REGIERUNG UND OPPOSITION VOR DEN WAHLEN IN ANGOLA. Seit der Unabhängigkeit wird Angola von einer politischen Partei regiert, die entweder direkt oder durch Assoziation ihre politische Hegemonie behauptet hat. Mit welcher Form der Regierung die MPLA seit Jahrzehnten auch experimentiert hat, nie hat dies den Angolanern den erwünschten Wohlstand gebracht. An erster Stelle stand immer die herrschende Sorge der Partei: Machterhalt um jeden Preis.
1992 (bei den ersten Wahlen nach dem Friedensabkommen von Bicesse 1991 und der Einführung des Mehrparteiensystems; d. Red.) hatte die seit 1975 regierende MPLA (Movimento Popular de Libertação de Angola) das Mandat erhalten, „Dreh- und Angelpunkt" des demokratischen Übergangs zur Überwindung des autoritären Staats zu sein. 25 Jahren später, und 15 Jahre nach endgültiger Beendigung des Bürgerkriegs, befindet sich die Demokratie in der Sackgasse. Die Prämissen zur Unterstützung des demokratischen Übergangs, wie der ungehinderte Zugang zum öffentlichen Raum, die Presse- und Demonstrationsfreiheit, die Gewaltenteilung, die politische und wirtschaftliche Dezentralisierung, die Trennung von Partei und Staat, seiner Institutionen und der Gesellschaft sowie die Achtung der Verfassung und der Gesetze, existieren nicht oder sind bloße Makulatur. Und wenn dürftige Freiheiten erlaubt sind, obliegen sie der strengen Kontrolle und Überwachung durch den mächtigen staatlichen Sicherheitsapparat. Dessen Verfolgungsraum reicht bis zur persönlichen und familiären Ebene. Es handelt sich um ein aktives Instrument der Desinformation, das die „Aufständischen" mit sozialen Strafen ihrer Möglichkeiten beraubt. Der Sicherheitsapparat ist in Wirklichkeit das dominierende politische Instrument.
Die Mindestanforderungen an staatlicher Verwaltung wie die Bereitstellung von Trinkwasser und Strom, die Gewährleistung von Mindesteinkommen und einer angemessenen medizinischen Versorgung, bezahlbare Mieten, Zugang zu sanitären Einrichtungen, Erstellung von Personalausweisen und eine vereinfachte Verwaltung der öffentlichen Dienste sind nicht zustande gebracht worden. Das Land ist in einem „delinquenten Zustand" oder mit dem Status eines „gescheiterten Staates" behaftet. Dagegen hat die Korruption alle Bereiche des Staates und seiner Institutionen seit Zeiten des Bürgerkriegs befallen, in dem Tausende von Menschen ihr Leben verloren haben. Viele Familien leben heute trotz der über lange Zeit reichlich fließenden Öleinnahmen in Elend. Bei diesem systemischen, endemischen Zustand als natürlichem Bestandteil von Macht erscheinen die fehlende Demokratie und die Notwendigkeit zur Repression als logische Konsequenz. Der Präsident der Republik bezeichnet dies als notwendig und „intrinsisch", weil dies die moderne Form der „primitiven Akkumulation von Kapital" sei. Das bedeutet nichts anderes als die Vereinnahmung des Staates durch eine Gruppe prominenter militanter Kräfte der Regierungspartei.
Wandel als nationaler Imperativ
Die Unfähigkeit der aktuellen Machthaber, das Regime in seinen Grundlagen zu verändern, ist daher nicht der persönlichen und willkürlichen Entscheidung der Führung von José Eduardo dos Santos oder João Lourenço oder ihrer Stellvertreter zuzuschreiben. Im Kern geht es, abgesehen von überspannten und exotischen Randerscheinungen, um die Natur des Regimes. In Frage gestellt, würde es wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Dieses Risiko können die Machthaber nicht eingehen.
