Heft 3/2020, Mosambik

Dschihadistische Rebellion in Nordmosambik

MOSAMBIK IST DIE JÜNGSTE FRONT DES DSCHIHADISMUS IN AFRIKA. Der Konflikt in der Nordprovinz Cabo Delgado hat an Intensität zugenommen und birgt wegen der Unterstützung durch andere dschihadistische Gruppen erhebliche Risiken für die Ausbreitung auf andere Länder. Dies ist der letzte Teil einer Folge von Beiträgen des Autors, die sich mit der potenziellen Ausbreitung des Dschihad in das zentrale und südliche Afrika beschäftigen. In afrika süd Nr. 1, 2020, berichteten wir über die Zentralafrikanische Republik, in Ausgabe Nr. 2, 2020, über die DR Kongo als mögliche „neue Filiale des Islamischen Staates".

Mosambik ist ein weiteres Expansionsgebiet des Dschihadismus in Afrika. Alles begann dort im Oktober 2017 mit einem Angriff auf die Polizeistation Mocimbo da Praia in der Nordprovinz Cabo Delgado, die zu 58 Prozent muslimisch ist. Die an Tansania angrenzende Provinz ist gleichzeitig eine der am wenigsten entwickelten des Landes, aber auch eine der reichsten nach der Entdeckung riesiger Offshore-Erdgasvorkommen.

Seit 2017 haben die dschihadistischen Angriffe nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen 700 Tote und über 160.000 Vertriebene gefordert. Die Angriffe wurden einer islamistischen Gruppe namens „Ahlu Sunnah Wa-Jama" (ASWJ) zugeschrieben, die von der lokalen Bevölkerung „al-Shabaab" genannt wird, aber ohne offensichtliche Verbindung zu der somalischen Gruppe, die der al-Qaida angeschlossen ist. Diese mosambikanische Gruppe, deren Zahl auf etwa eintausend Kämpfer geschätzt wird und die in kleinen dezentralen Einheiten operiert, hat offensichtlich das Ziel, eine unabhängige Organisation zu schaffen. Genaueres weiß man aber nicht, weil es keine offiziellen Erklärungen ihrer Führer gibt.

Obwohl die Wurzeln des Konflikts lokal begrenzt sind, wie Jessemusse Cacinda in der letzten Ausgabe von afrika süd (Nr. 2, 2020) feststellte, haben die mosambikanischen Dschihadisten ebenso wie die Kämpfer der Allied Democratic Forces (ADF) in der DR Kongo internationale Verbindungen. Im Juni 2019 hat der Islamische Staat (IS) zum ersten Mal in einem Kommuniqué die Verantwortung für einen Angriff der „Soldaten des Kalifats" gegen die „Kreuzritter" der mosambikanischen Streitkräfte übernommen. Im Mai 2018 erklärte ein Vertreter der Afrikanischen Union, dass der IS seine Reichweite auf Ostafrika und Mosambik ausgedehnt habe.

Unbestreitbar stammt die Mehrheit der ASWJ-Kämpfer aus der Provinz Cabo Delgado. Die Organisation hat aber auch Verbindungen zur ADF, deren Gründer aus Uganda stammen. Ein Beweis dafür ist die Verhaftung von acht Ugandern im Jahr 2018 durch das mosambikanische Militär (Forças de Defesa e Segurança, FDS) in einem Rebellentrainingslager der Provinz. Einer von ihnen war der ehemalige Imam der Usafi-Moschee in Kampala, Abdul Rahman Faisal Nsamba.

Verbindungen nach Tansania...
Weitere Verbindungen wurden zu Tansania hergestellt, was aufgrund der kulturellen Nähe nicht überrascht. Die Muslime im Norden Mosambiks sprechen Swahili, das in Tansania eine Nationalsprache ist. Darüber hinaus wird Ahlu Sunnah im lokalen Sprachgebrauch manchmal auch als Swahili Sunna bezeichnet. Die meisten Aufständischen gehören der überwiegend muslimischen Volksgruppe der Mwani an, der wichtigsten Ethnie in der Provinz Cabo Delgado. Sie ist auf beiden Seiten der Grenze angesiedelt und schafft damit die Voraussetzungen für eine Expansion innerhalb des tansanischen Territoriums.

