Heft 4/2016, Mosambik

Mosambiks zweite Schuldenkrise

MOSAMBIK STEHT VOR DEM BANKROTT. Die Schulden haben sich verdreifacht, dazu wurden illegale Anleihen bekannt, weswegen die Geberländer ihre Haushaltshilfe für das Land eingefroren haben. Die Probleme, die von der Forgängerregierung Guebuza zu verantworten sind, könnten Mosambiks gegenwärtigen Präsidenten Nyusi noch in die Bredouille bringen.

 

Die Initiative für hochverschuldete, arme Länder (HIPC) ermöglichte bis 2006 die Streichung von mosambikanischen Staatsschulden in Höhe von 2,36 Mrd. US-Dollar. Dies erlaubte es Mosambik, die Summen, die es zuvor jährlich für die Zinszahlungen des Schuldendienstes hätte zahlen müssen, nun für den Wiederaufbau und die Entwicklung des von ca. 30 Jahren Krieg zerstörten Landes zu nutzen und zu versuchen, die Anzahl der Bürger, die in absoluter Armut lebten, unter 50 Prozent der Bevölkerung zu drücken. Präsident Armando Guebuza versprach seinerzeit die Entwicklung des Personals im Gesundheits- und Erziehungssektor des Landes sowie die Verbesserung der Infrastruktur, der staatlichen Dienstleistungen und des Finanzwesens des Staates. Er gelobte auch, der weit verbreiteten Korruption ein Ende zu setzen.

 


Aktuelle Eckdaten zur Wirtschaftslage Mosambiks
• Die ausländischen Direktinvestitionen fielen um 35 Prozent auf 650 Mio. US-Dollar.
• Der Wert der lokalen Währung gegenüber dem US-Dollar fiel um 28 Prozent, so dass nun 1 US-Dollar gegen 66,36 neue Meticais umgetauscht werden.
• Die jährliche Inlationsrate lag im Juni 2016 bei 19,7 Prozent.
• Geberstaaten haben ihre Budgetzuschüsse im Wert von rund 500 Mio. US-Dollar aus Protest gegen die illegalen Anleihen der Regierung Guebuza eingefroren.
• Das südliche Afrika muss die schlimmste Dürre seit 35 Jahren überleben. Mosambik erhielt von der UN, von der Weltbank und von Großbritannien eine Summe von 100 Mio. US-Dollar für 450.000 Dürreopfer im Süden des Landes – es hat dort wegen des El-Niño-Wetterphänomens seit zwei Jahren nicht geregnet.
• Das Wirtschaftswachstum wird sich verlangsamen und nur 4,5 Prozent ausmachen.


 

Schulden verdreifacht
Im Zeitraum 2006 bis 2015 haben sich die gesamten Schulden der öffentlichen Hand von ca. 3,5 Mrd. US-Dollar auf über 10 Mrd. US-Dollar verdreifacht. (Hier sind die sog. „illegalen Anleihen" noch nicht mitgezählt).


In diesem Zeitraum vermehrten sich die kommerziellen Schulden des Staates von 300 Mio. US-Dollar auf 2,4 Mrd. US-Dollar. Die kommerziellen Schulden waren natürlich teurer in der Rückzahlung, hatten kürzere Laufzeiten und konnten schlechter umgeschuldet werden als die „weichen", konzessiven Schulden der Entwicklungsagenturen der Geberländer. Es waren die kommerziellen Schulden, die das Wachstum der Staatsverschuldung in die Höhe trieben. Die kommerziellen Schulden wuchsen dreizehn Mal schneller als das Bruttosozialprodukt und machten 2016 unter Einbeziehung der illegalen Schulden geschätzte 49 Prozent der gesamten Staatsschulden Mosambiks aus.


So weit dies derzeit bekannt ist, belaufen sich die Staatsschulden unter Berücksichtigung der illegalen Anleihen, die wir gleich erläutern, auf rund 12 Mrd. US-Dollar. Sie machen über 80 Prozent des Bruttosozialproduktes aus. Mosambik wird den Schuldendienst für diese Schulden aus eigener Kraft kaum leisten können. Die Grenzen der „Nachhaltigkeit" sind überschritten.

 

Die illegalen Schulden
Bei den illegalen Anleihen wurden drei Firmen im Staatsbesitz und ein Ministerium begünstigt:
• Ematum mit einem Kredit in Höhe von 850 Mio. US-Dollar
• Pro-Indicus erhielt einen Kredit von 622 Mio. US-Dollar
• das Mozambican Asset Management bekam einen Kredit von 535 Mio. US-Dollar
• das Innenministerium erhielt verschiedene Kredite von insgesamt 221 Mio. US-Dollar für „Law and Order"-Aufgaben.


Diese Anleihen wurden nicht vom Parlament gebilligt, was aber gemäß Artikel 179 der Verfassung vorgeschrieben ist. Die letzten drei dieser Anleihen wurden auch im Budget des Staates nicht registriert, wie das Gesetz es verlangt. Insofern hat die angebliche Staatsgarantie für die Rückzahlung dieser Anleihen keinerlei rechtliche Grundlage. Weil diese Anleihen illegal sind, sollten sowohl der Staat wie die steuerzahlenden Bürger des Landes sich weigern, sie zurückzuzahlen. Weil diese Anleihen dem Lande und seinen Bürgern nicht zugute gekommen sind und ihm nichts nützen, gehören sie zur Kategorie der sittenwidrigen Schulden (odious debt).


