LEBENSBEDINGUNGEN AUF DEN ANANASFARMEN IN BATHURST IN DER OSTKAPREGION SÜDAFRIKAS. Farmarbeiter*innen berichten über lange Arbeitszeiten, ungerechtfertigte Entlassungen, Schikanen und Löhnen weit unter den festgelegten Mindestlöhnen.
Es war 1809, als sich die britische Armee entschloss, alle amaXhosa zu vertreiben, die damals in Zuurveld, der im 19. Jahrhundert gebräuchlichen Bezeichnung für Makhanda, Bathurst und Port Alfred, lebten. Dieses Gebiet sollte dann „britischen Siedlern in Farmen von je 120 Acres zugeteilt werden" (ca. 48,6 ha). Eine Armee von 10.000 Mann folgte und fiel 1811 in das Gebiet ein. Die amaXhosa wurden „in ihren Krals überfallen, ihres Viehs beraubt, abgeschlachtet oder in die Wälder getrieben. Nicht weniger als 23.000 Stück Vieh wurden erbeutet", schrieb der Historiker Colin Turing Campbell 1897.
Nach den Invasionen von 1811 und 1812 kamen 1820 die ersten Siedler. Die Stadt Bathurst wurde nach Henry Bathurst, dem Staatssekretär des britischen Kolonialamtes, benannt. Diese Siedler gründeten viele der 25 kommerziellen Ananasfarmen, die in diesem bedeutenden Ananasanbaugebiet des Ostkaps betrieben werden, wobei einige noch heute von Nachkommen der Siedler von 1820 geführt werden.
Dieser wenig bekannte Teil der Welt entzieht sich weitgehend dem Rampenlicht. Doch etwa 120 aktuelle und ehemalige Farmarbeiter*innen versammelten sich am 7. März 2021 in einem Gemeindesaal in Bathurst, um über ihre Erfahrungen mit dem Leben auf diesen Farmen zu berichten.
Zu alt, um wegzuziehen
Vuyiswa Dinah Lukhwe, 73, wuchs auf einer Ananasfarm in der Region auf. „Ich bin zuerst zur Schule gegangen und dann wurde mir gesagt, ich solle auf den Ananasfeldern arbeiten. Meine Mutter ist gestorben und wir haben sie auf der Farm beerdigt. Ich war die Einzige, die übrig blieb. Ich beschloss, hier zu bleiben, weil ich nirgendwo anders hingehen konnte. Aber der Farmer wollte mich dort nicht haben. Zu dieser Zeit hatte ich bereits Kinder. Ich bekam Arbeit auf einer benachbarten Farm und ging am Zahltag nach Hause, um meinen Kindern Lebensmittel zu bringen. Eines Tages kaufte ich Süßkartoffeln, um sie mit nach Hause zu nehmen, aber der Farmer hatte das Haus völlig niedergebrannt. Die Kinder konnten nur noch die Decken retten. Das war 1975. Danach brach ich mir das Bein und konnte nicht mehr arbeiten, also zog ich in das Township in Bathurst."
„Meine Kinder", so Lukhwe weiter, „sind erwachsen geworden und nach Kapstadt gezogen, um dort zu arbeiten. Ich fühlte mich zu alt, um umzuziehen, also kauften sie ein Haus für mich hier in Bathurst. Ich habe nie ein RDP-Haus von der Regierung erhalten." Lukhwe sagt, sie sei zu dem Treffen gekommen, um ihre Unterstützung für die anderen Farmarbeiter*innen der Gegend zu zeigen.
Unstimmigkeiten mit der Arbeitslosenversicherung
Debanisile Gedze, 50, wurde nach 34 Jahren auf der Langholm-Ananasfarm entlassen, weil er angeblich abwesend war und sich nicht an den vorgegebenen Ablauf zur Beantragung von Urlaub gehalten habe. Seine Gehaltsabrechnung zeigt, dass er gerade einmal 2442 Rand (ca. 140 Euro) im Monat verdiente, weit unter dem festgelegten Mindestlohn. Davon wurden ihm 33,75 Rand für den Arbeitslosenversicherungsfonds (UIF) abgezogen. Sein Arbeitgeber hat ihm bei der Kündigung kein UI-19-Formular ausgehändigt und das Ministerium für Beschäftigung und Arbeit teilte ihm mit, sein Arbeitgeber habe nie seine Beiträge an den UIF abgeführt.