Es gibt Anzeichen dafür, dass eine solche Expansion bereits stattfindet. Am 13. November 2019 gab es einen ersten grenzüberschreitenden Angriff von in Mosambik ansässigen Dschihadisten auf ein tansanisches Grenzdorf, bei dem die Rebellen sechs Menschen exekutierten. Laut James Barnett, politischer Analyst am American Enterprise Institute, ist Tansania ein Land, das für die Expansion der Salafi-Dschihad-Bewegung anfällig ist. Zwischen 30 und 40 Prozent seiner Bevölkerung sind Muslime, gegenüber 18 bis 20 Prozent in Mosambik.

Bisher hat es in Tansania noch keinen organisierten Dschihad-Aufstand gegeben. Aber das Land ist ein Zufluchts- und Rekrutierungsort für militante Salafi-Dschihadisten, die in den Nachbarländern operieren. Einige der Militanten im Norden Mosambiks sind Tansanier. Und zwei tansanische Aktivisten wurden im Dezember 2018 in Cabo Delgado verhaftet, während die Behörden in Daressalam Dutzende von Männern festnahmen, die versuchten, die Grenze zu überqueren, um dschihadistische Ausbildungslager in Mosambik zu erreichen. Außerdem bilden die Tansanier eines der größten Kontingente der Shabaab-Kämpfer in Somalia.

Nach Ansicht des US-Forschers könnten die sich verschlechternden politischen Bedingungen in Tansania neue Möglichkeiten für den salafistischen Dschihadismus schaffen, seinen Einfluss dort auszuweiten, insbesondere auf dem zu 99 Prozent muslimischen Sansibar-Archipel. Dort wurde 2013 ein katholischer Priester erschossen und ein weiterer von muslimischen Extremisten enthauptet. Die christlichen Führer Tansanias sind besorgt. In den letzten Monaten häuften sich ihre Vorwürfe gegenüber Saudi-Arabien, islamische Prediger in das Land zu entsenden, um die Scharia zu verbreiten.

... und Südafrika
Es gibt auch eine Verbindung nach Südafrika. Im August 2018 verhafteten die mosambikanischen Behörden den 60 Jahre alten Südafrikaner André Mayer Hanekom, genannt „Baba Mzungo" („weißer Papa"), der für die Lieferung von Waffen, Medikamenten und Bargeld an die Rebellen verantwortlich war und es der ASWJ ermöglichte, ihren Kämpfern Gehälter zu zahlen. Er starb im Januar 2019 unter ungeklärten Umständen in Polizeigewahrsam.

Die Existenz einer solchen südafrikanischen Verbindung kommt nicht von ungefähr, denn die Präsenz von Islamisten im Nachbarland ist nicht neu. Laut Hussein Solomon, Professor für Politikwissenschaft an der Universität des Free State, geht die Präsenz von al-Qaida in Südafrika auf das Jahr 1997 zurück. Die britische Terroristin Samantha Lewthwaite alias „White Widow", die verdächtigt wird, an dem Anschlag auf das Westgate Trade Center in Nairobi im September 2013 beteiligt gewesen zu sein, benutzte einen südafrikanischen Pass. Sie hielt sich zwei Jahre in Südafrika auf, um von dort aus Geldtransfers von London an somalische al-Shabaab-Mitglieder in Südafrika zu organisieren.

Nach Angaben südafrikanischer Geheimdienstquellen wurden 2007 und 2010 zwei Selbstmordanschläge von al-Qaida in dem Land vereitelt. Einer von ihnen zielte auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Kapstadt. Der berüchtigte britische Terrorist „Jihadi John" (mit richtigem Namen Mohammed Emwazi), der in mehreren Videos zur Enthauptung von IS-Geiseln in Syrien zu sehen war, versuchte 2009 in Südafrika Zuflucht zu suchen. Er stützte sich dabei auf lokale Netzwerke, wurde aber in Tansania geschnappt, als er versuchte, ein Flugzeug nach Johannesburg zu besteigen.

