentenpalast ihre Brauereigesellschaft zu einem Projekt von nationalem Interesse und erließ Sodiba per Dekret für die ersten zehn Geschäftsjahre alle Steuerlasten.

Dass Isabel dos Santos an der Spitze von Sodiba stand, will Krones bei Abschluss des Geschäfts nicht gewusst haben, wie das Unternehmen auf Anfrage erklärte. Allerdings war diese Information für jeden, den es interessierte, im angolanischen Amtsblatt öffentlich einsehbar. Auf Krones' Website tönt es korrekt und tugendsam, man betrachte »rechtmäßiges, ethisches und verantwortungsvolles Handeln als wichtigen und unverzichtbaren Teil unserer unternehmerischen und gesellschaftlichen Verantwortung«. Doch so genau wollte man es mit der Verantwortung bei der Auswahl seiner Geschäftspartnerin dann doch nicht wissen. Ebenso wenig wie die KfW und viele andere, die das System und die Maskerade der Isabel dos Santos überhaupt erst möglich gemacht haben.

Daniel Düster


 Ärger für die KfW

Es ist nicht das erste Mal, dass die Auslandsgeschäfte der KfW in die Kritik geraten. Bereits 2015 und 2019 gab es Anfragen der Linken-Bundestagsfraktion an die Bundesregierung bzgl. der Kreditvergabe der KfW-Bankengruppe an Projekte, die in Zusammenhang mit Menschenrechtsverstößen und Umweltverbrechen in Kolumbien, Honduras, Panama, Mali, Äthiopien, Sambia und der DR Kongo standen. Bei einem Staudamm-Projekt in Kolumbien, das die KfW teilfinanziert hatte, ist es bspw. laut einer lokalen NGO zu Vertreibungen der ansässigen Bevölkerung sowie zu Morden an Gegnern des Projekts gekommen.

Die neuerlichen Erkenntnisse durch die Luanda Leaks werfen wiederum ein schlechtes Licht auf die Kreditbank für Wiederaufbau. Infolgedessen hat die FDP-Fraktion im Bundestag eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, welche nationalen und europäischen Regularien zur Kreditvergabe bestanden und warum damals nicht strenger geprüft wurde. In ihrer Antwort stritt die Bundesregierung jede Verantwortung der Ipex ab und zog sich darauf zurück, dass man sich im legalen Rahmen bewegt habe. Auch der gute Ruf der Krones AG als »reputierlicher Exporteur« habe dazu beigetragen, dass man keinerlei Bedenken gehabt habe. Man gab lediglich an, ab jetzt würden auch bei sogenannten »Onlending«-Krediten die Endbegünstigten geprüft werden. Bereits im Januar hatten die für die Aufsicht der KfW zuständigen Ministerien für Wirtschaft und Finanzen die KfW-Ipex ermahnt, bei der Prüfung »mit Blick auf das Compliance- und Reputationsrisiko-System der Ipex dort wo notwendig auch über die gesetzlichen Anforderungen hinauszugehen«. Darauf habe der Vertreter der Bundesregierung bei einer Sitzung des Prüfungsausschusses gedrungen.

Die Ipex versprach, den Fall zum Anlass zu nehmen, weitere Maßnahmen zu prüfen. Die Bundesregierung vermeidet also bislang – abgesehen von ihrer väterlichen Ermahnung – konkrete Maßnahmen bzw. gesetzliche Vorgaben, um die KfW in Zukunft an der Zusammenarbeit mit dubiosen Geschäftspartnerinnen und -partnern zu hindern. Der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold (siehe Interview) sprach in diesem Zusammenhang von einer eklatanten Verletzung der Aufsichtspflicht und forderte, alle Auslandsgeschäfte der KfW seit Verschärfung der europäischen Geldwäscherichtlinien 2007 umfassend zu überprüfen. Doch während die Bundesregierung noch versucht, die Wogen zu glätten, hat sich unterdessen die Justiz eingeschaltet. Übereinstimmend berichteten mehrere Medien, dass Polizei und Staatsanwaltschaft wegen Untreue gegen die KfW-Ipex ermitteln und bereits Anfang Mai eine Durchsuchung der Geschäftsräume vornahmen. Dies nährt die Hoffnung, dass die Enthüllung der Luanda Leaks nicht umsonst war und auch in Deutschland Konsequenzen gezogen werden.

Daniel Düster