IN DER ZWICKMÜHLE ZWISCHEN GLOBALER STRUKTUR UND LOKALEN REALITÄTEN. Die Herausforderungen der Covid-19-Pandemie verdeutlichen die Dilemmasituation, in der sich afrikanische Länder befinden.
Wenn man in der Welt außerhalb des afrikanischen Kontinents an Afrika denkt, kommt einem sofort eine Vorstellung von Afrika in den Sinn, die, pauschal gesprochen, größtenteils durch Vorurteile des kolonialen Diskurses – wie es auch der indische Theoretiker Homi Bhabha diskutiert – bestimmt ist. Dieses idealisierte Afrika, zeigt sich hartnäckig im Imaginären der Außenwelt. Die Pluralität und Vielfalt des Kontinents, sowohl in Bezug auf die Länder als auch auf die Menschen, aus denen er besteht, scheinen schwer vorstellbar. In Erscheinung tritt er einerseits als eine Bühne des Leidens, als Orte, an denen nichts als Krisen, Konflikte und Katastrophen zu sehen sind (die berühmten „drei Ks Afrikas"). Auf der anderen Seite wird der Kontinent mit der Vorstellung verbunden, dass auf ihm nur Löwen, Giraffen, Vegetation und „Stämme" leben. In dieser Hinsicht sollten wir uns daran erinnern, dass trotz der Komplementarität und – wie es der westafrikanische Philosoph Paulin Hountondji ausdrückt – Afrika ein Aspekt ist und Afrikanerinnen und Afrikaner ein anderer. Ersterer ist eine vage und nebulöse Idee, denn er entspricht geographischen Grenzen, wie zum Beispiel Europa und Amerika. Der zweite sind Menschen aus Fleisch, Knochen und Nervensystem.
Durch die Wege der Kolonisierung wurden die Menschen in eine Welt gedrängt, in der die Ordnung „Entwicklung" heißt und in der sie gezwungen sind, etwas zu erreichen. Sie befinden sich quasi „zwischen Kreuz und Schwert" (entre a cruz e a espada). Dieser merkwürdige Ausdruck bezieht sich vermutlich auf die Zeit der christlichen Kreuzzüge. Sich in dieser Zeit „zwischen Kreuz und Schwert" zu befinden, bedeutete daher eine Situation, in der man entweder akzeptierte, sich zum Christentum zu bekehren und gerettet zu werden, oder aber seinen Glauben an die eigene Religion zu bewahren und getötet zu werden. Denn wer sich nicht bekehrte und zur römisch-katholischen Religion bekannte, wurde ohnehin als Ketzer betrachtet.
Im übertragenen Sinne scheint der Ausdruck viel über unseren Zustand als Afrikanerinnen und Afrikaner in einer globalen Welt zu sagen, die durch Referenzen außerhalb des eigenen Kontinents globalisiert worden sind. Dies zeigt sich insbesondere, wenn der Kontinent mit potenziell globalen Krisen wie der Covid-19-Pandemie konfrontiert ist.
In doppelter Zwangslage
Im weiteren Sinne könnte uns der Ausdruck somit auf die Vorstellung eines Dilemmas verweisen, also auf eine Situation schwieriger Entscheidungen oder der Wahl zwischen zwei Schicksalen. Reflektiert man den Zustand der Afrikanerinnen und Afrikaner, offenbart er eine Lage zwischen einerseits der Akzeptanz des blendenden und beharrlichen „Wohlwollens" der sozusagen Entwickelteren, ohne jedoch nach internen und lokalen Alternativen für die Reaktion zu suchen – dies liegt daran, dass die Position des afrikanischen Kontinents in der globalisierten Welt zur Unterordnung bestimmt ist. Oder andererseits ein solches „Wohlwollen" abzulehnen, aber die Konsequenzen durch den jahrhundertelangen Zustand der Abhängigkeit von externer Hilfe und „Wohltätigkeit" dennoch zu tragen.
