Heft 4/2021, Namibia

Namibisches Buschholz statt Steinkohle?

DIE STADT HAMBURG LIEBÄUGELT DAMIT, BUSCHHOLZ AUS NAMIBIA ZU IMPORTIEREN. Es soll zur Fernwärmeerzeugung genutzt werden und helfen, den Ausstieg aus der Steinkohleverbrennung zu beschleunigen. Auf Initiative der GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) prüft die Hamburger Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Landwirtschaft den Ersatz von Steinkohle durch Buschholz. Gegen dieses Vorhaben regt sich allerdings heftiger Widerstand von prominenten Umwelt- und Klimaschutzverbänden.

In einem Memorandum of Understanding (MoU) vom Juni 2020 heißt es: „Die Regierungen von Namibia und Deutschland haben vereinbart, im Rahmen des Projekts ‚Bush Control and Biomass Utilization' zu kooperieren, das von der GIZ in Zusammenarbeit mit dem namibischen Ministerium für Landwirtschaft, Wasser und Forstwirtschaft durchgeführt wird. Es ist ein nationales Ziel, diese Biomasse im Rahmen eines gezielten Wertschöpfungsansatzes nachhaltig zu verwerten, um die lokale Wirtschaft durch Wertschöpfung, Schaffung von Arbeitsplätzen und Förderung von Exportmöglichkeiten zu unterstützen."

Unerwünschte Verbuschung
Das Vordringen des Busches ist eine echte Herausforderung für Namibias Landwirtschaft und muss dringend angegangen werden. Hierbei kommt es zur starken Reduzierung der Tragfähigkeit des Weidelandes, was für die Farmer einen erheblichen wirtschaftlichen Verlust bedeutet. Laut Angaben der Namibia University of Science and Technology ist eine Fläche von 30 bis 45 Millionen Hektar (300.000 bis 450.000 km2) betroffen; das entspricht etwa 50 Prozent der gesamten Landesfläche Namibias.

Das Phänomen der Verbuschung wird auf mehrere Faktoren zurückgeführt. Schlechtes Management der Savannen durch Überweidung ist zweifellos eine der Ursachen. Außerdem werden die Flächen nicht mehr abgebrannt, wie es früher praktiziert wurde, wobei viele der Büsche dem Feuer zum Opfer fielen. Wissenschaftler machen für das schnelle Wachstum der Büsche auch den steigenden CO2-Gehalt in der Atmosphäre verantwortlich. Wenn der CO2-Gehalt steigt, gewinnt die holzige Vegetation einen Vorteil gegenüber Gräsern. Die Verbuschung ist allerdings auch ein wichtiger CO2-Speicher und mildert dadurch den Klimawandel.

Auswirkung der Verbuschung auf das Klima
Weit verbreitet ist die irrige Meinung, die Verbrennung von Buschholz sei klimaneutral, weil es nicht aus fossilen Quellen stammt, sondern das bei der Verbrennung freigesetzte CO2 zuvor durch Photosynthese aus der Atmosphäre aufgenommen wurde. 2018 haben 800 internationale Wissenschaftler:innen in einem offenen Brief bestätigt, dass das Verbrennen von frischem Holz weder klimaneutral noch nachhaltig ist. Das Nachwachsen des Busches dauert viele Jahre, die Reduktion von Treibhausgasen muss aber gegenwärtig erfolgen, wenn wir das Ziel des Pariser Klimaabkommens erreichen wollen. Schließlich ist das geplante Projekt dazu konzipiert, dass das Nachwachsen von eindringendem Busch verhindert werden soll.

Es ist nicht zu erwarten, dass das nachwachsende Gras das Ausmaß der Sequestrierung (Aufnahme von CO2 aus der Atmosphäre) der Sträucher erreichen kann. Das liegt einfach daran, dass das Gras von Nutz- und Wildtieren gefressen wird und nicht in ausreichender Menge nachwachsen kann, vor allem nicht in Jahren mit langanhaltender Trockenheit. Wir dürfen niemals vergessen, dass Namibia ein arides bis semiarides Land ist, in dem Dürren normal und gute Regenfälle ein Segen sind.

