Dem Markus Söder sei ein Zacken aus der Corona gefallen, titelte die TAZ jüngst treffend zum Versagen der bayerischen Landesregierung, auf Covid-19 getestete Personen über ihre Befunde zu informieren. Zugegeben, 900 mit Covid-19 infizierte Menschen unauffindbar auf die Umwelt loszulassen, ist kein Pappenstiel, aber angesichts der bekannt gewordenen Millionen-Betrugsfälle im Zusammenhang mit Covid-19-Aufträgen in Südafrika müsste dem armen Cyril Ramaphosa – wie Söder gelobt für sein konsequentes Virus-Management – gleich die ganze Corona vom Kopf fallen.
Auf umgerechnet 113 Millionen Euro beläuft sich die Summe, die sich dreiste ANC-Funktionäre für Aufträge im Zusammenhang mit Covid-19-Schutzkleidung zu Gunsten ihrer Familienangehörigen ergattert haben. Gelder aus dem staatlichen Pandemie-Topf, die sicherlich nicht für die ANC-Elite vorgesehen waren. Korruption im Zusammenhang mit Hilfspaketen, mit denen wirtschaftliche und soziale Folgen von Ausgangssperren abgefedert werden sollen, sind keine südafrikanische Besonderheit. Man denke nur an die vielen Betrugsfälle, die in NRW zu Beginn der 9000-Euro-Soforthilfe festgestellt wurden. Dahinter stecken zumeist kriminelle Netzwerke. In Südafrika reicht dieses Verhalten aber weit in die Regierungspartei hinein. Und es zeigt sich, dass der Korruptionssumpf, der sich unter der Herrschaft von Jacob Zuma ausbreiten konnte, weit davon entfernt ist, trocken gelegt zu sein. Präsident Ramaphosa hatte gerade erst im Staatsfernsehen ein hartes Eingreifen gegen Korruption angekündigt, als die Covid-19-Betrügereien ans Tageslicht kamen.
Kein geringerer als der einflussreiche ANC-Generalsekretär Ace Magashule, Ramaphosas Erzrivale in der Partei, spielt in der Verlängerung des unter Zuma so ausgeuferten „State Capture"-Spiels wieder mit. Seinen beiden Söhnen konnte er einen Auftrag von umgerechnet 110.000 Euro zuschustern. Und er mimt den Unschuldigen: Kein Gesetz verbiete es, Geschäfte mit dem Staat zu machen, um dreist hinzuzufügen: „Erzählen Sie mir doch von einem ANC-Führer, der keine Geschäfte mit der Regierung gemacht hat." Erinnert doch sehr an Sigmar Gabriels überraschende Aussage, er wüsste nicht, was Clemens Tönnies falsch gemacht habe, nachdem in dessen Fleischereimassenbetrieb die Covid-19-Zahlen nach oben geschnellt waren. Nun, Gabriel, selbst wegen seiner Beraterverträge mit Tönnies in Verruf geraten, hat in der SPD nicht mehr allzu viel zu sagen, die Partei ist gewillt, sich vom Schröder-Gabriel-Nimbus zu befreien. Vom ANC lässt sich das kaum sagen: Corona und die mit dem Lockdown verbundene Wirtschaftskrise hat nicht gerade geholfen, den Einfluss der sog. „Zumaisten" zurückzudrängen.
Ramaphosa muss sich an verschiedenen Fronten behaupten und hat den Kampf noch lange nicht gewonnen – weder gegen Covid-19, noch gegen die damit einhergehende Wirtschaftskrise, noch gegen seine Parteigegner. Südafrika ist mit bald 600.000 Infektionen das deutlich am stärksten vom Coronavirus betroffene Land Afrikas. Allerdings hat Südafrika auch das beste Gesundheitswesen auf dem Kontinent und weist die meisten Tests (bislang 3,4 Mio.) auf – auch proportional zur Bevölkerungsgröße berechnet.
Während die Infektionskurve sich langsam abzuflachen beginnt, wütet in manch anderen Ländern der SADC-Region neben Corona auch die Repression. Dabei werden das Virus und die staatlichen Maßnahmen dagegen immer mehr zum Vorwand, sich der politischen Gegner zu entledigen. Angesichts des virtuellen SADC-Gipfels im August hat Amnesty International auf diese Gefahr hingewiesen und nannte insbesondere Simbabwe.
Das Mnangagwa-Regime hat gegen Oppositionelle, Journalisten und aufbegehrende Bürgerinnen und Bürger, die offiziell nur noch als „Terroristen", die den „Aufstand" proben, bezeichnet werden, zuletzt derart brutal durchgegriffen, dass sich ein renommiertes Wirtschaftsmagazin wie die südafrikanische Financial Mail bemüßigt sah, in ihrem Editorial vom 6. August zu schreiben: „Geben Sie Simbabwe keinen Cent", solange die Regierung von Mnangagwa nur darauf aus sei, ihre Sicherheitskräfte zu bezahlen, um das Land zu unterwerfen. „Jede Minute, in der ein südafrikanisches Unternehmen in diesem verkommenen Land bleibt, ist eine Bestätigung des mörderischen Regimes." Ungewöhnlich drastische Worte gegen ein „Regime von Emmerson Mnangagwa, der jeden Zentimeter der Despot ist, der sein Vorgänger Robert Mugabe war", so der Kommentar.
Das Mnangagwa-Regime mag mit seiner Ankündigung, weiße Farmer entschädigen zu wollen, deren Land genommen wurde, auf die Hilfe des IWF und anderer Geldgeber schielen, doch Harare wird damit kaum kaschieren können, dass das Land ein Ausbund eines gescheiterten Staates ist. Man kann von Südafrika zu einer Zeit, in der Präsident Ramaphosa Vorsitzender der AU ist, nicht erwarten, sich offen gegen die Regierungen befreundeter Nachbarstaaten zu stellen. Zu sehr ist das Land mit eigenen Problemen beschäftigt. Hoffnungen machen eher die Widerstandsaktionen der Menschen an der Basis – „starke Persönlichkeiten". Ihre Phantasie ist gefragt, und sie ist da: Unter dem Hashtag #ZimbabweanLivesMatter hat der Kampf der Opposition Simbabwes weltweit an Unterstützung und Sympathie gewonnen.
Lothar Berger