Heft 4/2020, afrika süd-dossier: Afrika-Asien

Rivalität und imperiale Kontinuitäten

JAPAN VERSUCHT IN AFRIKA, SEINEM GROSSEN RIVALEN CHINA AUF DEN FERSEN ZU BLEIBEN. Dabei knüpft Tokio an alte Konzepte aus dem Kaiserreich an. Dies lässt sich besonders eindrücklich am Beispiel des ProSavana-Projekts und dem Nacala-Korridor in Mosambik festmachen.

Wenn man an die Außenbeziehungen des afrikanischen Kontinents denkt, dann kommen einem wahrscheinlich spontan die einstigen europäischen Kolonialstaaten in den Sinn, Frankreich und das Vereinigte Königreich, oder auch Belgien, Deutschland und Portugal. Vielen ist es gewiss auch nicht entgangen, dass China in den letzten 20 Jahren zum wichtigsten externen Akteur auf dem Kontinent aufgestiegen ist. An Japan denkt gewöhnlich niemand. Doch es wäre gewiss ein Fehler, den Einfluss und die Interessen der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt zu übersehen, die sich zum Teil mit anderen aufstrebenden Mächten wie Brasilien und Indien verbündet.

Von EZ zu Geopolitik: die TICAD
Dabei ist Japans Engagement in Afrika in erster Linie aus einer Konkurrenz zum Reich der Mitte heraus zu verstehen. Während Japans Afrikapolitik sich bis vor wenigen Jahren noch auf klassische Entwicklungshilfe beschränkte, steuerte das Land zuletzt um. 1991 war der asiatische Inselstaat noch das weltweit größte Geberland, reduzierte seine Beiträge jedoch, seit die japanische Wirtschaft in den 1990er-Jahren in eine bis heute andauernde Phase wirtschaftlicher Stagnation eintrat. Ein Schlüsselinstrument zur Koordinierung der afrikanisch-japanischen Beziehungen wurde die TICAD, die „Tokyo International Conference for African Development". Die Konferenz tagte das erste Mal 1993 und wurde bis 2013 nur im Fünfjahresturnus abgehalten. Während sich die ersten drei Konferenzen im Wesentlichen um Fragen der Entwicklungszusammenarbeit drehten, markierten die Konferenzen der Jahre 2008 und 2013 den Beginn einer stärker interessengeleiteten japanischen Politik. In dem Maße, in dem sich China über günstige Kredite und Infrastrukturmaßnahmen als Gegenleistung den Zugang zu den reichen afrikanischen Bodenschätzen und vielversprechenden Absatzmärkten sicherte, wollte Japan nicht hinter seinen asiatischen Rivalen zurückfallen.


Japan hinkt China hinterher
Bei der sechsten TICAD-Konferenz, die 2016 zum ersten Mal auf afrikanischem Boden stattfand, sorgte Japans Premier Shinzo Abe in Nairobi für Aufsehen, indem er ankündigte, in den kommenden drei Jahren insgesamt 30 Milliarden US-Dollar an privaten oder staatlichen Mitteln zu investieren. Diese Zielmarke verfehlte er allerdings mit 20 Milliarden Dollar deutlich. Ein wesentlicher Grund für das Scheitern ist wahrscheinlich die inzwischen enorme Schuldenlast vieler afrikanischer Staaten. Da 80 Prozent der japanischen Investitionen in Form von Darlehen kommen, zögern zahlreiche afrikanische Staatschefs, weitere Schulden aufzunehmen. Gewissermaßen ist China somit seinem Nachbarn zuvorgekommen, denn der größte Gläubiger des Kontinents ist die Volksrepublik. Auch die eher gering ausgeprägte Risikofreudigkeit vieler japanischer Unternehmen, die Instabilität und Investitionsrisiken in Afrika oftmals als zu hoch einschätzen, hemmt das japanische Engagement und kann kaum mit dem chinesischen Staatskapitalismus konkurrieren. So verfügt die chinesische Wirtschaft über einen erheblichen Anteil an Unternehmen, die direkt oder indirekt der staatlichen Kontrolle unterliegen.