Da es in der Gegend keine Gewerkschaft für Landarbeiter gibt, wandte sich Gedze nicht an die Kommission für Schlichtung, Mediation und Schiedsgerichtsbarkeit (CCMA). Die 90-Tage-Frist dafür hat er nun überschritten.
Seine ehemalige Arbeitgeberin Geraldene Arnold von der Langholm-Farm wollte sich nicht dazu äußern, warum sie Gedze entlassen oder warum sie ihn nicht bei der UIF angemeldet hatte. „Wenn ein ehemaliger Angestellter ein Problem hat, kann er sich an die bestehenden Verfahren [sic] wenden, die von der CCMA und dem Arbeitsministerium unterstützt werden. Wir bedauern, nicht auf Fragen oder Nachforschungen Ihrerseits eingehen zu können. Sollte die zuständige Behörde an uns herantreten, um Informationen zu erhalten, werden wir dies gerne tun, und zwar im Rahmen der entsprechenden Verfahren", teilte Arnold mit.
Mzwakhe Kalipi, 53, arbeitete in einem Laden auf einer Farm, die dem führenden Ananasfarmer in der Gegend, Mark Harris, gehört. Kürzlich wurde er mündlich entlassen, nachdem der Geschäftsführer des Ladens ein Foto von ihm gesehen hatte, auf dem er an einem Wasserprotestaktion der Gemeinde teilgenommen hatte. Kalipi wurde auch kein UI-19-Formular ausgehändigt, um UIF zu beantragen.
„Der Chef sagte nur, er habe mich auf der Kamera gesehen und wolle mich nicht mehr", sagt Kalipi. Er lebt in einem alleinstehenden Haus auf der Farm, das in schlechtem Zustand ist und das der Farmer bis auf einen Fußweg zur Autobahn eingezäunt hat. Um Gesellschaft zu haben, überquert Kalipi den Highway, um die pensionierten Farmarbeiter zu besuchen.
Harris Anwalt Marius Coetzee wollte nicht auf Fragen eingehen. „Es bleibt das Vorrecht des Arbeitsministeriums, Arbeitsangelegenheiten zu untersuchen", sagte er. „Wir sind sicher, dass das Ministerium durchaus in der Lage ist, seine eigenen Untersuchungen durchzuführen, wenn es dazu bereit ist. Unter diesen Umständen sind Sie kein Vertreter des Arbeitsministeriums und unser Mandant schuldet Ihnen keine Erklärung."
Hinter den Ananas
Xolisa Runeli, 29, gehört seit Jahren gemeinsam mit anderen jungen Akademiker*innen zu einer Gruppe von Gemeindeaktivist*innen. Seit 2019 ist er auch Ratsmitglied für die Economic Freedom Fighters (EFF). Runeli telefonierte mit einem kommerziellen Farmer und versuchte, die Beschwerden der Arbeiterinnen und Arbeiter zu besprechen, aber der Farmer sagte ihm, er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Die EFF sei schließlich keine Gewerkschaft. Deshalb beschloss Runeli, andere Aktivistengruppen in der Gegend zusammenzubringen und ein Treffen für Farmarbeiter*innen und und Bewohner*innen abzuhalten.
„Farmarbeiter werden hier in der Gegend nicht wegen der Schwere ihres Fehlverhaltens entlassen. Wenn die Farmer sehen, dass ein Arbeiter alt oder krank ist, oder sie den Arbeiter nicht mögen, kommen sie mit Anschuldigungen und feuern sie einfach", sagt Runeli.
Generell würden die Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Ananasfarmen in der Gegend unterdrückt werden. „Wir wollen, dass die Welt sieht, dass hinter den Ananas, die sie essen, der Schrei eines Schwarzen steckt. Diesen Arbeitern wird gesagt, sie sollen hart arbeiten, damit die Farmer ihre angestrebte Anzahl von Ananas für den Export nach Übersee liefern können. Der Farmer sagt, er werde am Ende des Jahres eine Kuh schlachten. Das soll dann ein Bonus sein, wenn sie Fleisch bekommen." „Was soll das Ganze? Wir haben tonnenweise Ananas, die Bathurst verlassen. Die Farmer machen damit Millionen. Andere Arbeiter sind gar nicht erst hier, weil sie Angst haben, schikaniert zu werden. So kann das nicht weitergehen", beschwert sich Runeli.
