Heft 3/2024, Eswatini

Taiwans letzter afrikanischer Verbündeter

Über die „Freundschaft" einer Demokratie und einer absoluten Monarchie.
Von Madeleine Lang

Eswatini ist das einzige afrikanische Land, das offizielle diplomatische Beziehungen mit der Republik China, Taiwan, führt. Bereits am 6. September 1968, dem Tag, an dem Eswatini seine Unabhängigkeit erlangte, schlossen beide Länder eine diplomatische Allianz. Im gleichen Jahr eröffnete Taiwan seine Botschaft in Eswatinis Hauptstadt Mbabane. Außer drei Vertretungsbüros in Südafrika, Somaliland und Nigeria ist sie die einzige taiwanesische Botschaft auf afrikanischem Boden. Dies war jedoch nicht immer so. Nach Angaben von Kristina Kironska vom Central European Institute of Asian Studies waren 1971 die diplomatischen Beziehungen zu afrikanischen Staaten zwischen China und Taiwan noch gleichmäßig verteilt. Damals erklärte die UN-Resolution 2758 die Volksrepublik China zur einzigen legitimen Regierung Chinas. Diese übernahm Taiwans permanenten Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Während manche afrikanischen Länder zwischen der Anerkennung Chinas und Taiwans hin- und herwechselten, ist die letzte absolute Monarchie Afrikas ihrer diplomatischen „Freundschaft" zu Taiwan stets treu geblieben. Eswatini setzt sich trotz der UN-Resolution 2758 sowie stärkerer wirtschaftlicher Beziehungen und des politischen Drucks der Volksrepublik China weiterhin für Taiwans internationale Anerkennung ein. Die enge Beziehung Taiwans zu Eswatini wird von der taiwanesischen Botschaft auch scherzhaft „Taiwatini" genannt – so hat sie auch ihren Account auf dem Kurznachrichtendienst „X" benannt. Sie ist eine der nur zwölf formalen diplomatischen Beziehungen, die Taiwan derzeit pflegt. Somit ist Eswatini als letzter afrikanischer Verbündeter für Taiwan von hohem symbolischem Wert.

Stärkerer Handel mit China

Obwohl Eswatini sich noch nie in einem formalen diplomatischen Verhältnis mit China befunden hat, sind die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder um einiges stärker als im Vergleich zu Taiwan. 2018 war das Handelsvolumen zwischen der Volksrepublik und Eswatini mit 63,9 Mio. US-Dollar um über 50 Mio. US-Dollar größer als zwischen Taiwan und dem kleinen Land im südlichen Afrika. Im gleichen Jahr importierte Eswatini Waren im Wert von 106,3 Mio. US-Dollar aus China, im Vergleich zu 13,7 Mio. US-Dollar aus Taiwan. Zwischen 2012 und 2022 belegte Eswatini mit einem Außenhandelsanteil von weit unter einem Prozent nur den 149. Platz der Handelspartner Taiwans. Aktuell gibt es „nur" zwischen 20 und 30 taiwanesische Investor:innen in Eswatini. In Taiwan gibt es nach offiziellen Angaben keine Investoren aus Eswatini (Stand 2022).

In einem offenen Brief drohte der ehemalige chinesische Botschafter Südafrikas, Lin Songtian, im Februar 2020, dass China den Handel mit Eswatini beenden würde, wenn es Taiwan weiterhin völkerrechtlich anerkenne. Auch als Eswatinis neuer Premierminister Russel Mmiso Dlamini im März 2024 Taiwan zum ersten Mal besuchte, betonte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Lin Jian, dass sich China strikt dagegen ausspreche. China werte den Besuch als schwere Provokation gegen das „Ein-China-Prinzip" und Chinas Souveränität. Die diplomatische Allianz habe für gewöhnliche Swasis und Taiwanes:innen keinen Nutzen. Taiwanesische Behörden würden nur Steuergelder verschwenden, um „hohe Tiere" in Eswatini zu finanzieren.