Die Regierungspartei zeigt sich also unfähig zu einem nachhaltigen demokratischen Übergang zum Allgemeinwohl der Bürgerinnen und Bürger. Vor den anstehenden Wahlen wächst daher in der Bevölkerung die Unzufriedenheit über das Regime. Menschen mit geringem Einkommen, vor allem diejenigen, die Ihre Kinder im angolanischen Bürgerkrieg verloren haben, werden sich zunehmend ihres täglichen Elends gewahr, der fehlenden Stromversorgung, der steigenden Arbeitslosigkeit und fehlender Gesundheitsfürsorge. Selbst die Mittelschicht, von der ein Teil Verantwortung für Großfamilien trägt, hat nicht nur an fehlenden Devisen zu knapsen, sondern auch an der vorherrschenden Desorganisation staatlicher Einrichtungen. Dazu kommt die steigende Arbeitslosigkeit im Öl- und Bausektor sowie in anderen Dienstleistungen, die qualifizierte Fachkräfte voraussetzen. Die meisten Unternehmer müssen sich an die Machthaber anbiedern, damit sie überhaupt einen Weg zum Überleben finden.
Es zeichnet sich daher ein zunehmender Konsens ab: Eine Veränderung ist ein nationaler Imperativ. Veränderung muss dabei kein Zauberwort sein. Es bedeutet schlicht und einfach: Die Gründung eines Rechtsstaates, in dem es eine klare Gewaltenteilung gibt, in dem Chancengleichheit für alle besteht und in dem es möglich ist, Armut zu bekämpfen, Entwicklung voranzutreiben, Gesundheit und Bildung zu fördern und angemessene sanitäre Einrichtungen sicherzustellen. Ein Staat, in dem sich jede und jeder als Bürgerin und Bürger fühlt. Das ist die große Herausforderung für die angolanische Nation in den nächsten fünf Jahren: Bedingungen zu schaffen, um kühnste Projekte erblühen zu lassen, die dann den verschiedenen Vorstellungen der Parteien unterzogen werden. Das derzeit vorherrschende Gefühl ist: Das Land steckt in einer Zwangsjacke, von der es sich befreien möchte.
Agenten des Wandels und die Wahlen
Da von der herrschenden Partei kein demokratischer Wandel erwartet werden kann, bleibt dies eine Aufgabe der Opposition. Gemeinsam mit den Sektoren der Zivilgesellschaft, die sich in ihrem politischen Bewusstsein längst von den Illusionen, die von den Machthabern geschürt werden, verabschiedet haben, ist sie das Vehikel des Wandels. Klar ist, den Kämpfe in verschiedenen Bereichen – gegen Landenteignung und Zerstörung von Häusern, gegen ungerechtfertigte Entlassungen, für bessere Arbeitsbedingungen der Lehrenden und Studierenden, für ein besseres Transportwesen, für freie und faire Wahlen, die aus der Sicht der „Revús" nicht unumstritten bleiben, für geeignete Parkplätze und aktualisierte Taxitarife – all diesen Kämpfen mangelt es noch an differenzierter Artikulation unter den verschiedenen Beteiligten. Das politische Bewusstsein für einen gemeinsamen Widerstand ist noch nicht genügend entwickelt, auch die Oppositionsparteien haben nur wenig dazu beigetragen.
Viele Menschen glauben an die Möglichkeit eines Wandels bei den kommenden Wahlen, trotz ihrer Zurückhaltung bei der Registrierung. Das hat auch mit dem allgemeinen Glauben zu tun, Betrug sei ein legitimes Mittel der Macht. Die überwiegende Mehrheit der Wähler glaubt jedoch nur an einen Wandel, wenn die Oppositionsparteien sich in einer Koalition ernst zu nehmender Kräfte vereinen. Genau hier liegt der Knackpunkt: Es mag fundamentale Gründe für einen Zusammenschluss geben, dagegen stehen aber rechtliche, emotionale und politische Vorbehalte, die nur mit einer unbeugsamen Vision, dem Willen der Beteiligten, sich politisch zu schulen, einer großen Liebe zur Nation und dem Verzicht auf persönlichen Vorteil zu überwinden sind. Den Wählern dürfte klar sein, dass der Manövrierraum der Regierungspartei nur mit einer Einheitsfront gebrochen werden kann. Nur so kann eine Alternative zur aktuellen Macht gelingen.
