Heft 4/2021, afrika süd-dossier: Ernährungssouveränität

Grüne Gentechnik: Neue Chancen oder wachsende Abhängigkeit?

Hungersnöte durch Dürreperioden und daraus folgenden Ernteausfällen stellen seit Jahrzehnten eine massive Bedrohung für die Ernährungslage in afrikanischen Ländern dar. Es wird immer schwieriger, genügend Nahrungsmittel auf natürliche Weise zu produzieren. Da scheinen gentechnisch veränderte Pflanzen zur Bekämpfung der Hungersnot für den Kontinent vielversprechend. Bereits in vier Ländern Afrikas ist der kommerzielle Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen erlaubt. Jedoch ist gerade im Bereich der Gentechnik die Angst vor gesundheitlichen Gefahren sowie die Abhängigkeit von großen Konzernen weit verbreitet.

Jeder vierte Mensch Afrikas leidet an Unterernährung oder Hunger, insbesondere Kinder sind hiervon betroffen. Nach UN-Definition (Integrated Food Security Phase Classification) besteht eine Hungersnot, wenn mindestens 30 Prozent der Bevölkerung akut mangelernährt sind, 20 Prozent der Haushalte unter extremer Nahrungsmittelknappheit leiden und zwei von 10.000 Menschen täglich daran sterben. 28 von 54 Ländern Afrikas waren laut FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, im Jahr 2017 auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

Durch den voranschreitenden Klimawandel und die damit einhergehende Wüstenbildung sowie Wetterextreme wie Überschwemmungen oder Dürren steigen nicht nur die Sterberaten, sondern auch die Zerstörung der nutzbaren Ackerfläche. Krankheiten wie Aids oder Malaria hemmen ebenfalls die landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion in afrikanischen Ländern.

An einer Lösung wird seit Jahren gearbeitet, doch gerade Missernten infolge von Wetterphänomenen hinterlassen ihre Spuren auf den kostbaren Flächen des Kontinents. Bei der Frage, ob Grüne Gentechnik hier einen Weg zum Erfolg oder eine wachsende Abhängigkeit darstellt, teilen sich die Meinungen weltweit.

Doch was versteht man unter „Grüner Gentechnik"? Die Grüne Gentechnik umfasst einen großen Bereich an Einsatzmöglichkeiten in der pflanzlichen Gentechnik. Vereinfacht ausgedrückt beschäftigt sie sich mit der Nutzung von gentechnischen Verfahren zur Veränderung der Konstitution der Pflanze. So können Gene im Erbgut gezielt übertragen, ersetzt oder aber auch entfernt werden. Nicht verwechselt werden darf sie mit der „Roten Gentechnik", die im medizinischen Bereich verwendet wird, oder mit der „Weißen Gentechnik", bei der vor allem die industrielle Anwendung im Vordergrund steht.

Der Fokus der Grünen Gentechnik liegt insbesondere auf der Erschaffung von Resistenzen gegenüber Insekten und Schaderregern sowie dem Erwerb von Toleranzen gegenüber Herbiziden. Die Erhöhung des Ertragspotenzials, eine bessere Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, Trockenheit und Co. stellen ebenfalls wichtige Züchtungsziele dar. So darf auch eine Verbesserung der Produktqualität, im Bezug auf beispielsweise Vitamine oder Fettsäuren, nicht fehlen.

Die Grüne Gentechnik hat weltweit Anwendung und Nachfrage gefunden. So wurde 1998 in Südafrika erstmals der Anbau und Import von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zugelassen. Es ist das mit Abstand führende Land bei der Erzeugung von gentechnisch veränderten Pflanzen (gv-Pflanzen). 2010 wurden ca. 2,2 Millionen Hektar Anbaufläche rein mit gentechnisch veränderten Pflanzen bewirtschaftet. Darunter fielen insbesondere Mais – das wohl wichtigste Grundnahrungsmittel des Kontinents –, Sojabohnen und Baumwolle. Neben Südafrika hat die Gentechnik auch in Burkina Faso, Ägypten und Kenia Fuß gefasst.

Grundnahrungsmittel Mais
Während Mais in vielen Ländern als nachwachsender Rohstoff in der Industrie genutzt wird, stellt er in Afrika das Überleben für über 300 Millionen Menschen sicher. Ungefähr 75 Prozent des in Afrika angebauten Mais erweisen sich als gentechnisch veränderter Weißmais. Weißmais wird als Lebensmittel verwendet, wohingegen der als Futtermittel dienende Mais als Gelbmais bezeichnet wird. Die restlichen 25 Prozent stellen konventionelle Maissorten dar.