Trotz der Drohungen Chinas hat Eswatini weiterhin gute Gründe, Taiwan anzuerkennen. In ihrer Forschungsarbeit „Eswatini-Taiwan Relations. Absolute Monarchy, Domestic Audience Absence, and China's Irrelevance" legen Bhaso Ndzendze und Nomzamo Gondwe nämlich dar, dass Eswatini aufgrund seiner engen Beziehungen zu Südafrika „das beste beider Welten" bekomme. Durch seine Mitgliedschaft in der Southern African Customs Union (Sacu) kann es von Südafrikas wirtschaftlichen Vorteilen mit Peking profitieren. Gleichzeitig genieße es die „besondere Aufmerksamkeit" Taiwans.

Taiwans Präsenz in Eswatini

Taiwan ist allgemein bekannt in Eswatini: Eine taiwanesische Textilfirma namens Tex-Ray ist der größte Arbeitgeber im Land. Zudem hat Taiwan insgesamt rund 13.000 Arbeitsplätze geschaffen. Vertreter:innen Taiwans werden oft scherzhaft als „Geldmann" oder „Geldfrau" bezeichnet. Zwischen 1996 und 2021 hat Taiwan laut Statistiken des taiwanesischen Ausschusses für Investitionsprüfung des Wirtschaftsministeriums insgesamt 2,1 Mrd. US-Dollar in Eswatini investiert. Durch diese Gelder wurden u. a. Schulen, Krankenhäuser und Unternehmen finanziert. Auch wurden einige Projekte zur Elektrifizierung auf dem Land sowie der Infrastruktur umgesetzt, darunter der Bau eines neuen Flughafens, eines Konferenzzentrums und eines Fünf-Sterne-Hotels. Während der Coronakrise gab Taipeh medizinische Unterstützung. Auch König Mswati III. erhielt Medizin gegen seine Corona-Erkrankung. Nach Südafrika ist Taiwan für Swasis, die im Ausland studieren wollen, das Ziel Nummer zwei. Hierfür werden auch jährlich mehrere Stipendien vergeben.

Taiwan, der „Traumgeber" des Königs?

Swasi-Regierungsvertreter:innen erwähnen immer wieder, wie nützlich die „Freundschaft" mit Taiwan für Eswatini sei. Die taiwanesischen Entwicklungsgelder und Investitionen dienten laut Thiombiano Dramane und Kristina Kironska vor allem den „politics of the belly": Der König, die Königsfamilie, Verbündete und Eliten würden ihre Positionen ausnutzen, um sich selbst zu bereichern. König Mswati ist bekannt dafür, eine sehr enge Beziehung zu Taiwan zu pflegen. Fung Ping Cheung und andere Autoren erklären in der Studie „Would eSwatini cut its ties with Taiwan in the foreseeable future?", dass Taiwan im Grunde König Mswati darin unterstützt, was auch immer er wolle zu erreichen. Demnach diene Taiwan als „Traumgeber" des Königs. 2018 hat es König Mswati beispielsweise beim Kauf eines Privatjets finanziell geholfen. Dies Anschaffung hat besonders großes Aufsehen ausgelöst. Schließlich leben 69 Prozent der Landbevölkerung Eswatinis nach Angaben des World Food Programme (WFP) unter der nationalen Armutsgrenze, und 25 Prozent werden als extrem arm eingestuft.

Die langjährige „Freundschaft" mit der letzten absoluten Monarchie Afrikas weist mehrere Widersprüche auf, die Taiwan vor ein moralisches Dilemma stellen. Die besondere Beziehung „Taiwatinis" basiert auf einem gemeinsamen Verständnis: Eswatini erkennt Taiwan als souveränes Land an. Es setzt sich regelmäßig für dessen Souveränität und Anerkennung auf internationaler Ebene ein. Dies betonte König Mswati im September 2022 vor der UN-Generalversammlung. Er forderte die UN auf, die notwendigen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass Taiwan in all seinen Einrichtungen teilnehmen kann. Im Gegenzug ignoriert Taiwan die Unterdrückung der Zivilbevölkerung und legitimiert die absolute Monarchie Eswatinis. Taiwanesische Regierungsvertreter:innen sprechen von „Demokratie-Kollegen", die gemeinsame Werte teilten. Thandiwe Masuku erklärt in ihrer Analyse „What informs eSwatini's foreign policy positions?" für The Bridge, dass es jedoch keine identifizierbaren geteilten Werte zwischen Eswatini und Taiwan gebe: Wenn die internationale Gemeinschaft mehrheitlich Taiwan als souveränen Staat anerkennen würde, wäre die Beziehung zu Eswatini wohl „höchstens ein bisschen freundlich".