In Südafrika profitieren islamistische Terroristen von dem Gefühl, dass der Westen in seinem Krieg gegen den Dschihadismus eine versteckte Agenda verfolgt, meint Anneli Botha vom Institut für Sicherheitsstudien in Pretoria. Tatsächlich wurde der Dschihad als eine Widerstandsform im Anti-Apartheid-Kampf angesehen. Botha erinnert daran, dass die Claremont Muslim Youth Association und die Cape Muslim Youth Movement 1961 eine Erklärung mit dem Titel „Call of Islam" veröffentlicht hatten.

Dschihadismus oder Bauernrevolte?
Trotz dieser ausländischen Verbindungen hält Yussuf Adam, Geschichtsprofessor an der Eduardo-Mondlane-Universität Maputo, den externen Einfluss bei der Unterstützung der mosambikanischen Dschihadisten für gering. Er verweist darauf, dass die Rebellen den größten Teil ihres Waffennachschubs vom FDS-Militär erhielten. Adam räumt jedoch ein, dass einige der Aufständischen in den 1980er-Jahren nach Afghanistan reisten, um gegen die Sowjets zu kämpfen. Doch trotz der Behauptungen des Islamischen Staates hält es Adam für Unsinn, von Dschihadismus zu sprechen, nur weil die Aufständischen der muslimischen Gemeinschaft angehören. So sieht er die Bewegung in ihrem Wesen eher als eine Revolte von Bauern, die sich ausgebeutet und diskriminiert fühlen.

Ungeachtet der Bedeutung der ausländischen Unterstützung ist Hilary Matfess, Forscherin an der Universität von Yale, der Meinung, dass Mosambik, auch wenn es derzeit mit einem Terrorismusproblem von relativ geringer Größe konfrontiert ist, durch die Brutalität der Repression Gefahr läuft, die Bevölkerung der Provinz Cabo Delgado gegen die Regierungstruppen aufzubringen. Sie verweist auf die Schließung mehrerer Moscheen und die Inhaftierung von 300 Menschen ohne Gerichtsverfahren seit den ersten Anschlägen vom Oktober 2017. Human Rights Watch hat den mosambikanischen Sicherheitskräften außerdem willkürliche Inhaftierungen, schlechte Behandlung und Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren vorgeworfen.

Es gibt zudem Zeugenaussagen über Entführungen und das Verschwindenlassen von Personen. So ist etwa mit Scheich Kada Smaleh ein einflussreicher lokaler Religionsführer nach seiner Verhaftung durch das Militär im Januar 2020 verschwunden. Es gibt auch Fälle von Folter an Fischern und Journalisten, denen das Militär seit Juni 2018 den Zugang zum Gebiet verboten hat. Im März 2020 sah sich der stellvertretende Generalstaatsanwalt Américo Julião genötigt, auf die Einhaltung der Menschenrechte bei Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus in Cabo Delgado zu pochen.

Die Rekrutierung von 200 russischen Söldnern der Firma Wagner durch die mosambikanische Regierung führte nicht zu den erwarteten Ergebnissen. Nach dem Tod von einem Dutzend von ihnen mussten sie sich aus Cabo Delgado zurückziehen, wie die Londoner Times im November 2019 berichtete.

Frage der Ausrufung eines Kriegszustands
Die wirtschaftlichen Folgen der Sicherheitskrise sind beträchtlich. Ende 2019 stufte die Standard Bank ihre Prognose für Mosambiks BIP-Wachstum im Jahr 2020 um 0,3 Prozent auf 3,4 Prozent herab. Bisher hat die mosambikanische Regierung gezögert, den Kriegszustand auszurufen. Anfang März 2020 argumentierten Mitglieder der mosambikanischen Anwaltskammer, eine solche Erklärung des Kriegszustands in Cabo Delgado, wie sie vom Präsidenten der oppositionellen Demokratischen Bewegung Mosambiks, Daviz Simango, befürwortet wird, sei möglicherweise nicht ratsam, da das Gebiet große ausländische Investitionen beherberge. „Es würde das Bild eines Gebietes im Kriegszustand vermitteln, und ein Gebiet im Kriegszustand ist kein Gebiet für Investitionen", erklären die Anwälte. Gleichzeitig räumt der ehemalige Vorsitzende der Anwaltskammer, Tomás Vieira Mário, ein, dass im Falle einer Kriegszustandserklärung „vielleicht die Vorteile in einer deutlicheren, stärkeren Mobilisierung der Verteidigungs- und Sicherheitskräfte, nämlich der Armee, liegen würden. Was angesichts der Undurchsichtigkeit, mit der die militärische Operation in diesem Gebiet abläuft, vielleicht nicht geschieht."