Überwiegend wird der sogenannte Bt-Mais angebaut. Das Bt-Protein ist ein für Insekten giftiges Protein, welches vom Bodenbakterium Bacillus thuringiensis gebildet wird und schon seit einigen Jahren als Pestizid eingesetzt wird. Mithilfe gentechnischer Verfahren können diese Bt-Proteine dann auf Pflanzen übertragen werden, wodurch eine Eigensynthese des giftigen Wirkstoffes möglich ist.

Der entstandene Bt-Mais soll vorwiegend gegen Insekten wie beispielsweise den Maiszünsler wirken, sodass dieser die Pflanze nicht befällt und schädigt. Außerdem liefert die gv-Linie erhöhte Erträge bei mittlerer Trockenheit gegenüber konventionell angebauten Vergleichssorten. Neben den insektenresistenten Maissorten werden bereits trockentolerante Sorten von zahlreichen Forschungsprojekten entwickelt, um es den Nutzpflanzen zu ermöglichen, Dürreperioden leichter zu überstehen.

Es wurde teilweise erfolgreich an zahlreichen Konzepten und Projekten gearbeitet, um die Zielsetzungen zu erreichen. Eines dieser Projekte war das bis 2018 andauernde Projekt WEMA (Water efficient maize for Africa). Hier wurde sowohl mithilfe von konventionellen als auch gentechnischen Züchtungsmethoden die Trockentoleranz gegenüber Mais erhöht. Unter anderem waren sowohl zahlreiche staatliche Agrarforschungsinstitute, das International Maize and Wheat Improvement Center (CIMMYT) sowie Monsanto beteiligt. Des Weiteren wurde es durch die Bill & Melinda Gates Foundation finanziert. Über 100 trockentolerante Maissorten konnten somit gezüchtet werden. Das Projekt soll auch weitergeführt werden, um das erzeugte Maissaatgut lizenzfrei an Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Afrika weiterzugeben.

Auch an anderen regional genutzten Pflanzenarten wurde immer mehr gentechnisch gearbeitet. Darunter fallen zum Beispiel Bananen, Cassava, Süßkartoffeln oder etwa die Kuhbohne. Sie sollen ebenfalls besser an die regionalen Schädlinge und Krankheiten angepasst werden, um die Ernährung der Menschen in Afrika zu sichern.

Gentechnik-Versuchslabor Afrika
Trotz zahlreicher Erfolge und Durchbrüche stößt die Gentechnik nicht selten auf Kritik. Der Fakt, dass sie in nur vier von 54 afrikanischen Ländern erlaubt ist, offenbart viele Widersprüche und Ängste der Menschen. Da vor allem in Europa die Akzeptanz für GVO sehr gering ist, stellen sich viele Afrikaner*innen die Frage, warum gerade sie als „Versuchskaninchen" fungieren und die Technologie in weiteren Ländern ihres Kontinents zulassen sollen.

Gentechnik spiegelt sowohl ökologische als auch soziale Folgen wieder. Aufgrund fehlender Langzeitstudien im Forschungsbereich mag die Furcht der Menschen nicht unbegründet sein. Auch gesundheitliche und umweltbedingte negative Folgen können auf Langzeitsicht nicht ausgeschlossen werden. Außerdem sind gv-Pflanzen mit Hochleistungsmaschinen zu vergleichen, denn sie nutzen den Boden sowie den Dünger maximal aus und lassen somit keinen Spielraum für ein natürliches Ökosystem. Dies wiederum führt zu irreversiblen Zerstörungen der Ackerböden.

Auch das berüchtigte Bt-Toxin der modifizierten Maispflanze besitzt ihre Schattenseiten. Dieses Gift wirkt sich vergleichsweise negativ auf Boden- und Wasserorganismen aus. Ebenfalls schädlich ist die Übertragung der mit Gift besetzten Pollen auf benachbarte Felder durch starken Wind oder Nützlinge. Des Weiteren haben einige Nutzpflanzen bereits Resistenzen gegen das Bt-Gift entwickelt, woraufhin der Großkonzern Monsanto die Landwirte in Südafrika entschädigen musste. Die Pflanzen erlitten einen Schaden von mehr als 10 Prozent, in manchen Regionen belief sich der Schaden sogar auf über 50 Prozent.