Für lange Zeit ausgebeutet
Nomawabo Tshisa vom Rural People's Movement in Bathurst meint, dass sich Farmarbeiter*innen und Farmbewohner*innen zusammenschließen müssen, um ihre derzeitige Situation zu ändern. „Sie müssen an der Spitze ihres eigenen Kampfes stehen. Wenn sie aufstehen und für sich selbst kämpfen können, werden viele Menschen sie unterstützen, denn es sind ihre Hände, die produzieren, damit diese Farmbesitzer reich werden können", so Tshisa.
Die Arbeiterinnen und Arbeiter der Bathurst-Farm sollten streiken, meint sie, „damit die Besitzer ihren Schmerz spüren und die Ananas in der Erde bleiben können. Unser Volk wird schon lange ausgebeutet und niemand außer uns wird diese Kapitalisten aufhalten."
Viele Farmarbeiter*innen werden gefeuert, sobald sie mit den Medien sprechen, sagt Tshisa und ergänzt: „Wir werden mit allen Mitteln dafür kämpfen müssen, dass sich die Farmarbeiter und -bewohner sicher genug fühlen, um ihre Geschichten zu erzählen."
Phumeza Jabela, 43, arbeitet seit 15 Jahren als Ananaspflückerin auf der Ananasfarm Giffords Bush. Sie verdient monatlich 2733 Rand. Ihre Kollegin Deborah Charles, 53, arbeitet seit ihrer Jugend auf der gleichen Farm, ebenso wie Nontsokolo Dwyili, 47, die seit 15 Jahren auf der Farm tätig ist. Alle drei Frauen sagen, ihr Problem sei, dass sie nur alle zwei Jahre einen Arbeitsanzug und ein Paar Stiefel bekämen, was für die zermürbende Arbeit des Ananaspflückens an fünf Tagen in der Woche nicht ausreiche.
Der Farmbesitzer züchtet auch Rinder. „Wenn er herausfindet, dass Rinder verloren gegangen sind, ruft er eine Bürgerwehr zur Verbrechensabwehr aus Port Alfred herbei. Sein Umgang mit uns, wenn er mit uns spricht, ist nicht gut und wir wissen auch nicht, ob wir den Mindestlohn erhalten werden. Er hat uns nicht gesagt, was er vorhat, aber er hat uns einmal gesagt, dass er unseren Lohn niemals erhöhen wird. Wenn ihr dieses Geld nicht wollt, nehmt eure Taschen und geht, sagte er einfach", so Jabela.
Ein weiteres Problem sei, dass sie keinen bezahlten Jahresurlaub und keinen bezahlten Krankheitsurlaub bekämen, es sei denn, sie legten ein ärztliches Attest vor, selbst für einen Krankheitstag. „Unser Chef sagt, er will uns loswerden, damit er neue Leute von einem externen [Arbeitsvermittler] einstellen kann. Während wir hier stehen, ist uns klar, dass die anderen nicht unbedingt zum Diskutieren hier sind, sie sind hier, um für die Bosse zu spionieren. Nach dem Treffen wird es weitere Schikanen geben. Aber wir haben genug", so die Gruppe.
Nocawa Saki, 34, und Nomvuyo Draai, 39, arbeiten ebenfalls auf Giffords Bush Farm. Saki ist seit elf Jahren Gelegenheitsarbeiter, Draai seit zwei Jahren. „Für uns Gelegenheitsarbeiter gibt es keine Regenanzüge. Die bekommen nur Festangestellte. Wir pflücken Ananas im Regen ohne Regenanzug. Als Gelegenheitsarbeiter kaufen wir unsere eigenen Anzüge, Handschuhe und Stiefel. Wir bekommen 2.733 Rand pro Monat in Umschlägen bezahlt. Unser Chef neigt zu einem unwirschen Ton. Es gibt keine richtige Kommunikation, nicht einmal ein ‚Bitte' oder ‚Danke'. Er droht damit, uns zu feuern und eine Fremdfirma zu beauftragen, uns zu ersetzen."
