Heft 3/2023, Malawi

Chakweras Hilferuf nach Zyklon „Freddy“

Malawi braucht nach den verheerenden Schäden durch den tropischen Wirbelsturm Freddy 700 Millionen US-Dollar für den Wiederaufbau des Landes.

Von Watipaso Mzungu

Die Schäden, die der tropische Wirbelsturm „Freddy" Anfang März 2023 an öffentlichen und privaten Infrastrukturen in Malawi angerichtet hat, lassen sich wohl am besten mit „Salz in eine schwärende Wunde streuen" beschreiben. Es handelte sich um den wohl schlimmsten tropischen Wirbelsturm seit Beginn der Aufzeichnungen. Er hat die Lebensgrundlagen der Menschen und die sozioökonomische Infrastruktur des Landes stark getroffen und noch mehr Menschen in die Armut getrieben.

Malawi gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Es belegt derzeit im HDI-Rang Platz 169 von 191 Ländern. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt in großer Armut und ein Fünftel in extremer Armut. Der Zugang zu sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung stellt viele Menschen, insbesondere in ländlichen Gebieten, vor eine große Herausforderung. „Freddy" hat die ohnehin schon für den Klimawandel und Naturkatastrophen anfällige Wirtschaft, die zusätzlich unter den negativen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie litt, weiter belastet.

Der Zyklon, der auch Mosambik und Madagaskar heimsuchte, traf 15 Distrikte im Süden Malawis und machte fast 700.000 Menschen obdachlos. Dies veranlasste Präsident Lazarus McCarthy Chakwera zu einem am 15. März veröffentlichten internationalen Hilfsappell, um die durch die stürmischen Regenfälle verursachten Schäden zu beheben.

Chakweras Hilferuf

„Dies ist eine nationale Tragödie", sagte Chakwera. „Malawi befindet sich in einem Katastrophenzustand. Der Zyklon Freddy hat uns ausgerechnet zurückgeworfen, als wir dabei waren, das Land wieder aufzubauen, weil es bereits in der Vergangenheit Tragödien gab. Ich appelliere an die internationale Gemeinschaft, uns mit Wohlwollen zu betrachten. Denn wir brauchen Hilfe, wir brauchen Hilfe für die Menschen, die gerettet wurden und die alles verloren haben. Sie brauchen das Nötigste, Unterkunft, Kleidung, Nahrung", so die Worte Chakweras.

Der Zyklon Freddy, der auch das benachbarte Mosambik traf, suchte Malawi zwei Mal innerhalb von knapp drei Wochen heim. Viele Menschen kamen bei Erdrutschen ums Leben, die an Hängen gebaute Häuser mit sich rissen. Chakwera rief zum Gedenken an die Verstorbenen eine zweiwöchige Staatstrauer aus und ließ sieben Tage lang die Flaggen auf Halbmast wehen. Anschließend reiste er nach Blantyre, Malawis wirtschaftlicher Hauptstadt und Epizentrum der Katastrophe, um an einer Trauerfeier für die Zyklonopfer teilzunehmen. Er berief eine Dringlichkeitssitzung auf Ministerebene ein, auf der die Freigabe von 1,6 Mrd. MK (1,5 Mio. US-Dollar) zur Unterstützung der betroffenen Bevölkerung gebilligt wurde, „aber ich kann Ihnen schon jetzt sagen, dass dieses Geld nicht ausreichen wird", so Chakwera.

Internationale Nothilfe

Die US-Regierung gehörte zu den ersten Ländern, die auf Chakweras Aufruf zur internationalen Hilfe reagierten. Sie kündigte zwei neue Zuschüsse zur Deckung des unmittelbaren humanitären Bedarfs an, der sich aus den verheerenden Auswirkungen des tropischen Wirbelsturms Freddy und dem landesweiten Ausbruch der Cholera ergibt. Die laufende US-Hilfe in Höhe von rund 5 Mio. US-Dollar (über 5,1 Mrd. MK) wurde um weiter 4 Mio. US-Dollar aufgestockt.

Über Zuschüsse an Uniceff, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, und das UN-Welternährungsprogramm wird die US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) der malawischen Regierung dringend benötigte Nahrungsmittel, Unterkünfte, Wasser-, Sanitär- und Hygieneartikel sowie andere Hilfsgüter bereitstellen. Bereits zu Beginn der Katastrophe hatte USAID über die Catholic Relief Services und CARE wichtige Hilfspakete an die am stärksten betroffenen Distrikte geliefert. In Kooperation mit dem WFP stellt USAID lebensrettende Nahrungsmittelhilfe für 142.000 Menschen bereit und lässt mit Hubschraubern Medizin, Nahrungsmittel und andere Hilfsgüter zu den Gemeinden einfliegen. Von den Fluten abgeschnittene Patienten werden evakuiert und medizinisch versorgt.

In Südmalawi und anderen von Cholera betroffenen Distrikten stellt Uniceff kaputte Wasser- und Sanitäranlagen in Gesundheitseinrichtungen und Schulen wiederher, so dass etwa 90.000 Menschen Zugang zu sicherem Wasser erhalten. Damit die Schülerinnen und Schüler wieder in den Unterricht gehen können, „werden Seife, sauberes Wasser und Wascheimer zur Verfügung gestellt, die Wasserqualität überwacht und behandelt und die Hygiene in den Schulen und den umliegenden Gemeinden gefördert", heißt es in einer Erklärung der US-Botschaft in Malawi.