Taiwan musste in der Vergangenheit selbst gegen den Autoritarismus kämpfen. Die taiwanesische Demokratie bildete sich erst nach jahrzehntelangem Widerstand der Bevölkerung gegen die Diktaturen unter der Kuomintang (KMT) und der Chiang Familie (Chiang Kai-shek und seinem Sohn Chiang Chin-kuo) heraus. Thandiwe Masuku argumentiert, Taiwan halte unermüdlich einen König an der Macht, der selbst gegen jene Prinzipien verstoße, die Taiwans Ablehnung der undemokratischen Herrschaft Pekings zugrunde lägen.

Demokratiebewegung wird von China unterstützt

Bei einem politischen Aufruhr im Juni/Juli 2021 schlug die Regierung Eswatinis pro-demokratische Proteste gewalttätig nieder. Mehr als 80 Menschen kamen laut Amnesty International dabei um. Über 200 Menschen wurden verletzt, weil die staatlichen Sicherheitskräfte übermäßig Gewalt einsetzten. Kritik entzündete sich auch an der taiwanesischen Regierung. Angeblich seien zwei Helikopter, die Taiwan Eswatini zu militärischen Zwecken überließ, während des Aufruhrs vom Swasi-Militär genutzt worden. Taiwan äußerte sich nicht kritisch zu den Vorfällen. Nach den Protesten übergab es dem König jedoch 22,9 Mio. US-Dollar für den Wiederaufbau. Tanele Maseko, Menschenrechtsaktivistin und Witwe des Menschenrechtsanwalts und Oppositionspolitikers Thulani Maseko, wandte sich im Interview mit New Bloom, einem linken Online-Magazin mit Fokus auf Taiwan und dem breiteren Asiatisch-Pazifischem-Raum, an Taiwan: „Ich würde die taiwanesische Regierung auffordern, ehrlich zu sein. Wenn sie behauptet, demokratisch zu sein, wenn sie behauptet Menschenrechte zu schätzen, dann muss sie mit ihrem engsten Verbündeten reden." Es wird vermutet, dass Masekos Ermordung im Januar 2023 von König Mswati angeordnet wurde.

Gegenüber dem Eswatini Observer machte der taiwanesische Botschafter Jeremy Liang im Januar 2024 China für den Aufruhr im Jahr 2021 verantwortlich. Die Volksrepublik arbeite im Hintergrund daran, Eswatini zu sabotieren, und habe hinter den Ereignissen gesteckt, die zum Aufruhr geführt hätten. Liang warnte zudem vor weiteren Unruhen, wenn die Swasi-Bevölkerung nicht vorsichtig mit den Absichten der Volksrepublik umgehe. China wolle pro-demokratische Aktivist:innen benutzen, um Eswatini zu stören. Es sei nicht überraschend, dass China nach den Wahlen demokratische Bewegungen des Landes eingeladen habe, so der taiwanesische Botschafter. Zu diesen zählten die Swaziland Democratic Party (Swadepa), Sive Siyinqaba National Movement (SSNM) und das People's United Democratic Movement (Pudemo).

Zweli Martin Dlamini, Redakteur des regierungskritischen Magazins Swaziland News Online Magazine, sagt: „Selbst, wenn es stimmt, dass China Forderungen nach Demokratie in diesem Land unterstützt, unterscheidet sich das von Taiwans Unterstützung des unterdrückerischen Tinkhundla-Systems, indem es die armen Swasis ausnutzt und Reis verteilt, um das Wahlrecht zu manipulieren?"

Dlamini äußert sich allgemein kritisch zur Rolle Taiwans in Eswatini. Es mische sich in politische und wirtschaftliche Angelegenheiten Eswatinis ein und beeinträchtige die Souveränität des Landes. Der taiwanesische Botschafter Liang habe nicht nur durch Spendenkampagnen die Tinkhundla-Wahlen beeinflusst, er kontaktiere auch Minister:innen, um deren Entscheidung zu beeinflussen. Liang sei darüber verärgert gewesen, dass eine chinesische Firma mit 3,5 Mrd. Rand für den Bau des Mpakeni-Staudammes beauftragt wurde. Anfang Februar 2024 habe er Polizist:innen angeheuert, chinesische Arbeiter am Staudamm zu verhaften. Der Vorwand sei gewesen, dass sie sich entweder illegal im Land aufhielten oder ohne Arbeitserlaubnis seien.