Die Anleihen wurden von der Regierung unter Präsident Armando Guebuza angeworben – unter Verletzung der Verfassung des Landes. Das Argument des Finanzministers, der Staat müsse diese illegalen Schulden übernehmen und zurückzahlen, um seinen Ruf als vertrauenswürdigen Schuldner nicht zu verlieren, kommt zu spät.


Seit der Entdeckung dieser illegalen und nicht erklärten Anleihen haben die Ratingagenturen der Vertrauenswürdigkeit Mosambiks längst Schrottstatus zugebilligt. Wenn sich also die Regierung unter Präsident Filipe Jacinto Nyusi entschließt, auch die Rückzahlung der illegalen Schulden zu übernehmen, dann wird der Schuldendienst für die externen Staatsschulden auf jährlich 500 Mio. US-Dollar steigen. Das entspricht etwa 30 Prozent des Wertes der Exporte des Landes. Das ist für Mosambik kaum machbar, denn eine signifikante Gasproduktion und der damit verbundene, Devisen bringende Gasexport ist vor 2025 nicht zu erwarten. Andere frische Einkommensquellen sind nicht in Sicht. Nach dem Einfrieren der Entwicklungshilfe und der konzessiven Budgethilfen seitens der Geberländer wird es für das Land schwer werden, die notwendigen Nahrungsmittel und Medikamente zu importieren.


Der Stand der offiziell erklärten Schulden kann immer noch geringer sein als die effektiven Schulden. Die offizielle Schuldenlast wird auf der Basis ausgezahlter Kredite berechnet und nicht auf der Basis der von der Regierung eingegangenen Anleiheverträge. Es gibt zum Beispiel große, noch nicht vollendete Bauprojekte, wie die Brücke von Maputo über die Bucht nach KaTembe. Die Anleihen für dieses und andere nicht abgeschlossene Projekte wurden bisher nicht zur Gänze zur Verfügung gestellt. Sobald sie ausgezahlt sind, könnte der gesamte öffentliche Schuldenstand auf rund 14 Mrd. US-Dollar hochschnellen, so Castel Branco und Massaronga in Ideias vom 2. Juni 2016.

 

Wer hat profitiert?
Wem haben die illegalen Anleihen Guebuzas eigentlich genützt? Dazu müssen wir uns die Eigentümerstruktur der begünstigten Firmen ansehen und das, was sie eingekauft haben:


Ematum gehört zu 34 Prozent einer staatlichen Vermögensverwaltung, zu 33 Prozent einer staatlichen Fischereigesellschaft und zu 33 Prozent einer weiteren Vermögensgesellschaft unter Kontrolle der Geheimpolizei SISE. Ematum kaufte 24 Fischereiboote, die noch keine Lizenz haben, drei Interzeptoren und drei Trimarans wie auch Radargeräte. All das, was die Fischerei angeht, ist nicht mehr als etwa 100 Mio. US-Dollar wert. Proindicus soll der maritimen Sicherheit dienen. Die Firma gehört zu 50 Prozent dem Verteidigungsministerium bzw. individuellen Generälen und SISE-Chefs. Und zu 50 Prozent einer Vermögensverwaltung unter Kontrolle der SISE-Geheimpolizei. Proindicus kaufte 12 Interzeptoren und einige Radargeräte (unter anderem von deutschen Lieferanten). Die Mozambique Asset Management (MAM) soll auch der maritimen Sicherheit dienen und gehört zu 98 Prozent der Vermögensverwaltung der SISE. Alle drei Firmen haben denselben Vorstandsvorsitzenden: Antonio Carlos de Rosario, der aber nur die Marionette des SISE-Generaldirektors Gregorio Leao José de Barros ist.


Da die Verwendung von mindestens 1,2 Mrd. US-Dollar nicht nachgewiesen worden ist, vermuten Analysten, dass die Anleihen im Wesentlichen in die Taschen der Sicherheitsbeamten und der Riot Police geflossen sind. Da die genannten Firmen in der Zeit zwischen 2012 und 2014 gegründet wurden, vermuten andere, dass Guebuza sich in dieser Zeit eine dritte Amtszeit kaufen wollte, in dem er „liberal" die endlosen Wünsche seiner Klientel bediente. Diese ist stark daran interessiert, die Geldgeschenke zu behalten und dafür den Staat und die Bürger bluten zu lassen. Leider scheint diese Klientel auch so mächtig zu sein, dass Guebuza et al. sich nicht vor Gericht verantworten müssen.


„Mosambik ist jetzt in mehrfacher Hinsicht kurz vor dem Bankrott: moralisch, wegen der ständig um sich greifenden Korruption und der Gier der Oligarchen; politisch, weil die über 20 Jahre Frieden nun gefährdet sind; und finanziell wegen der explodierenden Schulden und der geplatzten Hoffnung auf eine Bonanza in der Nutzung der natürlichen Resourcen", schrieben Paolo de Renzio und Adriano Nuvunga in africanarguments.org vom 12.7.2016 (siehe dazu Artikel zum Kohlebergbau).
Gottfried Wellmer