CHINAS ROLLE BEI DER SCHULDENSTOPP-INITIATIVE DSSI. Afrika durchlebt aufgrund der Auswirkungen von Covid-19 die erste kontinentweite Rezession seit 25 Jahren. Im südlichen Afrika spielen die gesundheitlichen Auswirkungen der Pandemie noch immer eine Rolle, aber die Schwere des wirtschaftlichen Einbruchs liegt angesichts einer Rezession in den meisten Ländern bereits zutage. Viele Staaten des südlichen Afrika befanden sich bereits vor Covid-19 in wirtschaftlicher Bedrängnis – Angola, Mosambik, Sambia und Simbabwe, zum Teil aufgrund einer nicht tragbaren Schuldenlast gegenüber China. Angola ist in dieser Hinsicht für Peking von besonderer strategischer Bedeutung, da es nicht nur eine massive Verschuldung gegenüber China auf sich genommen hat, sondern 2019 auch der viertgrößte Exporteur von Öl nach China war (72 Prozent aller Ölexporte Angolas).
Die Covid-19-Krise hat die afrikanische Verschuldung und ihren Erlass wieder an die Spitze der internationalen Agenda getrieben, obwohl diesmal ein Großteil der Schulden bilateralen, nicht-zinsvergünstigten oder kommerziellen Ursprungs ist. Im April haben der Entwicklungsausschuss der Weltbank und die G20-Finanzminister die Initiative zur Aussetzung des Schuldendienstes (Debt Service Suspension Initiative, DSSI) befürwortet, an der 40 der am wenigsten entwickelten Länder Afrikas (LDCs) beteiligt sind. Diese multilaterale G20-Initiative, die auch vom Weltwährungsfonds IWF und den G7 unterstützt wird, sieht keine Verringerung des gegenwärtigen Nettoschuldenwerts vor, setzt aber die Zinszahlungen und Tilgungen bis zum 31. Dezember 2020 aus. Außerdem drängt vor allem die Weltbank auf eine Verlängerung der DSSI um ein weiteres Jahr. Von besonderer Bedeutung ist, dass sich China zum ersten Mal dieser Erklärung zum Schuldennachlass angeschlossen hat, anstatt parallel seinen eigenen Weg zu gehen.
Auch der Pariser Club der Gläubiger hat sich auf eine Absichtserklärung geeinigt, die das DSSI-Prinzip unterstützt, und macht Vorschläge, wie dies in überarbeitete Darlehensverträge umgesetzt werden kann. Ferner hat man versucht, sich mit Gläubigern außerhalb des Pariser Clubs wie China zu koordinieren, jedoch mit unterschiedlichen Ergebnissen.
Es besteht kein Zweifel daran, dass die Schuldenstopp-Initiative denjenigen, die sich an ihr beteiligen, erhebliche Einsparungen bringen wird, so dass diese Staaten ihre Ressourcen auf die Bekämpfung der Pandemie konzentrieren können. Nach Angaben des IWF werden neun Staaten innerhalb der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) davon profitieren (s. Tabelle).
Wie LDC-Mitglieder der SADC von DSSI profitieren | |||
Land | Risiko der Gesamtschuldenkrise | Prozentsatz der DSSI-Einsparungen (in Mio. USD) | Potenzielle DSSI-Einsparungen (in % des BIP von 2019) |
Angola | --- | 2.645,6 | 3,1 % |
Komoren | mäßig | 2,3 | 0,2 % |
DR Kongo | mäßig | 104,4 | 0,2 % |
Lesotho | mäßig | 9,5 | 0,3 % |
Madagaskar | mäßig | 24,0 | 0,2 % |
Malawi | hoch | 17,1 | 0,2 % |
Mosambik | in Not | 294,2 | 2,0 % |
Sambia | hoch | 139,2 | 0,6 % |
Tansania | --- | 148,9 | 0,2 % |
Gesamt | 3.385,2 | ||
Quelle: IWF, Chatham House |
Nicht alle SADC-Staaten kommen für die DSSI in Frage, da sie nicht zu den von der UNO anerkannten LDC-Ländern gehören (Botswana, Eswatini, Seychellen, Mauritius, Namibia und Südafrika) oder sich geweigert hatten, den LDC-Status zu akzeptieren, wie Simbabwe.
