Heft 4/2019, Tansania

Die FlipFlopi

EIN DHOW-SEGELSCHIFF AUS RECYCELTEM KUNSTSTOFF

Lamu! Der Name der Insel im Indischen Ozean erinnert an sanfte, warme Wellen, aquamarines Meerwasser und blassen, pulvrigen Sand. Der Duft exotischer Gewürze liegt in der Luft; traditionelle Dhows tanzen auf den Wellen...

Die idyllische Vorstellung wird von der Realität eingeholt. Lamu ist das Opfer von immer zahlreicher werdendem Plastikmüll, der vornehmlich von Strömungen aus Asien getragen und durch die Wellen bzw. Gezeiten an den Inselufern deponiert wird. Der Mensch zerstört seine Umwelt immer schneller und immer intensiver.

Bei einer lokalen, freiwilligen Strandsäuberungsaktion wurden an den Stränden in kurzer Zeit über 30 Tonnen Plastik eingesammelt. Etwa 7 Tonnen dieses Kunststoffabfalls waren Flip-Flops. Flip-Flops sind die billigen und bunten Plastikslipper, die von über drei Milliarden Menschen auf der ganzen Welt getragen und aktuell zumeist in China produziert werden.

Fast alle Küsten der Region werden jährlich immer mehr durch Abfälle von der anderen Seite des Indischen Ozeans kontaminiert. Vor Sansibar treiben mittlerweile regelrecht Inseln aus Kunststoff. Besonders aber die weggeworfenen Flip-Flops fallen an den Stränden auf. Eine Gruppe von Freunden wollte dies nicht länger hinnehmen und gründete eine Initiative. Sie suchten nach einem auffälligen Zeichen für den Kampf gegen den Plastikmüll. Und so entstand die Idee des FlipFlopi.

Recycling-Indaba
#PlasticRevolution wurde in typisch afrikanischer Tradition geboren – ein paar Freunde versammelten sich um ein Feuer und diskutierten ihre Ideen, um Veränderungen herbeizuführen. Eine Art Recycling-Indaba. Schließlich einigte sich die Runde auf die traditionelle afrikanisch-arabische Dhow als Aushängeschild und Markenzeichen für die Umweltaktion.

Letztendlich soll es ein Schiff aus 60 Tonnen recyceltem Kunststoff und 200.000 Flip-Flops werden, das später das Kap der Guten Hoffnung umsegeln soll – eine Leistung, die bisher keine Dhow je erreicht hat.

Die Dhow (deutsch Dau, auch Dhau) ist ein traditionelles Segelschiff arabischen Ursprungs. Seit Jahrhunderten segelt sie an der Ostküste Afrikas und am Indischen Ozean entlang. Sie hat dazu beigetragen, Kontinente zu verbinden und den Handel zu ermöglichen. Das Dhow-Design hat sich in den vergangenen 2.000 Jahren kaum verändert. Die Dhows in den Häfen von Abu Dhabi, Doha, Dubai, Lamu, Mombasa und Stone Town (Sansibar) sehen fast identisch aus.

Im FlipFlopi-Team haben sich um Initiator Ben Morison in den letzten Monaten einige hochmotivierte Experten aus den Bereichen Schiffsbau, Umwelt, Forschung und Kommunikation zusammengetan, die das Projekt professionell unterstützen.

Der Schiffsbauer Ali Skanda hat unter anderem schon für das Smithonian Museum in Washington D.C. eine Dhow gebaut. Zum 12-köpfgigen Team gehören neben Projektleiter Dipesh Pabari auch der Schiffskonstrukteur Leonard Schürg aus den Niederlanden und der Umweltaktivist Benson Gitari aus Kenia.

Testfahrt und Sponsoren
Das Team war sich schnell einig, dass man die große Dhow nicht ohne vorherige Testfahrten auf große Fahrt schicken kann. Auch benötigt man zusätzliche Partner und Sponsoren. In den letzten 12 Monaten wurde deshalb ein verkleinertes Modell entwickelt, gebaut und zu Wasser gelassen.