„Als langjähriger Partner Malawis war die US-Regierung über USAID bereits in vielen der vom Zyklon Freddy betroffenen Gemeinden tätig, so dass wir sofort auf die dringenden humanitären Bedürfnisse reagieren konnten", sagte US-Botschafter David Young. „Diese neue Hilfe wird auf unserer Nothilfe aufbauen, um einigen der am stärksten betroffenen Gemeinden zusätzliche, lebensrettende Unterstützung zukommen zu lassen. USAID hat sich außerdem verpflichtet, die Malawier bei langfristigen Wiederaufbaumaßnahmen zu unterstützen, die die wirtschaftliche Entwicklung ankurbeln und das Risiko für Leben und Eigentum durch künftige Stürme verringern werden", fügte die Botschaft hinzu.

Viele andere Länder, darunter Großbritannien, Deutschland, Irland und Korea, stellten ebenfalls ihre Hilfe in unterschiedlicher Form zur Verfügung.

Schäden aufgelistet

Seit dem Abflauen des Sturms sind drei Monate vergangen. Die malawische Regierung mobilisiert derzeit Ressourcen, um mit dem Wiederaufbau zu beginnen. Laut dem 2023 Tropical Cyclone Freddy Post-Disaster Needs Assessment Report beziffert sich der Schaden durch die Katastrophe auf insgesamt 506,7 Mio. US-Dollar (über 500 Mrd. MK), die Regierung schätzt, dass sie für den Wiederaufbau insgesamt 680,4 Mio. US-Dollar (über 700 Mrd. MK) benötigen wird. In dem Bericht werden die materiellen Schäden und wirtschaftlichen Verluste der Katastrophe ausführlich erfasst. Danach waren 2.267.458 Menschen in 16 Distrikten direkt betroffen, darunter 659.278 Vertriebene (336.252 Frauen, 323.026 Männer), 679 Tote und über 530 Personen, die bis Mitte März 2023 als vermisst gemeldet wurden.

Die verheerenden schweren Regenfälle und Überschwemmungen haben nicht nur bei den sozialen Diensten beträchtliche Schäden und Verluste verursacht, betroffen waren auch die Produktions- und Infrastruktursektoren. Am stärksten waren die Auswirkungen der Katastrophe im Wohnungsbau. Dort wurden etwa 260.681 Häuser beschädigt oder zerstört.

Dass die Regierung noch nicht mit dem Wiederaufbau beginnen konnte, hat unter anderem mit Finanzierungsproblemen zu tun. Kürzlich wandte sich Präsident Chakwera erneut an die Geberländer und bat um fast 700 Mio. US-Dollar für den Wiederaufbau des Landes nach dem Sturm.

Malawis Staatschef verließ das Land am 3. Mai in Richtung Großbritannien, um an der Krönung Charles III. zum König des Vereinten Königreiches teilzunehmen. Er werde seinen Besuch nutzen, um sich bei Gesprächen mit führenden Politiker:innen der Welt für mehr finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau seines Landes einzusetzen, kündigte Chakwera an. Dabei werde er auf das Problem seines Landes reagieren „wie eine Nation, die angegriffen wird, nicht wie eine Nation, die bedroht ist. Aus diesem Grund bleibt der nationale Katastrophenzustand, den ich am 13. März ausgerufen habe, um internationale Unterstützung zu fordern, in Kraft, und ich werde die wenigen anstehenden internationalen Treffen mit führenden Politikern der Welt nutzen, um ihnen konkrete Vorschläge zu unterbreiten, wie sie uns bei der Bewältigung der gewaltigen Aufgabe, die vor uns liegt, unterstützen können", sagte Chakwera.

Sein Aufruf erfolgte zwei Wochen nach einem erneuten dringlichen Appell der Vereinten Nationen an die humanitären Partner zur Deckung der 70,6 Mio. US-Dollar, die zur Unterstützung der Zyklonopfer in Malawi benötigt werden. Nach Angaben der UNO wurden bislang erst weniger als 11 Prozent der Mittel gespendet.

Trotz der Finanzierungsengpässe, mit denen die Regierung und ihre Partner bei den Wiederaufbaumaßnahmen konfrontiert sind, hat eine Gruppe von Wohltätern in Malawi damit begonnen, Geld zu spenden und kostengünstige Häuser für arme Überlebende des Zyklons zu errichten. Bislang wurden im Rahmen der im April gestarteten Initiative zum Bau preiswerter Häuser 12 davon in verschiedenen vom Zyklon betroffenen Bezirken gebaut.

Geleitet wird die Gruppe vom Unternehmer Kondwani Ngwira. Die Initiative sei ins Leben gerufen worden, nachdem er festgestellt habe, wie viele arme Menschen es gebe, die ihre Häuser verloren hätten und es sich nicht leisten könnten, Land zu finden, um ihr Leben wieder aufzubauen. „Zudem haben wir festgestellt, dass die Kinder nicht mehr zur Schule gehen. So wie die Kinder, für die wir dieses Haus bauen – auch sie gehen nicht mehr zur Schule", so Ngwira, der auch auf die psychischen Schäden für die Betroffenen hinwies. Ein festes Zuhause sei für die Kinder wichtig, um wieder zur Schule gehen zu können. Wenn es die finanziellen Mittel erlauben, werde seine Gruppe den Bau von mehr als 400 kostengünstigen Häusern für die vom tropischen Wirbelsturm Freddy Vertriebenen planen, sagte Ngwirat.

Watipaso Mzungu ist freier Journalist aus Lilongwe, Malawi