Vor- und Nachteile einer Koalition
Eine Demokratisierung des Landes, die über ein bloßes Mehrparteienparlament hinausgeht, ist ein Prozess effektiver Öffnung, von Kompromissen zwischen verschiedenen Kräften und von diesen mit der Bevölkerung als Souverän. Das Regime kann nur deshalb seine Muskeln spielen lassen, weil die Hegemonie einer einzigen Partei jeglichen Kompromiss verhindert. Ein parteienübergreifender Konsens kann viel besser eine Öffnung der Gesellschaft und damit die Demokratisierung des Landes befördern. Aufkeimende undemokratische Tendenzen könnten mit einem System interner Selbstkontrolle in einer Art gegenseitiger „Checks und Balances" leichter bekämpft werden.
Ein Oppositionsbündnis würde die Motivation, wählen zu gehen, erhöhen, der Prozess wäre partizipativer. Eine Einheitsfront kann Stimmen bündelt, den Wahlgang sinnvoll machen und die Aussicht auf mehr Abgeordnete der Opposition eröffnen. Hätte die Unita (União Nacional para a Independência Total de Angola) in den früheren Wahlen mit der CASA-CE koaliert, hätte die Opposition sicherlich zwei Abgeordnete für den Wahlkreis Luanda gehabt. Getrennt bekam sie nur einen, was der Regierungspartei zu mehr Abgeordneten verholfen hat. Das ist zweifellos die große Herausforderung für die politischen Kräfte, vor allem für den Demokratischen Block (Bloco Democrático-BD), CASA-CE und die Unita.
Es gibt jedoch einige Einschränkungen: Unser Wahlgesetz ist irrational und in diesem Bereich unflexibel. Es behandelt ein Wahlbündnis wie eine politische Partei und entzieht ihr damit die parlamentarische Vertretung. Die in CASA-CE vereinten Parteien erscheinen nicht als solche im Parlament, wie es in Portugal oder anderen Demokratien üblich ist. Das Wahlgesetz von 1992 erlaubte es den Abgeordneten und Parlamentsgruppen, die über ein Wahlbündnis gewählt wurden, für die jeweilige Partei agieren zu können. Das Bündnis diente nur dem Zweck erhöhter Wahlchancen. Dies war 1992 mit der Front für Demokratie (FpD), dem Vorläufer des Bloco Democrático, der Fall. Der Staatspräsident, der auf Vertreter dieser Partei einen besonderen Hass hegt, hatte per Anordnung verhindert, dass diese mit ihrem Kürzel im Parlament vertreten war. Er verlangte, dass die Partei unter der Abkürzung AD, dem Bündnis, für das sie kandidiert und einen Abgeordneten erhalten hatte, auftreten sollte. Später ließ er das Gesetz entsprechend anpassen. Folge ist, dass die Parteien sich nicht trauen, eine Koalition zu bilden, weil sie dann ihre Symbole, Flaggen und auf der politischen Bühne etablierten Namen nicht verwenden dürfen.
Gesetzt den Fall, den Parteien gelingt eine Formulierung, die den Zwängen einer Koalition aus dem Wege geht, müssen sie einem gemeinsamen Programm zustimmen, das die Mechanismen zur Wahrung und Erhaltung ihrer Dynamik als Parteien sowie die Methode zur Ausübung der Politik berücksichtigt.
Es gibt tatsächlich viele Aspekte auf der Agenda, die sich sowohl aus der parlamentarischen Praxis der Opposition als auch aus den Aktivitäten der Parteien und selbst aus vereinzelter Einigkeit in der Zivilgesellschaft ergeben: Die Entscheidung für den Rechtsstaat mit effektiver Gewaltenteilung, eine Verfassungsänderung, die dem Präsidenten der Republik die Macht für Dekrete und für und andere einschlägige Fragen entzieht, die Bekämpfung der Korruption und die Errichtung eines Rechenschaftssystems im öffentlichen Sektor, im staatlichen Wirtschaftssektor und in der Gesellschaft, die Bekämpfung der Armut, die Gewährleistung von Mindesthaushaltsmitteln für Gesundheit, Bildung und die Sicherung von Mindesteinkommen, die Dezentralisierung der lokalen Regierung und die Ausübung einer Friedenspolitik in der Region, die den Militärhaushalt minimiert.
Vorwahlabkommen als Alternative?
Wenn die Oppositionsparteien nicht koalieren, welche Alternativen bleiben dann für die Mobilisierung der Wähler und für eine demokratische Errungenschaft?