Intensive Weidenutzung ist wegen des hohen Trinkwasserverbrauchs und der durch die Tierhaltung erhöhten Bodenverdunstung schädlich für den Wasserhaushalt sowie das lokale und regionale Klima. Die Sträucher verhindern teilweise den Oberflächenabfluss von Regenwasser und tragen zu einer schnelleren Wasseraufnahme und Wasserspeicherung in Wurzeln, Ästen und Blättern bei. Die Transpiration durch die Blätter bewirkt eine positive Klimapufferfunktion, indem sie eine übermäßige Wärmeentwicklung und Austrocknung des Bodens hemmt bzw. verhindert.

Die Ergebnisse der Studie „Green-house Gas Assessment of Bush Control and Biomass Utilization in Namibia", die von der GIZ in Auftrag gegeben und im Dezember 2019 von UNIQUE (Beratungsunternehmen für Waldmanagement und nachhaltige Landnutzung) vorgelegt wurde, werden von mehreren Wissenschaftlern scharf angefochten. Die UNIQUE-Studie argumentiert, dass die Landschaft nach der Entbuschung mehr CO2 bindet als vorher. Die ebenfalls von der GIZ in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie „Road Map to Biomass Industrial Park" wurde vom IfaS (Institut für angewandtes Stoffstrommanagement) der Hochschule Trier für angewandte Wissenschaft im November 2020 fertiggestellt. Die Ergebnisse der UNIQUE-Studie wurden kritiklos übernommen.

Ein Peer-Review-Gutachten von Prof. Dr. Rabenstein, HafenCity Universität Hamburg, vom März 2021 deckte über ein Dutzend Fehler in den beiden GIZ-Studien auf. Das Gutachten besagt, dass die Verbrennung von Buschholz aus Namibia in Hamburg viel klimaschädlicher sei als die Verbrennung von Steinkohle. Ein breites Bündnis von Umweltverbänden hat deshalb gefordert, dass diese fehlerhaften Studien sofort zurückgezogen werden.

Warum das Buschholz nicht nach Deutschland exportiert werden sollte
Das Gutachten kommt auch zu dem Schluss, dass es nicht notwendig sei, den Rohstoff Buschholz zu exportieren, um die Verbuschung zu reduzieren. Die Biomasse kann in Namibia so genutzt werden, dass Wertschöpfung und neue Arbeitsplätze dem Land mehr nutzen als der Export von Buschholz, der dem Boden ständig Mineralien entzieht. Buschholz kann zur lokalen Stromerzeugung genutzt werden, wie NamPower es plant. Viele Materialien können lokal produziert werden, die derzeit nach Namibia importiert werden müssen. Das GIZ-Projekt sollte eher diese Entwicklung unterstützen, statt nur Rohstoffe zu exportieren. Alle Möglichkeiten, die Biomasse lokal zu nutzen, nachhaltige Wertschöpfungsketten zu schaffen, Arbeiter auszubilden und Arbeitsplätze zu schaffen, sollten mit Hilfe der GIZ ausgelotet werden.

Wer profitiert vom Buschholzimport nach Deutschland?
Die IfaS-Studie schildert das Export-Projekt in den wunderbarsten Farben und lässt sich dabei zu den folgenden Aussagen hinreißen, die wegen zahlreicher Proteste in einer Neuausgabe der Studie entfernt werden mussten. Auf die Frage „Wer profitiert von dem Projekt?", erklärt IfaS: „Deutschland ist ein ressourcenarmes Land und nicht in der Lage, seine Versorgungslücke mit Ressourcen aus dem eigenen Land, wie z. B. Biomasse, selbst zu schließen. Mit Namibia gibt es die Möglichkeit einer strategischen Partnerschaft, um die zukünftige Versorgungslücke mit Biomasse zu schließen. Gleichzeitig beteiligt sich Deutschland an Investitionen in die namibische Infrastruktur und fördert durch die dadurch entstehenden Industriekomplexe den Wohlstand des Landes. Aus der Zeit des deutschen Kolonialismus in Afrika ergibt sich für Deutschland die Chance, die mit den historischen Ereignissen verbundenen Wunden heilen zu können."

