Nach langen Warten steht der Termin jetzt fest: Am 23. August finden in Simbabwe Wahlen statt. Die Zanu-PF-Regierung hat es indes versäumt, die notwendigen Reformen einzuleiten, die einen friedlichen und fairen Urnengang garantieren könnten.
Von Simone Knapp
Am 18. April feierte Simbabwe den 43. Jahrestag seiner Unabhängigkeit. Und 2023 jährt sich auch zum zehnten Mal die Einsetzung der neuen Verfassung. Eigentlich Grund genug, die Demokratie zu feiern. Papier ist leider auch in diesem Fall geduldig und in der Realität sehen sich die Menschen mit immer stärker eingeschränkten Rechten konfrontiert. Gerade in Anbetracht der bevorstehenden Wahlen werden das Recht auf freie Meinungsäußerung oder Versammlungsfreiheit immer wieder untergraben, da Behörden Genehmigungen für Kundgebungen der wichtigsten Oppositionsparteien verweigern, friedliche Demonstrant:innen verhaften und Proteste gewaltsam beendet werden. Die gewaltvollen Ereignisse um die Wahlen in 2008 sind den Menschen lebhaft in Erinnerung. Sie wissen, dass Wahlbetrug lange vor dem Urnengang beginnt und mit Einschüchterungen und Drohungen Angst geschürt wird, die das Handeln und letztendlich die Wahlentscheidung mit beeinflussen.
Der Wahlkampf kann beginnen
Sechs Millionen Simbabwer:innen sind am 23. August 2023 aufgerufen, den Präsidenten, das Parlament sowie lokale Repräsentant:innen zu wählen. Nach wie vor ist dies der Diaspora nicht erlaubt, dafür müssten Gesetze geändert werden, und da nach wie vor die Zanu-PF die Mehrheit im Parlament innehat, war dies im Vorfeld der jetzigen Wahl wenig aussichtsreich. Im Juni 2021 erklärte der ehemalige Kabinettsminister und damalige politische Kommissar der Zanu-PF, Patrick Chinamasa, dass seine Partei der Diaspora kein Wahlrecht einräumen werde, und begründete dies damit, dass einige Zanu-PF-Mitglieder aufgrund von Sanktionen nicht ins Ausland reisen könnten, um dort Wahlkampf zu betreiben.
„Die Regierung will nicht, dass die Diaspora ihre Stimme abgibt, weil sie weiß, dass viele Menschen durch ihr eigenes Versagen bei der Verwaltung der Wirtschaft aus dem Land vertrieben wurden", so der politischer Analyst Vivid Gwede.
Offiziell gibt Simbabwe die Zahl der im Ausland lebenden Menschen mit rund einer Million an, inoffiziell wird von etwa drei bis fünf Millionen ausgegangen – also etwa ein Drittel der Bevölkerung. Das ist ein erheblicher Stimmenanteil, der sich nur schwer kontrollieren lässt.
Über 40 Parteien haben sich bis Oktober 2022 registrieren lassen. Die aussichtsreichste Oppositionspartei ist die erst seit Januar 2022 operierende Citizens Coalition for Change (CCC) unter Nelson Chamisa. Hervorgegangen aus der Movement for Democratic Change (MDC), die sich nach dem Tod von Morgan Tsvangirai über die Nachfolge zerstritt, ist Chamisa nun der Herausforderer von Mnangagwa.
Staatliche Gewalt und Menschenrechtsverletzungen sind laut der monatlichen Monitoringberichte des Zimbabwe Peace Project ZPP schon vor Beginn des offiziellen Wahlkampfes in Form von Bedrohungen, Einschüchterungen und körperlicher Gewalt vor allem gegenüber Oppositionsparteien, deren Mitgliedern und Sympathisant:innen an der Tagesordnung. Das ZPP ordnet 48 Prozent der Übergriffe der Zanu-PF zu, gefolgt von der Polizei mit 17 Prozent, insbesondere bei politischen Versammlungen, die von der Polizei systematisch beendet wurden.
Das ZPP will mit dem Bericht nicht nur die Öffentlichkeit über den Stand der sozialen, politischen, wirtschaftlichen, bürgerlichen und kulturellen Rechte informieren, sondern entwickelte auch eine Kampagne, um die Bürger:innen – gerade im Kontext der anstehenden Wahlen – zu mobilisieren, Menschenrechtsverletzungen zu melden und Widerstand zu leisten. Das ZPP fordert von der simbabwischen Menschenrechtskommission, Fälle von parteiischer Polizeiarbeit zu untersuchen und die Polizei in Bezug auf unparteiische Polizeiarbeit zu schulen.