Verfassungspazifismus und militärisches Engagement
Doch auch militärisch begann man stärker in Afrika Fuß zu fassen. Seit 2011 verfügt Japan über eine Militärbasis am Horn von Afrika, selbst wenn die japanische Nachkriegsverfassung, wie die deutsche, den Einsatz der „Selbstverteidigungsstreitkräfte" eigentlich strikt auf die Landesverteidigung beschränkt. Im Jahr 2016 ließ Japan seine Militärbasis im ostafrikanischen Dschibuti, in dem China ebenfalls seine bislang einzige Basis in Afrika unterhält, sogar noch ausbauen, und begründete dies mit dem wachsenden chinesischen Engagement in der Region. In Nigeria etablierte sich Japan außerdem als militärischer Geldgeber und finanziert den bewaffneten Kampf gegen islamistische Milizen wie Boko Haram im Norden des Landes.

Im Jahr 2014 beschloss die Regierung unter Shinzo Abe schließlich eine Neuinterpretation des umstrittenen Artikels 9 der Verfassung. Diese neue Doktrin, die 2015 durch das Parlament bestätigt wurde, spricht Japan das Recht auf eine „kollektive Selbstverteidigung" zu, die es dem Land erlaubt, sich an militärischen Einsätzen und Konflikten zu beteiligen, auch wenn es selbst nicht angegriffen wurde. Diese Zäsur in der japanischen Außenpolitik wurde mit einer vermeintlich wachsenden Gefahr durch das immer stärkere China begründet. Anwendung fand die neue Sicherheitsdoktrin nur ein Jahr später im Südsudan. Seine Beteiligung an einer dortigen UN-Stabilisierungsmission, für die Japan ab 2016 ein fünfjähriges Mandat besaß, musste das Land allerdings schon 2017 nach einem Jahr Einsatz abbrechen, da Premierminister Abe zu Hause unter Druck geriet.

Monokultur als Vision: ProSavana
Abgesehen vom Militärischen hat die japanische Afrikapolitik drei regionale Schwerpunkte: In Westafrika ist dies der „West African Growth Ring", der Côte d'Ivoire, Ghana, Togo und Burkina Faso umfasst. Der bestehende ostafrikanische „Northern Corridor" hingegen soll die Binnenländer Uganda, Ruanda, Burundi, Südsudan sowie den östlichen Teil der DR Kongo noch besser mit dem kenianischen Hafen Mombasa verbinden, der als Tor zum Indischen Ozean und insbesondere den asiatischen Märkten fungiert. Der dritte Fokus japanischer Interessen liegt im nördlichen Mosambik und heißt „Nacala Economic Corridor", obwohl das Projekt in den letzten Jahren eher aufgrund seines Teilprojekts „ProSavana" Schlagzeilen machte.

Tatsächlich ist ProSavana als Herzstück des Nacala Corridor geplant worden. Das agro-industrielle Großprojekt sollte entlang der bestehenden Bahntrasse entstehen, die Mosambiks Hafenstadt Nacala mit dem westlich gelegenen Hinterland und Malawi verbindet. Neben der Bahnverbindung, die modernisiert und bis Sambia verlängert werden sollte, wollte man den Hafen ausbauen und eine Autobahn errichten. Auch ein Flughafen und eine Erdgas-Pipeline waren im Gespräch.

Das Projekt geht auf die Initiative eines Konsortiums zurück, das im Jahr 2008 zu gleichen Teilen aus dem brasilianischen Bergbaukonzern Vale und dem japanischen Mischkonzern Mitsui Group gebildet wurde. Vorbild für das Konsortium war die landwirtschaftliche Entwicklung des südbrasilianischen Cerrado, die man auf den klimatisch ähnlichen Norden Mosambiks übertragen wollte. Die natürliche Savannenlandschaft im Cerrado ist seit den 1980er-Jahren kontinuierlich den extensiven Monokulturen gewichen, die heute etwa im südwestlichen Bundesstaat Mato Grosso do Sul das Landschaftsbild prägen. Neben Weizen, Reis und Zuckerrohr ist es dort vor allem Soja, das für die Erzeugung von „Bio-Kraftstoff" und als Futtermittel in der Fleischindustrie exportiert wird und nur unter massivem Einsatz von Düngern und anderen Agrochemikalien auf den mageren tropischen Böden wächst.

Was für die Umwelt eine massive Zerstörung und für die indigenen Bewohner dieser Region Vertreibung sowie anhaltende Verfolgung, Tötung, Erniedrigung und Armut bedeutet, inspirierte die damaligen brasilianischen und japanischen Staatschefs Luiz Ignácio da Silva und Taro Aso als Modell für Mosambik. Beim G8-Gipfel 2009 im italienischen L'Aquila beschlossen sie im Einverständnis mit der mosambikanischen Regierung das Großprojekt ProSavana, das die Umstrukturierung von ca. 11 Millionen Hektar Land (entspricht etwa der Fläche Bulgariens) in den Provinzen Zambezia, Niassa und Nampula innerhalb des Nacala-Korridors umfasst.

