Heft 3/2020, Editorial

Präsident Xis neue Afrika-Offensive

Anlässlich der (virtuellen) WHO-Versammlung am 18. Mai 2020 machte der chinesische Staatschef Xi Jinping die Aufrechterhaltung der diplomatischen Beziehungen in Afrika zu einem Kernstück seiner Eröffnungsrede. Xi kündigte an, der WHO für die Länder des globalen Südens in den nächsten zwei Jahren zwei Milliarden Dollar als Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Er verpflichtete sich, 30 Krankenhaus-Patenschaften zu begründen, neue Hospitäler zu bauen, eine panafrikanische Gesundheitsbehörde auf dem Kontinent einzurichten und schnellstmöglich die Produktion eines erschwinglichen Covid-19-Impfstoffes zu unterstützen – sobald ein solcher denn gefunden ist.

Während sich die EU und die Gates-Foundation – nicht unumstritten – als traditionell große Geber für Afrika darauf konzentrierten, die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen, ging Xi jetzt dazu über, China als weltweiten Führer im Gesundheitsbereich neu zu positionieren. Er erinnerte daran, dass die Volksrepublik in den letzten 70 Jahren über 200 Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner medizinisch behandelt habe.

Vordergründig geht es Xi natürlich darum, die chinesische Führung auf dem afrikanischen Kontinent zu zementieren, die Unterstützung des Kontinentes zu sichern und die Kritik vieler Afrikaner an rassistischen Übergriffen der vergangenen Wochen in der VR China den Wind aus den Segeln zu nehmen. Chinas diplomatische Beziehungen zu afrikanischen Nationen reichen bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts zurück. Jedes Mal, wenn die USA oder der Westen ihre Kritik an China verschärften, konnte sich Präsident Xi auf seine „All-Weather-Friends" verlassen. Die Afrikanische Union und ihre Mitglieder stärken das Image und die Position Chinas immer zuverlässig.

Noch bis vor kurzem hatte kein afrikanisches Staatsoberhaupt Chinas verhaltene Reaktion auf die Ausbreitung des Virus öffentlich kritisiert. Im April versandten dann zahlreiche afrikanische Botschafter in einer beispiellosen diplomatischen Aktion einen gemeinsamen Brief an Peking, in dem sie Antworten auf die Misshandlung afrikanischer Einwohner in China während der Coronavirus-Krise forderten. Mitte Mai unterzeichnete die afrikanische Gruppe der WHO eine von der EU entworfene und von mehr als 100 Ländern unterzeichnete Resolution, in der eine unabhängige Untersuchung der Coronavirus-Pandemie gefordert wird.

Nicht nur durch die Misshandlung von Afrikanerinnen und Afrikanern in China hatten sich die Beziehungen zwischen vielen afrikanischen Ländern und China verschlechtert. Bereits vor dem Ausbruch der Covid-19-Krise zeigte China bei Investitionen eine neue, vorsichtigere Herangehensweise. Nach Jahren der Großzügigkeit, in denen alleine zwischen 2000 und 2018 Kredite in Höhe von 140 Mrd. US-Dollar für Straßen und Häfen bis hin zu Fußballstadien und Parlamentsgebäuden an Afrika vergeben wurden, hatte Peking bei einigen Infrastrukturprojekten eine Pause eingelegt und andere Bedingungen für die Finanzierung gefordert. Höchst bemerkenswert war es, dass sich Peking, nachdem es Kenia 3,6 Mrd. Dollar für den ersten Abschnitt einer Eisenbahnlinie zur Anbindung an einen noch zu realisierenden ostafrikanischen Eisenbahn-Masterplan geliehen hatte, geweigert hatte, den nächsten Teil der Strecke mit 3,5 Mrd. Dollar zu finanzieren, da das Projekt aufgrund von Schuldenproblemen nicht wirtschaftlich tragfähig sei.

Da sich die VR China durch die anfangs intransparente Bekämpfung des Covid-19-Virus auf der Weltbühne zu Jahresbeginn zunehmend isolierte, machte Xi in seiner Rede deutlich, wie wichtig die Unterstützung der afrikanischen Nationen für Peking sei. Da insbesondere die USA weiter die Vermutung anheizen, Peking sei an der Verbreitung von Covid-19 schuld, ist die Unterstützung Afrikas einmal mehr von entscheidender Bedeutung, wenn China nach Abklingen der aktuellen Pandemie zukünftig tatsächlich eine führende Rolle in der globalen Gesundheitspolitik einnehmen will.

Im März und April 2020 exportierte China medizinische Hilfsgüter im Wert von ca.10 Milliarden US-Dollar in die ganze Welt, darunter etwa 30 Milliarden Masken, um den Kampf gegen das Coronavirus zu unterstützen. Teilweise wurden diese Masken aus Südafrika zu günstigsten Preisen importiert. Viele europäische Diplomaten sprechen mittlerweile von „Masken-Diplomatie" – politischer Einfluss durch eine „Politik der Großzügigkeit", so der Chef der Außenpolitik der EU, Josep Borrell.

Bisher (Stand Mai) scheint das Virus den afrikanischen Kontinent, im Vergleich zu den USA und Lateinamerika, nicht so stark zu erschüttern. Aber eine echte Coronavirus-Krise in Afrika könnte nicht nur Chinas Leistung als weltweit führende Gesundheitsnation auf die Probe stellen, sondern auch zeigen, wie tief die „Freundschaft auf Augenhöhe" wirklich ist.

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, wird der alle drei Jahre abgehaltene EU-Afrika-Gipfel in Brüssel im Herbst 2020 jetzt zu einer echten Herausforderung.

Jürgen Langen