Heft 4/2020, Südafrika

Sich nicht für Atomkraft verkaufen lassen

AFRIKA BRAUCHT MEHR ETHISCHE REGIERUNGSFÜHRUNG UND PASSENDE GLOBALE STRATEGISCHE PARTNERSCHAFTEN. Das sagt die Direktorin von Earthlife Africa, das 2017 zusammen mit dem Southern African Faith Communities Environment Institute (Safcei) den umstrittenen Atomdeal zwischen Südafrika und Russland vor dem obersten Gericht in Kapstadt zu Fall gebracht hatte. Nach dem Urteil vom 26. April 2017 war die noch unter Präsident Jacob Zuma geplante Beschaffung von bis zu acht Atomreaktoren rechts- und verfassungswidrig.

Seit Hunderten von Jahren ist Afrika das Ziel ausländischer Mächte, die die gewaltigen Naturschätze des Kontinents plündern und seine Völker versklaven wollen. Viele afrikanische Länder haben sich nur schwer vom Erbe des Kolonialismus erholen können. Die geopolitische Dynamik Afrikas verändert sich jedoch und begünstigt neue strategische Partner wie China und Russland – deren Einfluss auf den Kontinent gewachsen ist – gegenüber ehemaligen westlichen Kolonialherren. Die koloniale Vergangenheit des Kontinents mag diesen Wandel zu einem gerechteren Gleichgewicht der Kräfte beeinflusst haben, was für ein unabhängigeres Afrika förderlich sein könnte.

Die Afrikanische Union besteht darauf, dass Geschäfte mit China und Russland von beiderseitigem Vorteil sind, doch gemessen an den extraktiven und ausbeuterischen Beziehungen mit den ehemaligen westlichen Kolonialmächten hat Südafrika gegenteilige Erfahrungen gemacht. 2017 befasste sich ein Atomgerichtsverfahren mit dem geheimen und illegalen Atomgeschäft mit Russland in Höhe von 1 Mrd. Rand aus dem Jahr 2014. Ein Haupterkenntnis daraus war, dass das Geschäft für Russland vorteilhaft war, während das eigentliche Risiko bei Südafrika lag. Um den Deal durchzubringen, hatte die Regierung eine Reihe rechtlicher Verfahren wie eine angemessene Beteiligung der Öffentlichkeit und eine Parlamentsdebatte darüber bewusst umgangen.

Von der Korruption, die den afrikanischen Kontinent seit Jahrzehnten plagt und die immer offensichtlicher wird, blieb auch Südafrika nicht verschont. Es war die Kombination aus zunehmender politischer Instabilität, Korruption und einer höchst fragwürdigen ethischen Regierungsführung im südafrikanischen Energiesektor, die dazu führte, dass Südafrikas Kreditwürdigkeit auf Schrott-Status herabgestuft wurde. Selbst in den letzten Wochen wurde wieder Korruption aufgedeckt, die sogar den Nationalen Covid-19-Hilfsfonds betraf.

Russland will seine Atomkraft verkaufen
Afrika mag aufgrund der Unterstützung von Befreiungskämpfern durch die Sowjetunion auf eine lange Geschichte mit Russland zurückblicken, doch man darf nicht vergessen, dass ein Kernkraftwerk für die Zeit seiner Lebensdauer (bis zu 100 Jahre) die Wirtschaft und Politik eines Landes beeinflussen und unabhängige staatliche Entscheidungen behindern kann. Es muss uns klar sein, dass die russische Führung ihre eigene Agenda hat und dies Folgen für die einzelnen Länder hat. Angesichts korrupter Regierungsführung auf unserem Kontinent sind wir ein leichtes Ziel für die Kernkraftindustrie, die verzweifelt nach neuen Märkten sucht. Da die meisten russischen Großunternehmen entweder ganz oder teilweise in Staatsbesitz sind, müssen die afrikanischen Staats- und Regierungschefs Russlands Motive für geopolitischen Einfluss und wirtschaftliche Gewinne im Auge behalten.

