Heft 3/2023, African Futures

Erfolgreicher Auftritt der issa

Das Thema Dekolonialisierung und Postkolonialität auf der ECAS-Konferenz in Köln

Die European Conference on African Studies (ECAS) ist eine der weltweit größten sozialwissenschaftlichen Konferenzen zur Schwerpunktregion Afrika. In diesem Jahr hat die Konferenz, die wegen der weltweiten Corona-Pandemie bereits zwei Jahre nach hinten verschoben werden musste, vom 31. Mai bis zum 3. Juni in der Universität zu Köln unter dem Titel African Futures stattgefunden. In 244 Panels mit je 3 – 5 wissenschaftlichen Kurzbeiträgen hat die ECAS um die 2.000 Wissenschaftler:innen aus aller Welt angezogen. Von ihnen sollen mehr als 500 aus ganz Afrika angereist sein. Für viele war die ECAS ein großes Wiedersehen, ein reger Austausch und willkommene Fachdebatte (für eine Diskussion der ECAS siehe beistehenden Artikel von Janine Traber).

Das Themenspektrum auf der ECAS gruppierte sich um den Titel afrikanische Zukünfte und reichte von Philosophie, Soziologie, Landwirtschaft und Politik bis hin zu Kunst und Kultur. Ein zentrales Diskussionsfeld war das Thema Dekolonialisierung und Postkolonialität – die kritische Auseinandersetzung mit den Folgen des Kolonialismus. Grund zum Anlass, die stockende deutsche Aufarbeitung der eigenen Kolonialgeschichte zu kommentieren, bot zuletzt der Spielfilm Der vermessene Mensch (kritischer Beitrag von Zola Wiegand-M'Pembele in dieser Ausgabe).

Panel zu postkolonialer Gegenöffentlichkeit

Für die issa waren Lothar (Chefredakteur), Rene (Vorstand) und Janine (Redaktionsassistenz) auf der ECAS. Zusammen hatten wir uns im November 2022 mit einem Abstract für das Panel mit dem Titel Decolonizing the Public Space in Germany and its former African colonies: Memory, civil society and the arts („Dekolonisierung des öffentlichen Raums in Deutschland und seinen ehemaligen afrikanischen Kolonien: Erinnerung, Zivilgesellschaft und Kunst") beworben. Nachdem wir im Januar angenommen wurden und unsere Konferenzbeiträge entrichtet hatten, bereiteten wir einen 15-minütigen Vortrag vor. Wie die meisten Panels auf der ECAS, so fand auch dieses auf Englisch statt. Es wurde von Heike Becker (University of the Western Cape) und Cordula Weisskoeppel (Uni Bremen) geleitet, umfasste zwei Sitzungen (à 90 Min.) mit sieben Vorträgen (à 12 – 15 Min.), die von Julia Binter (Uni Bonn) diskutiert wurden.

Das Panel wurde mit einem Vortrag des Namibia-Experten Reinhart Kößler zum Thema Joint Declaration in Namibia eröffnet. Danach war die issa an der Reihe, bevor von Hana Horakova (Palacky Universität Olomouc, Tscheschien) über die postkoloniale Bedeutung der Differenz zwischen kritischen und unkritischen Stadtführungen in Swakopmund referiert wurde.

In der zweiten Sitzung wurde von Fiona Siegenthaler (Linden-Museum Stuttgart) auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen dekolonialen Museumspraktiken im Linden-Museum Stuttgart und Postkolonialismus-Debatten verwiesen. Außerdem wurde die Rückgabe von Kulturobjekten nach Namibia aus deutschen Museumsbeständen von Napandulwe Shiweda (University of Namibia) diskutiert. Des Weiteren wurde die Erinnerungspolitik in Namibia durch die Performerin Nicola Brandt vorgestellt und wie dort durch „Embodied Memory Art" und intersektionale Performance-Kunst das weiße männliche Patriarchat dekonstruiert wird. Zuletzt wurde in unserem Panel das Projekt WONAGO (World Order Narratives of the Global South) der Uni Hamburg von Diana Natermann vorgestellt, das koloniale Fotografien hinsichtlich ihrer westlichen Ästhetiken analysiert.