Neben umweltbedingten Folgen lassen sich auch abschreckende soziale Folgen erkennen, die die Menschen in Afrika stark beeinträchtigen. Gerade regionale Landwirtinnen und Landwirte, die Subsistenzlandwirtschaft betreiben, sind davon betroffen, denn die gv-Konzerne kaufen die kleinbäuerlichen Betriebe auf und zwingen sie regelrecht dazu, ihr Land abzugeben. Darüber hinaus verlieren sie ihre Unabhängigkeit, denn sie sind verpflichtet, aufgrund von Patenten jedes Jahr neues Saatgut zu kaufen. Diese Unabhängigkeit bedeutet, dass die Landwirtinnen und Landwirte nicht alleine über Anbaumaßnahmen und die Ausbringung von Düngemitteln entscheiden dürfen. Abgesehen davon ist gentechnisch verändertes Saatgut nicht reproduktiv, wodurch jedes Jahr neues Saatgut erworben werden muss. Daraus resultieren hohe Verschuldungen und eine immense Abhängigkeit gegenüber großen Konzernen.

Zudem drängt sich die Frage auf, ob Projekte wie WEMA tatsächlich für die regionalen Bedürfnisse der Kleinbauern geeignet sind. Denn viele dieser Bauern können sich das zertifizierte Saatgut nicht leisten. In Kenia beispielsweise bewahren 80 Prozent der Bäuerinnen und Bauern ihr eigenes Saatgut oder erwerben es inoffiziell. Über das WEMA Projekt lässt sich streiten. Auch darüber, ob es nicht doch nur eine Gelegenheit ist, gv-Pflanzen zu vermarkten und somit Gewinne zu erzielen, ohne auf das Wohl der Menschen zu achten.

Geteilte Meinungen
Die Meinungen über Grüne Gentechnik gehen enorm auseinander. Wissenschaftler, einige Landwirte und Teile der kenianischen Regierung sehen in der Gentechnik eher Chancen als Risiken. Der Direktor des Kenya Agricultural Research Institus (KARI), John Kariuki, erklärte nach Medienberichten, dass kein Land seine Bevölkerung in Zukunft ernähren könne, wenn man nicht die Möglichkeit der Gentechnik nutzen würde. Sogar katholische Bischöfe Kenias erkennen in der Gentechnik einen deutlichen Vorteil. Auf der anderen Seite kritisieren Mitglieder aus dem Parlament und die Regierung das Vorhaben und behaupten, es gäbe ausreichend konventionellen Mais.

Ein wichtiges Beispiel für konventionellen Mais ist „Quality Protein Maize", kurz QPM-Mais. Dieser gentechnikfreie Mais liefert einen erhöhten Gehalt an Lysin und Tryptophan, zwei für den Menschen essenzielle Aminosäuren. Diese Aminosäuren könnten helfen, Mangelernährungen in Afrika einzudämmen und das ohne Verwendung von Gentechnik. Mit über 5000 verschiedenen Maissorten weltweit müsste man sich nicht auf gentechnisch veränderten Mais verlassen, sondern könnte auf andere vielfältige Sorten wie QPM-Mais zurückgreifen. Weiterhin könnten auch ältere Kulturen wie Sorghum an Bedeutung gewinnen. Sorghum stammt ursprünglich aus Ostafrika und ist gut an heißes, trockenes Klima angepasst, nahrhafter als viele Sorten und könnte dadurch als Substitut verwendet werden. Weitere Möglichkeiten an landwirtschaftlichen Anbauprodukten belaufen sich beispielsweise auf Reis und zahlreiche Hirsesorten. Die Menge an Ersatzmöglichkeiten zeigt, dass gv-Pflanzen nicht die einzige Lösung für die Zukunft und die Hungersnot in Afrika sind.

Langzeitstudien könnten in Zukunft neue Chancen erkennen lassen und auch Methoden zur Verbesserung der Technologie könnten weiter ausgebaut werden. Andererseits steht die Ahnungslosigkeit, ob die Auswirkungen der Grünen Gentechnik für Mensch und Umwelt nicht doch größer sind als gedacht, im Vordergrund. Die Ausgangsfrage, ob Grüne Gentechnik eher eine wachsende Abhängigkeit mit sich bringt, lässt sich nicht konkret beantworten und ausschließen, denn alle bisher angebauten gv-Pflanzen sind überwiegend für die industrialisierte Landwirtschaft in reichen Ländern bestimmt und nicht für die regionalen Bedürfnisse der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Daraus lässt sich schließen, dass die kleinen landwirtschaftlichen Betriebe im Zusammenhang mit Gentechnik in gewisser Weise an große Konzerne gebunden sind.

Rhea Krupp

Die Autorin ist Studentin im Fach Agrarwissenschaften der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Neben dem Schwerpunkt Pflanzenwissenschaften interessiert sie sich insbesondere für Gentechnik und die Modifikation von Pflanzen.