Die neun Meter lange Test-Dhow „The Flipflopi" segelte Anfang 2019 von Lamu (Kenia) aus knapp 500 Kilometer Richtung Süden nach Sansibar in Kenia. Mehrere Zwischenstopps erlaubten es der Crew, die Botschaft #PlasticRevolution an Schulen und in den Häfen zu kommunizieren. Weltweit erschienen Presseberichte.

Die Initiative setzt vor allem auf eine Verbreitung durch die sozialen Medien. So ist es ihr in kurzer Zeit gelungen, eine breite Öffentlichkeit für das Problem von Kunststoffabfällen an den Stränden Afrikas zu sensibilisieren – und die gemeinnützige Thomson Reuters Foundation als einen der wichtigsten Sponsoren der Initiative zu gewinnen.

Forscher schätzen, dass die Welt seit Anfang der 1950er-Jahre mehr als 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoff produziert hat, so das UN-Umweltprogramm UNEP. Von allen Kunststoffabfällen wurden nur neun Prozent recycelt, sagen UN-Experten. Etwa 12 Prozent wurden verbrannt, während der Rest auf Deponien oder in der Umwelt landete.

In Partnerschaft mit der Flipflopi-Clean Seas-Kampagne hat sich die Regierung des Bezirks Mombasa jetzt verpflichtet, dazu beizutragen, Kunststoffabfälle von ihren Stränden fernzuhalten, indem sie ihre größte Müllhalde, Kibarani, schließt und sie rekultiviert. UN Environment arbeitet mit der lokalen Regierung zusammen, um die Deponie zu sanieren, die seit 50 Jahren Abfälle ins Meer entsorgt. Die Kibarani-Deponie ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Es fehlt vor allem an der Finanzierung der Abfallentsorgung. Alleine die Stadt Mombasa benötigt jedes Jahr 20 Millionen US-Dollar, um ihre Abfälle effizient zu entsorgen.

Abfallwirtschaft hat keine Priorität
Afrika steht vor einer erheblichen Finanzierungslücke – von bis zu 40 Mrd. US-Dollar – bei der Bewältigung der Abfallwirtschaft, sagte Juliette Biao Koudenoukpo, die Direktorin des Afrika-Büros von UN Environment. Die Siedlungsabfallaufkommen des Kontinents, die derzeit 125 Millionen Tonnen pro Jahr betragen, dürften sich bis 2025 aufgrund veränderter Einkaufsgewohnheiten und schneller Urbanisierung verdoppeln.

„Abfallwirtschaft hat in Afrika bisher keine Priorität", sagte sie. „Abfall ist eine Bedrohung für die biologische Vielfalt, aber es ist möglich, diese Bedrohung in Chancen zu verwandeln – wir können recyceln und Arbeitsplätze schaffen."

Joyce Gachugi-Waweru, Country Manager bei PETCO, Kenias nationalem Industrieverband für Kunststoffrecycling, sieht den Privatsektor als Schlüssel zu Lösungen für die Kunststoffverschmutzung durch die Wiederverwendung von Kunststoff und die Entwicklung von Alternativen. „Die Recyclingindustrie könnte jungen Menschen Arbeitsplätze bieten, Wohlstand schaffen und die Umwelt schützen", fügte sie hinzu.

Kenia hat bereits reagiert. Das Ende des Einweg-Kunststoffs in allen Schutzgebieten, einschließlich Nationalparks, Wäldern und sogar Stränden, wurde am Weltumwelttag 2019 angekündigt und gilt ab Juni 2020.

Auch in Deutschland war das FlipFlopi mit dem Claim #plasticrevolution aktiv – sowohl in Berlin als auch in Bonn. In Berlin traf sich das Team mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. In Bonn war FlipFlopi im Rahmen des UN SDG Global Festival of Action im Rahmen des Mission to Earth Launch-Films zu sehen.

Inspiriert vom Erfolg des nur kurzen Segelturns von Lamu nach Stone City will die FlipFlopi Anfang 2020 den Victoria-See befahren und auf das Thema „Kunststoffrecycling" aufmerksam machen.

Jürgen Langen

Links zur FlipFlopi:
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