Schmutzige Parteipolitik
Nach wie vor gibt es einen Machtkampf innerhalb der Zanu-PF zwischen Mnangagwa und seinem Vize Constantino Chiwenga. Während Chiwenga das Militär auf seiner Seite hat, steht der Geheimdienst CIO eher hinter Mnangagwa. Um diesen Rückhalt zu gewährleisten, setzte er seine Getreuen an dessen Spitze. Frühere Wahlen wurden vom Militär durchgeführt, wobei andere Sicherheitskräfte eine unterstützende Rolle spielten. Nun hat Mnangagwa diese Funktion dem CIO übergeben und eine weitere Unterorganisation gegründet, die Forever Associates of Zimbabwe (FAZ). Offiziell eine NRO, übernimmt sie Aufgaben, die verfassungsgemäß der Wahlkommission ZEC (Zimbabwe Electoral Commission) vorbehalten sind. Bereits in den Vorwahlen der Zanu-PF Anfang des Jahres wurden Vorwürfe von Wahlfälschung und Stimmenkaufs laut. Bei der öffentlichen Einsicht in die Wählerlisten durch Wahlberechtigte überprüften FAZ-Mitarbeitende die Zanu-PF Zugehörigkeit und versuchten alle anderen daran zu hindern, ihre Namen auf der Liste zu überprüfen.
Auch die CCC ist nicht frei von Skandalen. Sie ging aus einer MDC-Allianz hervor und hat bisher noch keinen Parteikongress abgehalten, in dem etwa der Präsidentschaftskandidat gewählt worden wäre. Auch ein Parteiprogramm findet sich nirgends auf der offiziellen Webseite. Auf Nachfrage hieß es, dass erst nach dem offiziellen Start des Wahlkampfes ein Programm veröffentlicht würde, um zu verhindern, dass andere davon abschreiben würden.
Die CCC hat inzwischen ein Verfahren entwickelt, in dem Kandidat:innen auf lokaler Ebene in einem mehrstufigen Verfahren ausgewählt werden. Probleme gibt es dabei vor allem in ländlichen Hochburgen der Zanu-PF, denn dort haben Menschen Angst, sich als Kandidat:in für die Opposition zu bewerben. So wurde wohl auch Chamisa als einziger Präsidentschaftskandidat bestätigt, obwohl es auch Gerüchte gab, dass Tendai Biti, der in der Koalitionsregierung, die zwischen 2009 und 2023 im Amt war, als Finanzminister fungierte, durchaus Ambitionen gehabt haben soll.
Nach wie vor spielen Frauen in der simbabwischen Politik eine untergeordnete Rolle, sie sind in allen Parteien unterrepräsentiert. Der patriarchalische Charakter der simbabwischen Gesellschaft hält Frauen oft davon ab, aktive Rollen in der Politik zu übernehmen. Sie laufen Gefahr, als unmoralisch abgestempelt zu werden, und häufig wird ihr Privatleben ins Rampenlicht gerückt.
Ausbleibende Reformen vor den Wahlen
Wieder sind nötige Reformen vor den Wahlen nicht umgesetzt worden, obwohl die Oppositionsparteien bis zum Schluss versucht haben, die Regierung politisch unter Druck zu setzen. Die MDC-T unter der Führung von Douglas Mwonzora ging bis zum Verfassungsgericht, um die neue Einteilung der Wahlbezirke, mit der sich die Zanu-PF einen Vorteil erhofft, noch zu verhindern, jedoch ohne Erfolg. Die schleppende Umsetzung dieser Reformen hat zeitweise auch eine Wahlbeobachtung von Seiten der EU in Frage gestellt. Denn die Beanstandungen bei der Vorbereitung und Durchführung der Wahlen könnten dieselben sein wie beim letzten Mal, wird in Diplomatemkreisen befürchtet. Dies widerspricht auch den Versprechungen, die Mnangagwa bezüglich der Tilgung der Schulden gegenüber den Gläubigern Simbabwes gemacht hat.
Dennoch scheint es äußerst schwierig für die regierende Partei, sich auf Reformen einzulassen, die eine Wahlmanipulation zumindest erschweren könnten. Nach wie vor greift die Zanu-PF auf Staatsmittel zu, um etwa Wahlkampfmittel zu finanzieren, oder sie nutzt staatliche Medien für ihre Zwecke. Auch landwirtschaftliche Betriebsmittel oder Nahrungsmittelhilfe werden politisch eingesetzt. Die regelmäßige Unterstützung für Farmer:innen in Form von Saatgut und Düngemittel werden Oppositionsanhänger:innen oder Regimekritiker:innen und ihren Familien verweigert.