Koloniale Tradition
Laut der japanischen Wissenschaftlerin Sayaka Funada-Classen knüpft dieses Projekt an koloniale Traditionen der ostasiatischen Großmacht an. Als das japanische Kaiserreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer aggressiver und expansionistischer auftrat, konnte es während des Ersten Weltkriegs mit seinen „21 Forderungen" an China unter anderem seinen Einfluss auf die Mandschurei ausdehnen. Damit setzte das kaiserliche Japan seinen imperialen Kurs fort und verleibte seinem Einflussbereich nach Korea und Taiwan die ausgedehnte Tiefebene im Nordosten Chinas ein, die es vor allem wegen seiner Bodenschätze interessierte.

„Dort errichtete das kaiserliche Japan eine Eisenbahnlinie, die die Kohlebergbauzonen mit dem Hafen verband, und entwickelte dann Sojafelder", so Funada-Classen. „An diesem gigantischen Regionalentwicklungsprogramm waren also Japans öffentliche Eisenbahngesellschaft, Banken und auch Unternehmen wie die Mitsui Corporation beteiligt. Heutzutage nennen wir dies eine ‚Public Private Partnership', angeblich eine gute Sache."

Die Parallelen zwischen der damaligen Kolonisierung Chinas und dem gegenwärtigen Projekt sind frappierend. Nicht nur ist derselbe Mitsui-Konzern im Zusammenspiel mit dem japanischen Staat in die ProSavana-Initiative involviert. Auch heute dient die Modernisierung des Nacala-Korridors neben der landwirtschaftlichen „Entwicklung" bzw. Transformation in erster Linie einer verbesserten Extraktion von Kohle, diesmal aus der mosambikanischen Region Tete südwestlich von Malawi.

Abgesehen von den ausbeuterischen Bedingungen der japanischen Hegemonie (die 1931 in eine militärische Besatzung und die Errichtung eines Marionettenstaats mündete) waren die ökologischen Auswirkungen des Projekts verheerend: Die einstmals dichtbewaldete und artenreiche Mandschurei wurde stark abgeholzt und ist heute ökologisch degradiert.

Soja aus Brasilien
Die grausame Ära des japanischen Imperialismus nahm schließlich mit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki ein jähes und nicht minder grausames Ende, doch ähnlich wie bei den westlichen Staaten wurden auch in Japan viele Vorstellungen, ungleiche Machtbeziehungen und fixe Ideen aus der Zeit des Imperialismus in die neue Zeit mitgenommen.

Einen ähnlich extraktivistischen Ansatz wie damals in der Mandschurei verfolgte Japan auch Jahrzehnte später in Brasilien. In den 1970er-Jahren sah sich Japan, wo die Hülsenfrucht zu den Grundnahrungsmitteln zählt, mit einem Mangel an Soja konfrontiert. Da die Ölsaat im dicht besiedelten Japan mangels potenzieller Anbauflächen weder in ausreichendem Maße angebaut noch importiert werden konnte, begann man sich im Ausland nach Möglichkeiten umzusehen, um sich einen privilegierten Zugang zu dem Rohstoff zu sichern.

Fündig wurde man in Brasilien, das damals (1964-1985) unter der brutalen Herrschaft einer Militärdiktatur stand. Mit den Machthabern schloss Japan ein Abkommen namens Prodecer („Japanisch-Brasilianisches Kooperationsprogramm zur Savannen-Entwicklung"), um den Savannengürtel im Süden Brasiliens in eine „Soja-Kornkammer" für den japanischen Markt zu verwandeln. Dass die Böden der südamerikanischen Savanne eigentlich zu sauer für den Sojaanbau waren, störte nicht, da man mit chemischer Düngung im großen Stil abzuhelfen gedachte.

Tatsächlich wurde der Plan mit japanischer Unterstützung ab den 80er-Jahren Schritt für Schritt ökonomische und ökologische Realität – allerdings ging Japan dabei weitestgehend leer aus, denn die Hauptabnehmer des brasilianischen Sojas wurden zunächst die US-Firma Cargill und später China, das auch heute noch den Großteil des brasilianischen Sojas als Tierfutter importiert. Zu sehr hatte sich Japan bei dem Projekt auf seine Diaspora in Brasilien verlassen, die das Transformationsprogramm leiten und die Kooperation mit Japan sicherstellen sollte. Dies führte allerdings zu anti-japanischen Ressentiments in Brasilien, wo man durchaus zu Recht den neo-kolonialen Ansatz des Projekts erkannte und ablehnte. Letztlich gab man in Brasília dem Druck nach, hielt die Japaner raus und kam stattdessen mit den USA und China ins Geschäft.