Aufgrund dieses Zustands, der durch ebendieses Dilemma bestimmt wird, befinden sich die Afrikaner, insbesondere die einfachen Leute auch in der aktuellen Pandemie-Situation in einer doppelten Zwangslage: Einerseits müssen sie für ihre Lebensmittel arbeiten – wobei zu bedenken ist, dass diese Menschen das, was sie jeden Tag verdienen, nicht behalten werden, wie schon der französische Jesuit und Soziologe Michel de Certeau bemerkte. Andererseits müssen sie sich isolieren und sind damit arbeitsunfähig, da die meisten, wie etwa in Mosambik, im informellen Sektor tätig sind.
Nicht, dass die Maßnahmen gegen Covid-19, wie sie etwa von der WHO verkündet wurden und von den entwickelten Ländern oder, um es konkreter auszudrücken, von Ländern, die absolut oder relativ besser dran sind als die meisten afrikanischen Länder, befolgt werden, nicht gut wären. Das Problem liegt in deren Anwendbarkeit, denn diese sind in afrikanischen Ländern in der Praxis nicht durchweg umsetzbar und bringen die einfachen Leute in ein Dilemma zwischen der Akzeptanz der Maßnahmen, die Rettung vor der Pandemie versprechen, aber auch sterben vor Hunger bedeuten können oder der Verweigerung dieser mit dem Risiko, sich auf die Straße zu begeben, um Essen auf den Tisch zu bringen.
In der Praxis spiegelt dieses Dilemma, mit dem die einfachen Leute konfrontiert sind, die besonders komplexe Realität der afrikanischen Länder wider: Ein informeller Arbeiter, der an sein informelles Geschäft gebunden ist, ist damit direkt von den Beschlüssen der „Geiselregierung" bestimmt – der „freiwilligen Knechtschaft", um einen Ausdruck des französischen Geistlichen Étienne de La Boétie aus dem 16. Jahrhundert zu verwenden – und indirekt von einer globalen Struktur, die afrikanische Regierungen dazu veranlasst, Maßnahmen zu ergreifen, die völlig an den Realitäten der von ihnen regierten Länder und Gesellschaften vorbeigehen. Folglich – und das ist auch mein Standpunkt – werden Maßnahmen von der Regierung gefordert, die auf ihre praktischen Alltagsbedingungen abgestimmt sind.
Lokale Folgen brauchen lokale Lösungen
Universellen Maßnahmen, wie sie zum Beispiel von der mosambikanischen Regierung ergriffen wurden, vernachlässigen die extreme Ungleichheit zwischen den Ländern. Ohne ein klares Ziel, was damit erreicht werden soll und welche Bedingungen für ihre Umsetzung bestehen, wurden Maßnahmen ergriffen, die sich den Wahrnehmungen und Reaktionen der Bürger entgegengesetzten. Während zum Beispiel Präsident Nyusi Präventionsmaßnahmen gegen das Corona-Virus ankündigte, einschließlich sozialer Distanzierung und dezentraler Quarantäne-Zentren, demonstrierten die Bewohner des Stadtteils Polana Caniço in Maputo, entgegen des Beschlusses, sich nicht zu versammeln, vor dem örtlichen Gesundheitszentrum gegen diese und die Einschleppung des Virus „in unsere Nachbarschaft". In diesem Sinne bringt diese Krise zum Ausdruck, dass nicht nur die Menschen in der Zwickmühle „zwischen Kreuz und Schwert" stehen, indem sie direkt oder indirekt von Regierungsentscheidungen betroffen sind. Allgemein gesprochen befindet sich ebenfalls die Regierung selbst in diesem Dilemma, das ihr direkt oder indirekt durch die Außenwelt auferlegt wurde, die die Kontrolle über das globale System hat. Angesichts der politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen scheint dieses Virus eines dieser „Verhängnisse der Geschichte" zu sein, die das Potenzial haben, die Verwundbarkeit und Abhängigkeit afrikanischer Länder im Kontext des globalen kapitalistischen Systems zu erhöhen.