Drei Anliegen des issa-Beitrags

Da das Schaffen von Gegenöffentlichkeiten in Bezug auf Postkolonialismus das übergeordnete Thema des Panels war, wollten wir die jahrzehntelange erfolgreiche journalistische Arbeit der issa präsentieren. Unser Vortrag war mit dem Titel Decolonizing the German mind through creating a counter public about the SADC – Experiences from 50 years of critical activist journalism by issa/afrika süd („Dekolonisierung des deutschen Bewusstseins durch Schaffung einer Gegenöffentlichkeit zur SADC – Erfahrungen aus 50 Jahren kritisch-aktivistischem Journalismus der issa/afrika süd") angetreten. Mit unserem Beitrag verfolgten wir drei wesentliche Ziele:

Erstens wollten wir einem internationalen und wissenschaftlichen Publikum den Verein issa und unser Fachmagazin afrika süd vorstellen. Diese Vorstellung umfasste die Gründungsgeschichte der issa in den 1970er-Jahren und die damals wie heute fehlende kritische Haltung deutscher Leitmedien zum südlichen Afrika. Der Wille, eine kritische Gegenöffentlichkeit zu erzeugen, war von Beginn an in die issa-DNA eingewoben.

Zweitens wollten wir die Aktualität und Relevanz unserer Arbeit herausstellen, Interesse an unser Arbeit wecken, diverse Mitmachmöglichkeiten eröffnen (finanzieren, schreiben, netzwerken) und zeigen, wie wir den deutschsprachigen Diskurs über die SADC-Region mitgestalten (u. a. hat afrika süd zum Thema Namibia – Völkermord - Reparation – Restitution zwischen den Jahren 2000 und 2022 ca. 75 Artikel veröffentlicht). Auch unsere Schwerpunkthefte (seit 2015) wurden vorgestellt und auf einem Info-Tisch neben afrika süd-Fachmagazinen ausgelegt.

Drittens wollte die issa in einen zukunftsgerichteten Dialog mit dem Fachpublikum treten. Dafür haben wir unsere aktuellen Herausforderungen benannt (Finanzierung, Digitalisierung, Verjüngung) und Diskussionsfragen formuliert: Welche Zukunft hat das SADC-Archiv aus den Jahren 1970 – 2010? Wie können wir eine neue und breitere Leser:innenschaft ansprechen? Wie relevant ist die Einführung eines digitalen Abos vs. Printausgabe? Wie viel ist eine kritische deutsche Gegenöffentlichkeit wert?

Diskussionen auf der ECAS

Neben dem Wiedersehen mit Reinhart (früherer issa-Geschäftsführer und langjähriges Vorstandsmitglied) eröffnete die ECAS vier Tage lang viele Möglichkeiten, um alte Bekannte wiederzusehen (u. a. das frühere Redaktionsmitglied Rita Schäfer) und um neue Kontakte zu knüpfen. Sowohl in der Panel-Diskussion mit bis zu 40 Teilnehmenden, in den Pausen und danach wurde der issa ein großes Interesse entgegengebracht und es konnten zahlreiche Gelegenheiten für Austausch genutzt werden: Journalist:innen aus dem südlichen Afrika haben sich interessiert gezeigt, Panel-Teilnehmende angekündigt, unsere Geschäftsstelle besuchen zu wollen, und viele afrika süd-Hefte wechselten Hände.

Zu den konstruktiven Vorschlägen für die issa auf der ECAS-Konferenz gehörte die Forderung, neben weiteren Podcasts auch kurze Erklärvideos zu relevanten SADC-Themen herzustellen, zivilgesellschaftlicher Teil von wissenschaftlichen Projekten zu werden, um neue Netzwerk- und Finanzierungsquellen zu erschließen, in Marketing für das afrika süd-Journal zu investieren und die Netzwerke mit Afrika-Instituten im deutschsprachigen Raum (insbesondere Bayreuth) zu reaktivieren. Für die issa und afrika süd bleibt weiterhin viel zu tun – die ECAS-Konferenz hat uns darin bestärkt, auf einem guten Weg zu sein und weiterhin eine kritische postkoloniale Gegenöffentlichkeit herstellen zu wollen.

Rene Vesper, Vorstandsmitglied der issa.