Es ist ein Zeichen kolonialer Arroganz, von „Heilung der Wunden im Zusammenhang mit den historischen Ereignissen" zu sprechen, während die Forderungen der Nachkommen des Völkermords von der deutschen Regierung nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit behandelt werden. Die anmaßende Passage von der „Heilung der Wunden" wird durch den Hinweis verstärkt, dass es sich um einen Deal für Deutschland handelt, der keineswegs altruistisch als Kompensation für Fehler der Vergangenheit verstanden werden kann. Von einer Einbeziehung der Nachfahren der Ovaherero und Nama ist überhaupt keine Rede.

Namibia ist dankbar für Initiativen aus Deutschland bzw. deutscher Unternehmen, die dazu beitragen, die Infrastruktur und Produktion in unserem Land nachhaltig aufzubauen. Energiepolitik und Verantwortung für Reparationen sind jedoch zwei ganz unterschiedliche Themen und haben nichts miteinander zu tun. Der Autor der Studie, Prof. Dr. Heck, schlägt ein Geschäft vor, bei dem das „ressourcenarme" Deutschland von der Ausbeutung wertvoller Ressourcen Namibias profitiert. Damit wird ein Versorgungsregime reproduziert, das einst in den grausamen Zeiten des Kolonialismus etabliert wurde. Darüber hinaus ist es nicht nur scheinheilig, sondern auch ein Schlag ins Gesicht aller Namibier:innen, die noch immer unter dem Völkermord und der Ausbeutung während der deutschen Kolonialzeit leiden, diesen Vorgang als einen Weg der „Heilung" zu beschreiben und zu rechtfertigen. Die Verschleierung von Geschäftsinteressen unter dem Deckmantel der „Heilung" der Vergangenheit ist völlig inakzeptabel und wird am Ende zum Gegenteil führen.

Außerdem schafft das Projekt, wie in der Machbarkeitsstudie dargestellt, weder eine Wertschöpfungskette noch eine signifikante Anzahl von Arbeitsplätzen, noch lokale Gewinne. Leider exportiert Namibia wertvolle Rohstoffe, die dann in anderen Ländern weiterverarbeitet werden, anstatt vor Ort eine Wertschöpfungskette zu schaffen. Die Pelletierung von Buschholz kann kaum als Wertschöpfung angesehen werden.

Angesichts der hohen Arbeitslosenquote in Namibia muss die Schaffung von Arbeitsplätzen oberste Priorität haben. Die von Deutschland benötigten großen Mengen an Buschholz können nur mit vollmechanisierten Techniken geerntet werden, um wirtschaftlich zu sein. Hierfür werden modernste Maschinen benötigt, die wahrscheinlich aus Europa importiert werden müssen. Für die Bedienung dieser Maschinen sind nur wenige ausgebildete Arbeitskräfte notwendig. Das Versprechen der GIZ, lokale Wertschöpfung und viele Arbeitsplätze zu schaffen, ist bewusst irreführend. Zudem muss sehr darauf geachtet werden, dass eine wissenschaftlich fundierte und selektive Buschausdünnung erreicht wird. Die Arbeit mit Bulldozern kann eine nachhaltige Ernte keineswegs gewährleisten.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass umweltverträgliche Methoden gefunden werden müssen, um die gegenwärtig von Busch überwucherte ehemalige Grassavanne in einen nachhaltig produktiven Zustand zu versetzen, ob auf kommunalem Land, in Freehold Tenure oder auf staatlichem Land. Dieses muss durch die Schaffung von Mehrwert für geerntetes Buschholz und die Schaffung von Arbeitsplätzen ergänzt werden, sei es auf lokaler oder nationaler Ebene. Erst nach gründlicher und unabhängiger Forschung, bei der alle relevanten Faktoren berücksichtigt werden müssen, sollte eine Entscheidung getroffen werden – in Namibia und nicht von anderen Interessengruppen. Namibias Entwicklungsinteresse muss an erster Stelle stehen.

Bertchen Kohrs

Die Autorin ist Vorsitzende der NRO Earthlife Namibia, die sich für die Rechte der Umwelt und soziale Fragen einsetzt.