Es ist wichtig, diesen breiteren strategischen Kontext zu verstehen, um die Vermittlung solider zwischenstaatlicher Vereinbarungen zu gewährleisten, die fair und zum Nutzen der Menschen sind. Afrikanische Entscheidungsträger sollten sich davor hüten, weiche Ziele für Atomkonzerne zu werden, die sicherlich alles dafür tun werden, um das Geschäft abzuschließen. Aber das macht keinen Sinn, insbesondere in einer Zeit, in der viele Länder, die früher auf Atomkraft gesetzt haben, nun darauf verzichten. Selbst die internationalen Finanzmärkte säuern diese Technologie aus. Dass nun ausgerechnet Afrika als neuer Markt für Atomkraft ins Visier genommen wird, die weder kostengünstig noch eine sicherere Alternative ist, sollte uns Sorgen machen.

Kernkraft ist nicht billig, aber Russlands Versprechen von finanzieller Unterstützung lockt. Ghana, Kenia, Ägypten, Marokko, Niger, Nigeria und der Sudan sind dabei, ihre Bereitschaft für ein Atomprogramm zu prüfen, während Algerien, Tunesien, Uganda und Sambia dies in Erwägung ziehen. Berichten zufolge hat Ägypten bereits einen Kreditvertrag mit Russland abgeschlossen. Afrika mag die Nuklearwissenschaft zwar willkommen heißen, doch es ist besorgniserregend, dass die Staats- und Regierungschefs nicht aus den negativen Erfahrungen der Länder lernen, die aus der Atomkraft aussteigen. Die Kernenergie wird als eine saubere und umweltfreundliche Energiequelle angepriesen, aber der Zerstörung durch den Uranabbau und den Problemen im Zusammenhang mit der Lagerung radioaktiver Abfälle wird viel zu wenig Bedeutung beigemessen.

Alternative Energie ist möglich
Kernenergie ist eine schlechte Entscheidung für Afrika, sie ist weder sauber noch nachhaltig. Der Kontinent sollte seine Geographie nutzen, um mit Solar- und Windenergie eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Dezentrale erneuerbare Energien wären nicht nur billiger und nachhaltiger, sie können auch netzunabhängig betrieben werden. Da etwa jeder dritte Afrikaner ohne Strom lebt, die meisten davon in ländlichen Gebieten, wäre dies ein weitaus besserer Weg, die hohe Energiearmut auf dem Kontinent zu bekämpfen. Solarenergie ist sicherer als Kernenergie. Es gibt keine schädlichen radioaktiven Abfälle und die Baukosten sind erheblich geringer. Wenn die internationalen Atomkonzerne ihre Idee von der Kernenergie zu verkaufen versuchen, verraten sie nicht, dass sie langfristig Sicht tatsächlich weit mehr Kosten verursacht als erwartet.

Deshalb sollten die afrikanischen Staatslenker kritisch hinterfragen, warum Russland bereit ist, ihre Atomprojekte zu finanzieren. Ist Moskau aufgrund seines Verhaltens wirklich Partner bei der Entwicklung Afrikas oder nur ein geopolitischer Opportunist? Nach unseren Erfahrungen in Südafrika scheint Letzteres der Fall zu sein. Die Atomlobby verfolgt zudem oft einen irreführenden Ansatz, indem sie nicht nur die negativen Aspekte der Kernenergie herunterspielt – in einigen Fällen wird sogar behauptet, Strahlung sei harmlos –, sondern auch die Hinterlassenschaft gefährlicher radioaktiver Abfälle, für die es noch immer keine Lösung gibt, kaum erwähnt. Wenn Südafrikas Integrierter Ressourcenplan (IRP) sich ohne Manipulation und Einmischung und mit aussagekräftigen Beiträgen der Öffentlichkeit so entwickeln darf, wie er soll, würde er für sicherere und nachhaltigere Lösungen optieren.