Der Zustand durch das Dilemma von Kreuz und Schwert und der Unterordnung, der afrikanischen Ländern auferlegt wurde, macht jede globale Krise oder jedes Problem von globaler Reichweite, sei es Aids, Kalter Krieg oder Covid-19, zu einer Gelegenheit, den Kontinent als Brennpunkt der Hilfe, des Experimentierens und des „Schuldenerlasses" zu betrachten. In diesem Kontext der Darstellung und Wahrnehmung als ein Ort des Leidens, der Krisen und von allem Übel für den Menschen wurden in Bezug auf die Covid-19-Pandemie problematische Aussagen gemacht. So hieß es beispielsweise, die Pandemie würde in Afrika schwerwiegendere Ausmaße annehmen als in Europa, obwohl der Kontinent bisher am wenigsten betroffen ist. Nicht, dass dies unmöglich wissenschaftlich wahr sein könnte, aber solche Aussagen sind ethisch unverantwortlich – ebenso, dass der Impfstoff gegen die Krankheit auf dem Kontinent getestet werden sollte – gerade weil der afrikanische Kontinent durch die Komplizenschaft der Geschichte ein Artefakt ist, das anfällig für Vorurteile und gleichermaßen für Diskriminierung ist. Es handelt sich um eine globale Krise, aber die Lösungen, die Perspektiven und die Art und Weise, wie das Problem der Krankheit angegangen werden kann, müssen lokal sein.
Der Zwickmühle entkommen
Daher stellt sich notwendigerweise die Frage, ob die afrikanischen Staats- und Regierungschefs die Krise als eine Chance betrachten, die Nationen unter ihrer Verantwortung tatsächlich zu führen und auf die vielschichtigen lokalen Realitäten einzugehen.
Ohne unverantwortliche Maßnahmen von Populisten wie die des brasilianischen Präsidenten zu unterstützen, möchte ich nur auf eine Besonderheit afrikanischer Gesellschaften aufmerksam machen, in denen etwa 85 Prozent der Menschen im informellen Sektor zwar mit einem prekären öffentlichen Sozialschutzsystem, aber gut funktionierenden sozialen Solidaritätsnetzwerken leben. In diesen Gesellschaften funktionieren diese Netzwerke besser, die praktischen Probleme der einfachen Leute zu lösen, als die Maßnahmen, die von oben über Regierungskanäle ergriffen werden. Solche funktionalen Solidaritätsnetzwerke sind nicht spezifisch für afrikanische Gesellschaften, aber sie sind ein entscheidender Aspekt von ihnen.
Dies hat zumindest im Hinblick auf die gegenwärtige Krise, nicht unbedingt mit der Überzeugung zu tun, dass die Krise das „normale" Merkmal afrikanischer Gesellschaften darstellt. Im Gegenteil, es hat damit zu tun, dass die soziale, politische und wirtschaftliche Realität dieser Gesellschaften besonders ist und diese sich „zwischen Kreuz und Schwert" befinden. Tatsächlich sind Krisen für einfache Menschen nur dann Krisen, wenn sie direkte und bewusste Auswirkungen auf ihr praktisches Leben haben. Dessen müssen sich die Regierungen bewusst sein, um das Problem auf dem Kontinent anzugehen. Daher sollte die Covid-19-Pandemie als Gelegenheit gesehen werden, ernsthaft über die „wirklichen" Herausforderungen unserer Länder nachzudenken, unter Berücksichtigung unserer historischen Erfahrung und unserer Position im globalen kapitalistischen System. Die Herausforderung, den realitätsfremden Maßnahmen ihrer Gesellschaften und dem gespenstischen Ort zu entkommen, bestünde also darin, das dargelegte Dilemma „zwischen Kreuz und Schwert" zu überwinden und Wege zu finden, die uns von den bedrückenden externen Zuständen befreien können. Es liegt in der Verantwortung der Regierungen, nach den besten Möglichkeiten und internen Alternativen zu suchen, um ihre Bevölkerung vor einer globalen Pandemie zu schützen, aber immer geleitet von der Wahrung ihrer Menschenwürde.
Alcides André de Amaral
Der Autor ist Teilnehmer des Interdisziplinären Postgraduiertenprogramms in Geisteswissenschaften an der Universität für Internationale Integration der afro-brasilianischen Lusophonie, Brasilien.