100 Jahre „Taiwatini" oder diplomatische Beziehungen zu China?

Laut der pro-chinesischen Nachrichtenseite Duowei News hat Eswatini bereits mit China darüber gesprochen, die Anerkennung Taiwans zurückzunehmen. Zweli Martin Dlamini erzählte zudem im Januar 2024 gegenüber dem südafrikanischen Rundfunk SABC, der König würde insgeheim chinesische Investor:innen engagieren. In Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Situation sei es nur noch eine Frage der Zeit, bis Eswatini Taiwan im Stich lasse und diplomatische Beziehungen zu China aufbaue. Die Assistenzprofessorin für Global China Studies an der NYU Shanghai, Maria Adele Carrai, hält es für sehr wahrscheinlich, dass Eswatini in den kommenden Jahren auf den Kurs der „Ein-China-Politik" einschwenken wird. Aus einer rein wirtschaftlichen Perspektive halten auch Fung Ping Cheung und andere Autoren einen Perspektivwechsel Eswatinis Richtung China für plausibel. Allerdings lassen sich Eswatinis außenpolitische Positionen und diplomatische Beziehungen vor allem durch den Instinkt, die Präferenzen und die Interessen des Königs erklären. Solange der König an der Macht sei, dürfe den wirtschaftlichen Gründen nicht zu viel Gewicht beigemessen werden. In den letzten Jahren sei das taiwanesische Budget für Eswatini vergrößert worden, erklären die Autoren. Das Land könne von seiner Treue zu Taiwan immer stärker profitieren. Bereits in der Vergangenheit ist Eswatini belohnt worden: Für andere Verbündete bestimmte Gelder sind umgeleitet worden – etwa als Malawi im Jahr 2008 zu China offizielle Beziehungen aufnahm.

Die Zusammenarbeit – „Taiwatinis" – ist vielfältig und wird immer weiterausgebaut. Sei es durch ein Städtepartnerschaftsabkommen, Gelder für den Bau eines Ölreservoirs oder die Unterstützung von Unternehmerinnen durch Kredite (2023). Die Doppelfeier 55 Jahre Unabhängigkeit und König Mswatis Geburtstag markiert zugleich die 55-jährigen Beziehungen. Deshalb besuchte Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen im September 2023 Eswatini für vier Tage. Tsai und Mswati sprachen von langjähriger „Freundschaft", die 100 Jahre andauern solle. Zu diesem Anlass sagte der König, der seit seiner Krönung in 1986 bereits 18 mal in Taiwan war, dass Taiwan auch seine Heimat sei: „Wir haben ein super Verhältnis, das weiterhin wächst."

Einige Beobachter:innen äußern sich skeptisch, ob Eswatini ohne den König auch weiterhin an der Seite Taiwans stehen würde. Regierungskritiker:innen kritisieren Taiwans Unterstützung der absoluten Monarchie. Die Partei Pudemo hat bereits eine Richtlinie festgelegt, die auf die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik China abzielt – und damit dessen „Ein-China-Politik" unterstützt. Liberia, Gambia und Burkina Faso sind während ihrer demokratischen Entwicklung innerhalb von ein bis drei Jahren zu China gewechselt. Professor Bhaso Ndzendze und die Forscherin Nomzamo Gondwe an der Abteilung für Politik und Internationale Beziehungen der Universität von Johannesburg haben eine Erklärung für den Wechsel neuer afrikanischer Demokratien von der Anerkennung Taiwans zur „Ein-China-Politik": die Demokratisierung (inklusive des daraus resultierenden Parteienwettbewerbs) sowie wirtschaftliche und entwicklungspolitische Vorteile.

Die Zukunft der diplomatischen Allianz hängt demnach stark von der persönlichen Loyalität des Königs und den Entwicklungen des politischen Systems im Lande ab. Wenn sich das Regierungssystem und die Beziehungen zwischen Taiwan und Eswatini in den nächsten Jahren nicht stark verändern, ist davon auszugehen, dass das Land auch weiterhin Taiwans letzter afrikanischer Verbündeter bleibt.

Madeleine Lang studiert zurzeit an der Universität Gent in Belgien im Master Global Studies (Erasmus Mundus Master in Global Studies).