Seit Jahren schon beteuert Südafrikas Regierung, sie werde die Atomkraft nur in einem Tempo und in einem Umfang betreiben, die das Land sich leisten kann. Trotz des Sieges vor Gericht bestand jedoch immer die Gefahr, dass die Regierung ihre nuklearen Bestrebungen jederzeit wieder aufleben lassen könnte. Anfang dieses Jahres teilte das Ministerium für Bodenschätze und Energie mit, es werde unverzüglich mit dem Beschaffungsprozess für ein neues 2500-MW-Kernkraftprogramm beginnen, wobei Medienberichten zufolge ein Informationsersuchen (RFI) ausgestellt werden soll. Ziel ist es, kleine modulare Reaktoren (SMRs) von Privathand bauen und betreiben zu lassen und sie dann zu transferieren. Dieses Verfahren verstößt jedoch bereits jetzt gegen das Urteil, da es wiederum gesetzlich vorgeschriebene Verfahren umgeht, insbesondere den Aspekt einer angemessenen Beteiligung der Öffentlichkeit, die vor einer solchen Entscheidung erforderlich ist.

Die Folgen des Uranabbaus in Afrika sind ein weiterer Grund, Kernenergie zu verwerfen. Die verheerenden Folgen wie Bodendegradation, Verlust von Lebensgrundlagen, Umweltverschmutzung und damit einhergehende Gesundheitsprobleme überwiegen bei weitem die begrenzten Beschäftigungsmöglichkeiten und den Profit für wenige. Die Menschen in den Townships um Johannesburg leiden immer noch unter den Auswirkungen des Lebens in der radioaktivsten Stadt der Welt.

Die Verbreitung der Atomkraft auf dem afrikanischen Kontinent birgt mehr Risiken für die Menschen als Vorteile. Die Deals sind oft geheim und ignorieren die weiterreichenden sozialen Auswirkungen. Darüber hinaus müssen sich die Menschen nun auch noch mit korrupten Regierungen und Unternehmen auseinandersetzen, die den Profit über Mensch und Umwelt stellen. Die Bürgerinnen und Bürger sollten aktiv und in der Lage sein, ihre Bedenken während des Entscheidungsprozesses vorzubringen. Wir erleben jedoch immer mehr zivile Ausgrenzung und Unterdrückung auf dem Kontinent, wie sie Ende Juli durch Menschenrechtsverletzungen und die zivile Unterdrückung in Simbabwe in vollem Umfang sichtbar wurden.

All das erleben wir zu einer Zeit des weltweiten Kampfes gegen den Klimawandel, in der wir eine Zukunft schaffen müssen, die die Energiedemokratie und die Menschenrechte fördert. Afrika ist reif für einen gerechten Übergang zu nachhaltigen und dezentralisierten Energielösungen. Dies könnte eine Welt voller Chancen eröffnen und gleichzeitig den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ermöglichen, die dezentralisiert und in gesellschaftlicher Verantwortung ist.

Projekte für erneuerbare Energien schaffen Arbeitsplätze und bieten Möglichkeiten zur Stärkung der lokalen Wirtschaft. Regierungen und Großunternehmen sind jedoch nicht daran interessiert, weil sie Sonne und Wind nicht besitzen können. Die Erfahrung zeigt, dass multinationale Unternehmen nicht auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen, sondern eher auf der Suche nach Profiten sind. Südafrika hat genug Sonne und Wind, um diesen Übergang umfassender zu erforschen. Es wird zwangsläufig Herausforderungen geben, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Vor allem aber brauchen wir den politischen Willen, um die treibende Kraft hinter gesellschaftlichen Alternativen zu sein, die den Weg in die Zukunft weisen. Für die Länder Afrikas stellt sich die Frage, wie sie verhindern können, dass sie sich für Atomkraft an andere Länder verkaufen.

Makoma Lekalakala

Die Autorin ist Direktorin von Earthlife Africa Johannesburg, einer weitgehend von Freiwilligen getragenen Organisation, die Südafrikaner für Fragen der Umwelt- und Energiegerechtigkeit mobilisiert. http://earthlife.org.za/