Zwei SADC-Staaten haben einen Schuldenstand, der höher ist als die Größe ihrer Volkswirtschaften (Angola und Mosambik), und insgesamt vier geben mehr als 10 Prozent ihres Gesamtschuldenwertes für den Schuldendienst aus (Mauritius, Angola, Südafrika und Botswana). Daneben gibt es eine Reihe von Ländern, die mehr als ein Drittel ihrer Schulden bei privaten Gläubigern haben – bei Mauritius und Sambia macht dies mehr als 40 Prozent der Gesamtschulden aus. Weitere drei Länder des südlichen Afrikas befinden sich in einem Zustand der Überschuldung oder tragen ein hohes Risiko hineinzugeraten. Der Anteil chinesischer Kreditvergabe an diese Länder ist bereits signifikant (Mosambik 18 Prozent; Sambia 26 Prozent und Simbabwe 25 Prozent).
Sonderfall Angola
Chinas Schuldendiplomatie gegenüber Angola ist besonders aufschlussreich hinsichtlich Pekings Herangehensweise. 34 Prozent aller chinesischen Schulden für alle 72 LDCs entfallen auf Angola (19 Mrd. US-Dollar) und Pakistan (16 Mrd. US-Dollar). Angolas Gesamtverschuldung im Verhältnis zum BIP liegt derzeit bei über 100 Prozent, und der Schuldendienst Angolas allein verzehrt jährlich neun Mrd. US-Dollar. Fast die Hälfte des gesamten Schuldendienstes entfällt auf China und chinesische Gläubiger, nach Angaben der Zentralbank Angolas sind dies 45 Prozent der Auslandsschulden des Landes oder 22,4 Mrd. US-Dollar. Angola hätte nach Angaben des IWF und der Weltbank ein Einsparpotenzial von 3,4 Mrd. Dollar.
Aus diesem Grund schloss sich Angolas Präsident João Lourenço im April einer Gruppe von 19 afrikanischen und europäischen Staatsführern (darunter Deutschland, Frankreich, Italien sowie Kenia und Südafrika) an und unterzeichnete ein Dokument, in dem aufgrund der Covid-19-Pandemie ein Schuldenmoratorium und die Gewährung von Programmen zur Wirtschafts- und Gesundheitsförderung gefordert wird. Chinas Schuldenmanagement gegenüber Angola (und Pakistan) war ein Hauptgrund dafür, dass Peking die DSSI unterstützt und sich insbesondere dafür einsetzte, dass Angola der Initiative beitritt und der LDC-Status als Teilnahmekriterium akzeptiert wurde (da die Weltbank Angola als Staat mit niedrigerem mittleren Einkommen einstuft).
Im Juni beantragte Angola offiziell die Teilnahme am DSSI und arbeitete mit den wichtigsten Gläubigerländern an der Anpassung seiner Schuldenfinanzierungsfazilitäten. Die Neuverhandlung Angolas über die Bedingungen der Rückzahlung seiner ölgestützten Darlehen an China und insbesondere die Dauer eines Tilgungsmoratoriums ist undurchsichtig. China hatte sich stark dafür eingesetzt, dass Angola der DSSI beitritt, hat aber keine Einzelheiten seiner eigenen Verhandlungen vorgelegt, die offenbar zu einer Übereinkunft über ein dreijähriges Moratorium für Zinszahlungsraten geführt haben. China scheint auch eine Entschädigung gefordert und eine langfristige Konzession für die strategisch wichtige Bahnlinie bzw. die Hafenanlagen in Benguela vorgeschlagen zu haben. Dies wurde allerdings von der angolanischen Regierung abgelehnt, die zusätzliches Anteilskapital an Offshore-Blöcken zur Ölforderung anbot. Es bleibt unklar, ob dies für Peking von Interesse war und wie die endgültigen Vereinbarungen aussehen.