Craig Handley, der Besitzer von Giffords Bush, reagierte weder auf Anrufe noch auf Textnachrichten oder eine WhatsApp-Nachricht, obwohl diese gelesen wurde.
Verschlossenes Tor
Velile Dada und seine Tochter Ziyanda Funani, 15, leben auf der Buffalo Kloof Wildfarm. Dada gibt Funani das Wort. „Ich bin dort geboren. Ich gehe jetzt in die 10. Klasse der High School in Bathurst. Letztes Jahr wurde ein Zaun um die Farm gezogen. An der Hauptstraße gibt es ein großes Tor, das nur aus der Ferne geöffnet werden kann. Mein Vater ist der Einzige, der den Zugangscode hat, und man hat ihm gesagt, dass er den Code niemandem geben darf, also kann er das Tor nicht öffnen, wenn er gerade nicht zur Verfügung steht. Wenn ich zur Schule gehen muss, muss ich neben dem verschlossenen Tor warten und hoffen, dass jemand öffnet. Manchmal kommt niemand und ich kann nicht zur Schule gehen", sagt Funani.
Die Gemeinde Ndlambe, zu der Bathurst und Port Alfred gehören, hat kritisch niedrige Dammstände und liefert nur begrenzte Wassermengen in Tanks an die Bewohner. „Wir bekommen kein Wasser, weil die Lastwagen wegen des verschlossenen Tores nicht auf die Farm fahren können. Wir müssen schmutziges Wasser aus dem Damm holen, aus dem die Kühe trinken", klagt Funani.
Wendy Rippon, die Besitzerin von Buffalo Kloof, behauptet, sie habe keine Kenntnis von diesem Problem. „Es wurde mir von den Arbeitern nicht zur Kenntnis gebracht. Wenn dies ein Problem ist, werde ich mich selbstverständlich darum kümmern."
Mindestlohn nur bei Überstunden
Der Mindestlohn für Farmarbeiter*innen wurde im Februar 2021 um 16 Prozent von 18,68 Rand auf 21,69 Rand pro Stunde (ca. 1,27 Euro) erhöht. Aber Nomazwi Peyi, 42, sagt, dass die Arbeiter*innen auf der Hopewell-Farm den neuen Mindestlohn nur unter der Bedingung erhalten haben, dass sie ihre Arbeitsstunden auf 52,5 pro Woche erhöhen. Dies verstößt gegen die sektorale Bestimmung für Landarbeiter im Basic Conditions of Employment Act. Danach dürfen Landarbeiter*innen maximal 45 Stunden pro Woche und nicht mehr als neun Stunden pro Tag arbeiten, es sei denn, es wurde für einen kurzen Zeitraum vereinbart.
„Unser Chef hat gesagt, dass wir den neuen Mindestlohn nur bekommen, wenn wir von 6:45 Uhr bis 17:15 Uhr arbeiten, was er uns einfach auferlegt hat. Außerdem klatscht er in die Hände und ruft: 'Beeilt euch, beeilt euch, beeilt euch, geht und macht es.' Manchmal bekommen wir nicht mit, was genau er sagt, und dann können wir ihm auch nicht sagen, dass wir ihn nicht gehört haben. Im November bekommen wir nur einen Regenmantel, einen Anzug und Schuhe. Unser Boss ist so schwer zu erreichen, also arbeiten wir bis dahin nur in unserer eigenen Kleidung", sagt Peyi.
Der Besitzer der Hopewell-Farm, Alan Pike, reagierte nicht auf Voicemail-Nachrichten.
Viele der Farmer sind Mitglieder der Pineapple Growers' Association und beliefern Summerpride Foods, eine Firma, die „Ananas-Konzentrat für die internationale Getränkeindustrie" herstellt. Die Vertriebsleiterin von Summerpride Foods, Wendy Tobbell, antwortete nicht auf die Frage nach den Richtlinien oder Standards von Summerpride bezüglich der Arbeitsbedingungen auf den Ananasfarmen.
Anna Majavu
Der Aufsatz erschien am 30. März 2021 unter dem Titel „The daily grind of pineapple farm workersauf" auf New Frame, https://www.newframe.com/the-daily-grind-of-pineapple-farm-workers/