Die ZEC, die offiziell mit der Umsetzung der Wahlen beauftragt ist, kämpft einerseits mit der umstrittenen Neugestaltung der Wahlbezirke und andererseits mit dem Wählerverzeichnis. Die öffentliche Überprüfung der Wählerverzeichnisse sollte ursprünglich zwischen dem 27. und 31. Mai 2023 stattfinden, aber ein langsamer Start aufgrund logistischer Probleme verzögerte die Eröffnung der Zentren im ganzen Land, so dass der Zeitraum verlängert werden musste.
Besonders Mitglieder von Oppositionsparteien beklagen, dass sie ihre Namen in anderen Wahlbezirken wiederfinden, ohne dass sie darüber informiert worden sind. Die Einteilung in Wahlkreise und Bezirke kann, wenn sie unausgewogen ist, eine bestimmte Partei begünstigen und zur Manipulation von Wahlergebnissen genutzt werden. Die MDC war besonders besorgt über den im Februar veröffentlichten Bericht über die Abgrenzung der Wahlbezirke, der ihrer Meinung nach die regierende Zanu-PF-Partei begünstigte. Die Oppositionspartei brachte ihre Bedenken vor das Verfassungsgericht des Landes, das ihren Antrag mit der Begründung abwies, dass die MDC nicht nachweisen konnte, inwiefern Grundrechte verletzt würden und wie die Abgrenzung der Wahlkreise diese Rechte beeinträchtigte.
Auch das Parlament beanstandete schwerwiegende Mängel im Bericht. So hätten beispielsweise die Wahlbezirke nicht die gleiche Anzahl von Wähler:innen, Wahllokale hätten keine richtigen Namen und Bevölkerungszahlen würden vom finalen Zensusbericht abweichen. Kritik kam auf, dass die ZEC nicht in der Lage sei, die Wahlen ordnungsgemäß durchzuführen. Doch mit der Bekanntgabe des Wahltermins sind all diese Kritikpunkte hinfällig, wie der Wahlleiter der ZEC betonte. Nun werden die Wahlen mit den bestehenden Gesetzen durchgeführt.
Schuldenregulierung
Im Dezember 2022 richtete die simbabwische Regierung eine Plattform mit allen Gläubigern und Entwicklungspartnern ein, um einen strukturierten Dialog über Wirtschafts- und Governance-Reformen zu institutionalisieren, der den Prozess der Begleichung der Zahlungsrückstände und der Schuldenregulierung unterstützen soll. Im Mai versicherte Präsident Mnangagwa, dass seine Regierung sich für die Umsetzung wichtiger Reformen einsetze, die für die Begleichung der bilateralen und multilateralen Schulden und Zahlungsrückstände des Landes in Höhe von fast 8,3 Mrd. US-Dollar entscheidend seien. Dabei entfällt der größte Teil auf Zahlungsrückstände. Eine Forderung der Gläubiger ist die immer wieder angemahnte Wahlreform. Mnangagwa versicherte, dass das Land die erforderlichen Mechanismen eingerichtet habe, um friedliche, freie, faire und glaubwürdige Wahlen zu gewährleisten. Der Chef der Afrikanischen Entwicklungsbank, Akinwumi Adesina, stellte fest, dass die Bevölkerung Simbabwes und die internationale Gemeinschaft die Entwicklung sehr genau beobachten werden. Die Wiederaufnahme der Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft werde dabei nicht nur von den Wahlen, sondern vom gesamten Wahlprozess abhängen, der eine glaubwürdige Wahl garantiere.
Wie notwendig diese Schuldentilgung für das Land ist, verdeutlichte die britische Diplomatin Geraldine O'Callaghan kürzlich bei einer Tagung des Zimbabwe Europe Netzworks in Brüssel. Allein die Tatsache, dass Simbabwe keinen Zugang zu günstigen Krediten etwa zum Wiederaufbau und zur Instandsetzung der eigenen Infrastruktur erhalte, verhindere jede Art von wirtschaftlicher Entwicklung, wie sie jedem anderen Entwicklungsland zugestanden werde.
Nach Ansicht des CiCZ Crisis in Zimbabwe Coalition sind die Mindestvoraussetzungen für die Durchführung einer glaubwürdigen Wahl nicht erfüllt. Die Zanu-PF will um jeden Preis an der Macht bleiben, riskiert also lieber, weiterhin der internationale Paria zu sein.
Simone Knapp ist Koordinatorin der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) in Heidelberg.