„Triangular cooperation"
Das sollte nicht noch einmal geschehen. Wie Funada-Classen erläutert, zog man als Lehre aus dem geplatzten Geschäft, dass man das nächste Mal nicht nur die Produktion bedenken, sondern auch die Kontrolle über die Logistik ausüben sollte. Es sollte noch weitere 20 Jahre dauern, bis man im südöstlichen Afrika einen weiteren Anlauf nahm. Diesmal sicherte man sich vorab die Unterstützung jenes Landes, auf das sich damals die Begehrlichkeiten gerichtet hatten, und bezog es in die Planung mit ein. Brasilien verfügte inzwischen über einiges an Erfahrung, sprach die gleiche Landessprache wie in Mosambik und war überdies gegen Ende der 2000er-Jahre unter Präsident Lula da Silva eine aufstrebende und expandierende Macht der südlichen Hemisphäre mit neiderregenden Wachstumszahlen, die nur zu gerne ihren Einfluss auf andere Länder, besonders lusophone Staaten, ausweiten wollte. Außerdem konnte man das Programm mit Brasilien an Bord als eine sogenannte „triangular cooperation" verkaufen.

Dieses Konzept beinhaltet, ähnlich wie „south-south cooperation", die Einbeziehung von anderen Partnerländern des Globalen Südens, was damals wie heute in diplomatischen Kreisen häufig als positives Gegenmodell zur als tendenziell einseitig und hierarchisch wahrgenommenen Entwicklungszusammenarbeit zwischen Globalem Norden und Süden gehandelt wird.

So nahm „ProSavana" 2008 Gestalt an und wurde 2009 von den Staatschefs Brasiliens und Japans auf dem G20-Gipfel besprochen. Selbstverständlich war auch die politische Führung von Mosambik mit in die Pläne einbezogen, hielt sich jedoch hierzu bedeckt, sodass die Bevölkerung Mosambiks erst 2011 aus brasilianischen Medien von den Plänen erfuhr, als ihr Landwirtschaftsminister dort ein Interview zum ProSavana-Programm gab.

Ab 2012 begann sich der Widerstand in den Regionen zu regen, die von dem Entwicklungsprojekt unmittelbar betroffen waren, jedoch zu keinem Zeitpunkt als gleichwertige Partner in den Planungen berücksichtigt waren. Als eine Gruppe mosambikanischer Aktivisten den Cerrado in Brasilien besuchten, um sich ein Bild von den Plänen für ihr Land zu machen, kehrten sie schockiert und wütend zurück. „Es ist eine alptraumhafte Vorstellung, dass aus unserem Land auch so eine Ödnis werden könnte", sagte etwa Abel Saida vom Kleinbauernverband Oram, der an der Reise teilnahm. Auch der größere mosambikanische Bauernverband UNAC (União Nacional de Camponeses) schloss sich dem Widerstand an und wurde zu einem entscheidenden Akteur in der Auseinandersetzung. 2012 verurteilte die UNAC in einer Erklärung ProSavana und kritisierte den Landraub, der bereits im Norden des Landes im Zuge des Projekts begonnen hatte.

Teilen, herrschen und Widerstand leisten
Bei der folgenden TICAD-Konferenz im Jahr 2013 überreichten Vertreter der mosambikanischen Zivilgesellschaft einen offenen Brief an den japanischen Premierminister Shinzo Abe und forderten die drei teilnehmenden Länder auf, ProSavana zu stoppen. Der Brief wurde von 23 mosambikanischen Organisationen sowie 43 internationalen Organisationen und sozialen Bewegungen unterzeichnet, darunter einige aus Japan und Brasilien. Erfolgreich gelang es dem Widerstand, auch in den Partnerländern der „triangular cooperation" Fuß zu fassen, sodass sich die Verantwortlichen dort auf einmal unangenehme Fragen gefallen lassen mussten. Gleichzeitig ließ die japanische Seite nichts unversucht, den Widerstand systematisch zu diskreditieren und die verschiedenen Gruppen zu entzweien. Das ging aus offengelegten Dokumenten zur „Kommunikationsstrategie" für ProSavana hervor, die explizite Strategien aufzählten, die Akteure gegeneinander auszuspielen, etwa die mosambikanischen Bauernverbände gegen die Landbevölkerung sowie die Zivilgesellschaften verschiedener Länder gegeneinander. So empfahl die portugiesische Beraterfirma CV&A, die von der Japan International Cooperation Agency (JICA) eigens dafür beauftragt wurde, mit Bezug auf den lokalen Widerstand: „Wenn der Einfluss [lokaler NGOs] anhält, wird Folgendes empfohlen: ... die Rolle ausländischer Organisationen in Mosambik infrage zu stellen oder zu kritisieren (Kritik von einigen mosambikanischen Behörden fördern)."