Die Parteien können eine parlamentarische Vorwahlvereinbarung auf der Grundlage der oben genannten Fragen geltend machen. Die Wähler wären motivierter, weil sichergestellt wäre, dass die Partei, der sie ihre Stimme geben, sich im Parlament politisch äußern könnte. Die bisherigen Oppositionsparteien könnten im Falle einer parlamentarischen Mehrheit das Land regieren, falls eine der Parteien die Wahlen gewinnt und damit die Exekutive. Oder sie könnten eine Oppositionspolitik im Parlament gestalten, wenn sie die Mehrheit, aber nicht die Exekutive, erhalten. Dies ist ein vorteilhafter Aspekt. Das Risiko ist jedoch, dass es nicht soweit kommen könnte, weil es keine gebündelte Stimme gibt. Viele Abgeordnete, die als zur Opposition gehörig auftreten, könnten der Regierungspartei angehören, und es gibt keine Garantie, Enthaltung von Seiten der Opposition zu bremsen.
Im Falle dieser beiden Modalitäten (Koalition oder Vorwahlvereinbarung) können Parteien, die für ihr spezifisches Gewicht um die parlamentarische Macht wetteifern, eine politische Vereinbarung für die Zeit nach den Wahlen zu Stande bringen. Dieses bereits durch den Unita-Präsidenten angekündigte und wahrscheinlich von CASA-CE und anderen Politikern bevorzugte Modell leistet im Zweifelsfall den ungünstigsten Beitrag zum Wandel. Falls eine Partei die Wahlen gewinnen sollte, wird sie wie die aktuelle Regierungspartei vorgehen: Die anderen Parteien mit Minderheitenstatus zur Kooperation einladen oder ihre Unterstützung gewinnen, um regieren zu können. In einer etablierten Demokratie ist das ein normaler Vorgang, aber bei so schwachen Institutionen wie in Angola und einer Politik, die als Mittel für den Zugang zum Reichtum benutzt wird, ist das schwer durchzuführen.
Die Oppositionsparteien setzen auf die letzte Option, obwohl intern darüber keine Einmütigkeit besteht. Dies begünstigt zweifellos das Manöver der herrschenden Partei, die zeigen möchte, dass sie noch über eine breite Plattform verfügt. Sie bekniet die Wähler, ihr noch eine Chance zu geben, um ihre primitive räuberische Akkumulation, die Unterdrückung der Menschen und die Bekämpfung der Kräfte, die sich kritisch zu ihrer Politik äußern, fortzuführen.
Die minimalistische Perspektive der Einheit
Es bleibt die Kontrolle durch die Wahrheit an den Urnen als einziger Einigungsprozess zwischen den Oppositionsparteien. Ihre glaubwürdigen Vertreter wissen natürlich, dass sie durch die betrügerischen Aktionen der Regierungspartei benachteiligt werden. Sie sollten sich in diesem Kampf mit allen Kräften vereinigen, um zu verhindern, dass die Wahlen sich in ein lächerliches Schauspiel verwandeln, das eine Pseudodemokratie begünstigt. Die Zeichen sollten vereint mit der Gesamtgesellschaft gesetzt werden, denn für sie sind Wahlen ein Moment von Souveränität, bei dem die politischen Parteien die bloßen Vermittler sind. Zu sagen, die Regierungspartei habe die Wahlen bereits durch Fälschung gewonnen, hieße nichts anderes, als vorzeitig das Handtuch zu werfen. Gerade unter diesen Umständen macht die Aussage Sinn: Die Demokratie ist etwas, um das zu kämpfen es sich lohnt. Erst bei einem gemeinsamen Einsatz zur Überwachung aller Wahlphasen und bei einer tatsächlichen Vermeidung der üblichen Fälschungen kann sichergestellt werden, dass die für eine bestimmte Partei abgegebenen Stimmen tatsächlich auch für diese gezählt werden.
In diesem Sinne müssen die Oppositionsparteien wissen, wie sie die Menschen organisieren können, um Betrugsmanöver auszuschließen. Das bedeutet, dass sie über genügend Kraft verfügen müssen, um zu gewährleisten, dass der Prozess auch dann weiter geht, wenn Situationen auftreten, die ihre Integrität und Transparenz gefährden.
Filomeno Vieira Lopes
Der Autor ist Mitglied des Politbüros des Bloco Democrático und Koordinator des Wahlbüros der Partei.