Aber der Druck nimmt zu. Nach Angaben der südafrikanischen Terrorismus-Spezialistin Jasmine Opperman führen die Rebellen immer gewagtere und raffiniertere Angriffe durch. Die Kämpfer der ASWJ ignorieren systematisch alle Dialogangebote von Präsident Filipe Nyusi.

Am 23. März starteten sie einen Angriff auf die 30.000-Einwohner-Stadt Mocimbo da Praia, die 90 km von einem Erdgas-Megaprojekt entfernt liegt, und zwei Tage später griffen sie die kleinere Stadt Quissanga an. Beide Städte wurden kurzzeitig von den Rebellen besetzt, die alle offiziellen Gebäude und viele Häuser der Einwohner zerstörten, was einen Exodus von mehr als 4.000 Menschen in die Provinzhauptstadt Pemba auslöste, die sie hauptsächlich per Boot erreichten (vgl. afrika süd Nr. 2, 2020).

Der mosambikanische Verteidigungsminister Jaime Neto versuchte am 27. März, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und wies den Gedanken zurück, die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte des Landes würden versagen. Aber er nannte die bewaffnete Gewalt eine „sehr große Herausforderung", nicht nur im Norden des Landes, sondern auch im Zentrum, wo die ehemaligen Guerillas des Mosambikanischen Nationalen Widerstands (Renamo) ihre Rebellenaktivitäten im August 2019 wieder aufgenommen haben.

François Misser

Der Autor ist in Brüssel ansässiger Experte für Zentralafrika und Korrespondent für den BBC und verschiedene Zeitungen.


SÜDAFRIKANISCHE SICHERHEITSFIRMA GREIFT IN KÄMPFE EIN
Der Konflikt in Cabo Delgado eskaliert weiter. Am 21. April 2020 informierte die mosambikanische Polizei die Presse, dass die Aufständischen in der ersten Aprilwoche in dem Dorf Xitaxi 52 junge Männer massakriert hätten, weil sie sich geweigert hatten, sich den Rebellen anzuschließen.

Nachdem sich die russische Söldnerfirma Wagner wegen des Scheiterns ihrer Mission im März aus Mosambik zurückgezogen hatte, versuchten nach einem Bericht von „Daily Maverick" private südafrikanische Militärfirmen und die mosambikanische Luftwaffe mit Luftangriffen gegen die islamistischen Extremisten vorzugehen. Leichte Kampfhubschrauber hätten laut Sicherheitsquellen am 8. April einen Stützpunkt der Dschihadisten der Ahlu Sunnah wa-Jamaa bei Muede beschossen und tags drauf ihre Stützpunkte in Mbau im Awassi-Distrikt und in Muidumbe angegriffen. In dem Bericht heißt es weiter, ein Hubschrauber der DAG Gazelle sei zu einer Notlandung gezwungen worden, nachdem er bei einem Angriff auf die Aufständischen von Schüssen getroffen worden war. Die Besatzung zerstörte den Hubschrauber, um zu verhindern, dass er in feindliche Hände geriet.

Laut „Daily Maverick" hat die private südafrikanische Sicherheitsfirma Dyck Advisory Group (DAG) ihren Sitz in Südafrika, befindet sich aber im Besitz des ehemaligen simbabwischen Militäroberst Lionel Dyck, von dem angenommen wird, dass er dem simbabwischen Präsidenten Emmerson Mnangagwa nahesteht. Um weiter in Mosambik aktiv zu sein, müsste die DAG eine Genehmigung von den südafrikanischen Behörden beantragen, da ihr Einsatz nach dem südafrikanischen Gesetz zur Regelung der ausländischen Militärhilfe (Regulation of Foreign Military Assistance Act) sonst illegal ist.