Zudem nahm man sich vor, wohlgesonnene Artikel und Beiträge in den Medien gezielt zu fördern. Ferner wollte man die mosambikanische Regierung um Hilfe ersuchen, um „district collaborators" in jedem der 19 Bezirke im Zielgebiet zu identifizieren, um auf lokaler Ebene das Projekt voranzutreiben und den Widerstand zu unterdrücken. Dies fachte den Zorn der Projektgegnerinnen und -gegner jedoch nur noch weiter an. Der Protest zog immer weitere Kreise, breitete sich in alle Landesprovinzen aus und erreichte schlussendlich auch die internationale Öffentlichkeit.

Erfolg durch die Hintertür
Brasilien zog sich bereits Ende 2013 offiziell aus dem Projekt zurück, da offensichtlich der Imageschaden inzwischen zu groß geworden war. Dies bedeutete jedoch nicht das Ende des privatwirtschaftlichen Engagements aus Brasilien. Allein 2014 erfolgten 35 Landakquisitionen durch brasilianische Firmen im Nacala-Korridor, davon 11 zur Soja-Produktion. Bereits bestehende Projekte in der Provinz Niassa wurden zügiger umgesetzt und auch heute ist Brasilien an vielen Fällen von Landerwerb beteiligt. Doch auch die japanische Regierung blieb trotz der Erfolge von Gegnerinnen und Gegnern des Projekts am Ball.

Zwar konnten diese 2018 einen entscheidenden Erfolg vor Gericht erringen, der die Verantwortlichen zwang, das Projekt vorerst auf Eis zu legen. Offiziell vom Tisch ist ProSavana jedoch erst seit Kurzem. Am 20. Juli 2020 gab das mosambikanische Landwirtschaftsministerium bekannt, das Programm zu beenden. Stattdessen soll das neue Programm „Sustenta" realisiert werden, das auf nationale Investitionen setzt und die Landrechte der lokalen Bevölkerung besser schützen soll. Dies bedeutet einen großen Erfolg für die Gegnerinnen und Gegner des Projekts, die acht Jahre lang erbittert und ausdauernd Widerstand geleistet haben. Trotz einiger Vorbehalte bezüglich des „Sustenta"-Programms begrüßten die Vertreter des Bauernverbands UNAC die Entscheidung einhellig, mahnten jedoch zur Vorsicht. Denn in der gleichen Erklärung, in der die Regierung den „Abschluss" von ProSavana meldete, kündigte sie an, die Zusammenarbeit mit Japan fortsetzen und vertiefen zu wollen. Und tatsächlich scheint es bereits seit etwa zwei Jahren, seitdem es ruhig um das Projekt geworden ist, als hätte Japan lediglich seine offensive Strategie geändert und versuche nun, das Projekt „durch die Hintertür" umzusetzen. So wurden sogenannte Pilotprojekte im Agrarbereich in Höhe von 14 Millionen Dollar für ca. 4800 Landwirte finanziert, die nicht zufällig alle im Einzugsgebiet des Nacala-Korridors leben.

Das formelle Ende von ProSavana ist also auch die logische Folge einer bereits länger andauernden veränderten Strategie. Da passt es ins Bild, dass im offiziellen Sprachgebrauch bereits seit einiger Zeit kaum mehr von ProSavana die Rede war, dafür jedoch umso mehr vom Nacala-Korridor. Offensichtlich möchte man von japanischer Seite aus zunächst die „low hanging fruits" pflücken und hat wohl aus pragmatischen Gründen der verbesserten Erschließung der mosambikanischen Kohle für den japanischen Energiemarkt Vorrang gewährt. Dafür soll die Infrastruktur entlang der alten Bahntrasse ausgebaut werden.

