Heft 4/2020, afrika süd-dossier: Afrika-Asien

Afrika – Beute Chinas

Unser Blick auf die Welt ist eurozentrisch – und damit einseitig. Ein Buch kann unsere Weltsicht verändern: Das 2019 erschienene Werk des in Indien geborenen Politikwissenschaftlers Pararg Khanna: „Unsere asiatische Zukunft". Aus Sicht Chinas ist die angestrebte Rolle, führende Wirtschafts-, Handels- und Militärmacht der Welt zu werden, eine überfällige Korrektur der Geschichte, die Beherrschung der Welt durch die Europäer nur ein kleine Zwischen-Episode. Die wachsende Macht Chinas, aber auch anderer asiatischer Staaten wie Indien, ist nicht mehr zu übersehen und wird in den Medien zur Kenntnis genommen.

Übersehen wird allzu oft, mit welchem System wir es in China zu tun haben: Einer Einparteiendiktatur mit dem auf Lebenszeit gewählten Präsidenten Xi Jinping. Das System nennt sich kommunistisch, aber die Lehren von Marx sind nicht erwünscht. Übrig geblieben vom Kommunismus sind die Techniken der Unterdrückung und Gewaltausübung von Lenin, Stalin und Mao Zedong, der zunehmend den Status eines Überirdischen bekommt. Ideologisch wird zunehmend und missbräuchlich an die Harmonielehre des Konfuzius (551-479 v.u.Z.) als Grundlage staatlichen und individuellen Handelns angeknüpft, nach der der Mensch dann edel ist, wenn er in Harmonie nicht nur mit seiner Umwelt, sondern vor allem mit der zentralen Harmonie, also dem Staat, lebt. Daraus folgt, dass individuelle Freiheitsrechte die Harmonie stören, dass es eine Opposition nicht geben darf und damit auch keine Pressefreiheit. Die Menschenrechte sind ein Ausfluss dekadenten westlichen Denkens. Der Konflikt um Hongkong legt all das zutage.

Außenpolitisch folgt aus diesem Staats- und Gesellschaftsverständnis und dem historischem Bewusstsein, dass die Rolle Chinas als führende Macht der Welt wiederhergestellt werden muss, eine aggressive Außenpolitik, die sich ausschließlich an den Interessen Chinas orientiert. Dabei hat Afrika für China eine deutliche Priorität mit seinen Bodenschätzen, seinen großen landwirtschaftlichen Ressourcen, seiner riesigen ungenutzten Arbeitskraft. Zudem ist der Zugang leicht wegen der schwachen und überwiegend korrupten Regierungen: Eine leichte Beute für China, das den Ländern Afrikas große Infrastrukturprojekte anbietet und einen Modernisierungsschub verspricht, der in eine blühende Zukunft führen soll.

Die Folge ist eine gigantische Verschuldung vieler afrikanischer Staaten gegenüber China. Bezahlt werden können diese Schulden nur mit den Ressourcen der Länder: Erdöl, Bodenschätzen, Holz, Land. Wer darüber aber bestimmt, bestimmt weithin auch die Politik. Ein Blick in die regelmäßig stattfindenden „Gipfeltreffen für die Zusammenarbeit von Afrika und China" (FOCAC) ist aufklärend: Oben auf dem Podium steht der chinesische Präsident, unten sitzen die afrikanischen Staatsführer wie gelehrige Schüler.

Auch ideologisch versucht China die jungen afrikanischen Eliten an sich zu binden. An nahezu allen Universitäten Afrikas werden „Konfuzius-Institute" gegründet. Über diese Kulturinstitute werden Tausende von Stipendien vermittelt, damit die junge Elite Afrikas in China lernt, den chinesischen Weg für den einzig richtigen zu halten. Es ist nicht zu übersehen: Die Staaten Afrikas werden immer mehr zu Klientel-Staaten Chinas. Befreien können sich die Länder Afrikas aus dieser neuen Abhängigkeit nur selbst. Europa kann auf Wunsch höchsten helfen.

Klaus Thüsing

Der Autor ist Politikwissenschaftler; ab 1988 für 17 Jahre Landesdirektor des DED in Kenia, Ghana, Botswana, Lesotho und Südafrika.