Die angolanische Schuldenlast gegenüber China hat dazu geführt, dass sich die Regierung Lourenço Peking wieder mehr angenähert hat. Die Verhandlungen zeigten auch die offizielle Zweideutigkeit Pekings in der Frage, wie auf die wachsenden Schulden der LDC ihm gegenüber reagiert werden soll. Die Billigung des G20-Gipfels deutet auf die Einhaltung der koordinierten multilateralen Ansätze des Pariser Clubs hin, aber der Fall Angolas zeigt auch, dass China durch bilaterale und oft undurchsichtige Verhandlungen maximale Vorteile anstrebt. So erklärte David Malpass, Präsident der Weltbankgruppe, nach einem virtuellen Treffen der G20-Finanz- und Notenbankgouverneure am 18. Juli 2020: „Damit die DSSI ihre volle Wirkung entfalten kann, sollte es einen standardmäßigen Mindestbestand an Informationen zur Schuldenstrukturierung geben. Auf diese Weise werden die geheimen Umschuldungen vermieden, die in einigen Ländern wie Angola und Laos im Gange sind, oft mit ungenannten tilgungsfreien Zeiten und Bedingungen. Diese Zersplitterung benachteiligt andere Gläubiger und die Menschen im Schuldnerland."
Chinas Charme-Offensive
Im Juni hatte der chinesische Präsident Xi Jinping auf dem außerordentlichen China-Afrika-Gipfel zu Solidarität gegen Covid-19 erklärt, dass die chinesischen Finanzinstitutionen die DSSI-Initiative unterstützen und die afrikanischen Länder „nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen konsultieren sollten, um Vereinbarungen für kommerzielle Kredite mit staatlichen Garantien auszuarbeiten". Fünf Prozent der derzeitigen chinesischen Darlehen an die LDCs sind zinslos, und China hatte bereits 2020 seine Absicht signalisiert, einigen afrikanischen Ländern, die im Rahmen der bestehenden Verpflichtungen des China-Afrika-Kooperationsforums (FOCAC) zinslose Darlehen erhielten, einen Schuldenerlass zu gewähren. China bereitet sich auch auf den nächsten FOCAC-Gipfel vor, der für 2021 in Dakar geplant ist, und möchte dies zu einem Vorzeigeprojekt für die wirtschaftliche Erholung nach Covid-19 machen und China als bevorzugten Partner in Afrika präsentieren.
Im gesamten südlichen Afrika werben chinesische Diplomaten aggressiv für die Pekinger Antwort auf die Covid-19-Ausbreitung, preisen die Spenden von medizinischer Ausrüstung an und versprechen zusätzliche Unterstützung und Investitionen. Trotz der Auswirkungen der Geopolitik, die schlechter werdende Beziehungen zu den westlichen Ländern mit sich bringen, wächst der Druck auf China, sich konsequenter mit der DSSI auseinanderzusetzen, insbesondere durch die Offenlegung der Bedingungen für die Neuverhandlung seiner Darlehen mit Ländern wie Angola.
Afrikas Gläubigerlandschaft verändert sich, da neben den multilateralen und traditionellen bilateralen Gläubigern auch neue Marktteilnehmer wie China und private Gläubiger hinzukommen. Die Covid-19-Krise hat gezeigt, dass die derzeitige internationale Schuldenarchitektur umstrukturiert werden muss, und DSSI und seine Leistungen im südlichen Afrika könnten dazu ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Alex Vines
Der Autor ist Direktor des Afrika-Programms des Chatham House, London, und Assistenzprofessor an der Universität Coventry.