Aus Gründen der Energieversorgung geht das japanische Interesse jedoch auch über den Nacala-Korridor hinaus und richtet sich u.a. auf die Erdgasvorkommen im Norden Mosambiks. Hier spiegelt sich deutlich Japans Energiesektor in seiner Außenpolitik, da Erdgaskraftwerke mit 39 Prozent den größten und Kohlekraftwerke mit 33 Prozent den zweitgrößten Anteil an der japanischen Energieversorgung aufweisen. Der japanische Mitsui-Konzern, Schlüsselfigur bei ProSavana, hält weiterhin 20 Prozent der Anteile an einem Offshore-Erdgasfeld in Cabo Delgado und erwarb vor wenigen Jahren vom brasilianischen Bergbaukonzern Vale 50 Prozent der Schürfrechte an den Steinkohlevorkommen von Moatize in der mosambikanischen Provinz Tete. Dabei umfasst die Sphäre japanischer Engagements und Interessen weitere Länder in der Region.

Auch Malawi plant man besser über den Korridor anzubinden. Der über Nacala abzuwickelnde Außenhandel des Binnenlandes soll von acht Prozent im Jahr 2015 auf 39 Prozent im Jahr 2030 steigen, um so den Häfen in Durban und Beira Konkurrenz zu machen, über die heute der Großteil der malawischen Außenwirtschaft läuft. Ähnliches verspricht man sich für Sambia. Insgesamt soll das Handelsvolumen des Nacala-Hafens den Plänen zufolge von 1,9 Mrd. (2015) auf 4,6 Mrd. US-Dollar (2030) wachsen. Parallel finanziert Japan über einen 370 Millionen Euro umfassenden Kredit den Ausbau eines Tiefseehafens in Toamasina an Madagaskars Ostküste.

Gekommen um zu bleiben
Betrachtet man die reinen Zahlen, fällt Japans Engagement, auf den gesamten Kontinent gerechnet, sicher kaum ins Gewicht. Während die Volksrepublik China bzw. chinesische Unternehmen insgesamt etwa 3700 Kooperationsprojekte in Afrika unterhalten, entfallen auf den japanischen Staat und Privatsektor gemeinsam lediglich 800 Kooperationen, allein die Hälfte davon auf Südafrika. Auch was das schiere Handelsvolumen betrifft, übertrifft China seinen Nachbarn um ein Vielfaches. Japan hinkt seinem Rivalen also weiterhin mit deutlichem Abstand hinterher und die ökonomische Entwicklung der letzten Jahre deutet darauf hin, dass China den längeren Atem und dauerhaft größere Kapazitäten haben könnte, um als einflussreicher Geldgeber im Ausland aufzutreten. Aber obwohl China wohl auch besser aus der jüngsten, durch Covid-19 bedingten Wirtschaftskrise hervortreten wird als Japan, mehren sich die Zeichen, dass China künftig sein Augenmerk stärker auf die unmittelbare asiatische Nachbarschaft lenken und an manchen Stellen ein Machtvakuum hinterlassen könnte.

Richtet man den Blick nun auf einzelne Regionen wie Südost-Afrika, dann ist der japanische Einfluss bereits heute sehr bedeutsam. Dabei weist Japan, obgleich niemals Kolonialmacht in Afrika, einige imperiale Kontinuitäten in seinem Engagement auf und seine Interessen sind, wie bei anderen Akteuren auch, hauptsächlich extraktivistischer Natur. Dies wird überdeutlich an dem verheerenden ProSavana-Programm, bei dem es vorrangig um die Erschließung von Kohle, Soja und Mais ging, allerdings auch um die Furcht, gegenüber den Konkurrenten ins Hintertreffen zu geraten. Dass das Projekt durch ein breites Bündnis aus lokalen, nationalen und internationalen Organisationen und Initiativen gestoppt werden konnte, ist ein großer Erfolg und stimmt hoffnungsvoll. Allerdings scheint es verfrüht, Entwarnung zu geben, denn offensichtlich hat Japan seine Pläne diesbezüglich nicht aufgegeben und sucht nun diskretere Wege, sie zu verwirklichen. Und auch jenseits von ProSavana bleibt der Inselstaat aktiv: Anfang Juli kündigte ein Konsortium aus japanischer Regierung, Banken und Unternehmen an, mehr als 12 Milliarden Euro in die Förderung von Flüssigerdgas in Mosambik zu stecken. Mit Japan ist also weiterhin zu rechnen.

Daniel Düster