Die Allianz für eine Grüne Revolution (AGRA) steht seit dem Start des Projektes im Jahr 2006 unter Kritik. Im Juli 2021 wurde die Studie „Falsche Versprechen" als erste größere Analyse der Ergebnisse von AGRA veröffentlicht. Sie wurde von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Brot für die Welt, FIAN Deutschland, Forum Umwelt und Entwicklung und dem INKOTA-Netzwerk sowie fünf Partnerorganisationen aus Mali, Kenia, Sambia und Tansania in Auftrag gegeben und basiert zum Teil auf Forschungsergebnissen des Wissenschaftlers Timothy Wise und seiner Arbeitsgruppe an der Tufts-Universität in den USA. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass AGRA ihre Ziele nicht einhalten konnte und diese sogar sehr weit verfehlt hat. Nach Veröffentlichung der Studie versuchte AGRA, die Ergebnisse öffentlich zu diskreditieren und als unwissenschaftlich darzustellen. Außerdem verweigerte sie zunächst die geforderte Veröffentlichung von firmeninternen Evaluationen. Die Organisation „Right to Know" aus den USA erhielt Anfang 2021 dann doch Zugang zu den Dokumenten, nachdem sie sich auf den „Freedom of Information Act" der USA berufen hatte.
Mit den neuen Informationen aus den internen Evaluationen und in Anbetracht des im Herbst 2021 stattfindenden UN-Ernährungsgipfels veröffentlichten die zuvor genannten Stiftungen und NGOs im Juni einen weiteren Bericht: „Die Allianz für eine Grüne Revolution (AGRA) ist gescheitert." Hier stellen sie die Kritikpunkte noch einmal zusammen und belegen diese mit den internen Evaluationsergebnissen von AGRA selbst. So sollten beispielsweise die landwirtschaftlichen Erträge bis 2018 um 100 Prozent steigen. Sie sind aber nur um ca. 18 Prozent gestiegen und die Studie geht davon aus, dass die Erträge in diesem Zeitraum auch ohne AGRA um 17 Prozent angestiegen wären. Außerdem sollte Hunger und Armut in den AGRA-Ländern bis 2020 halbiert werden.
Doch der Hunger ist in diesem Zeitraum in den Ländern sogar noch gestiegen. In vielen Fällen erreichen die am Projekt beteiligten Landwirte und Landwirtinnen nicht einmal ein Einkommen oberhalb der jeweiligen Armutsgrenze. Dies belegen AGRA-eigene Länderanalysen. Weiter wird das System der Berater*innen auf Dorfebene (Village Based Advisors, VBAs) kritisiert. Diese sind ein Kernelement des AGRA-Konzepts und sollen auf der lokalen Ebene der Dörfer die lokalen bäuerlichen Familien in Bezug auf AGRA beraten. Es wird im Gutachten jedoch stark angezweifelt, dass die VBAs ihre Aufgabe nach Auslaufen der Förderung weiter ausführen können.
Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt ist die politische Einflussnahme von AGRA auf Dünge- und Saatgutgesetzgebung in den jeweiligen Ländern (s. nebenstehenden Beitrag). Es handelt sich dabei um eine industriefreundliche Einflussnahme, die vor allem internationalen Konzernen, wie dem Düngemittelkonzern Yara, hilft. Dieser ist auch Projektpartner von AGRA und profitiert so direkt durch die politische Einflussnahme. Die Evaluierungen haben zudem gezeigt, dass der Nachbau von Saatgut (eigene Vermehrung des Saatgutes) weiterhin eine verbreitete Praxis ist. AGRA versucht, den Nachbau über neue Saatgutgesetze abzuschaffen, statt an die traditionelle Praxis anzuknüpfen. Außerdem propagiert AGRA den Einsatz von hybridem Saatgut, welches bei Nachbau oft zu Ernteausfällen führt. Dies sind die zentralen Punkte, die in den Analysen kritisiert werden.
Im zweiten Bericht wird auch der anstehende UN-Ernährungsgipfel (United Nations Food Systems Summit, UNFSS) im Herbst 2021 thematisiert. Bei diesem sind Führungspersonen von AGRA in wichtigen Rollen eingebunden. Der Bericht stellt infrage, inwiefern der AGRA eine besondere Kompetenz im Bereich der Hungerbekämpfung oder der Stärkung von nachhaltigen Ernährungssystemen zugeschrieben werden kann. Es wird befürchtet, dass es beim UNFSS eine einseitige Darstellung auf umstrittene Technologien und nicht nachhaltige Produktionsweisen geben könnte. Außerdem werden privatwirtschaftliche Interessen in UN-Entscheidungsprozesse integriert, was die Glaubwürdigkeit der UN und damit auch der Staaten schwächt.
Der Bericht endet mit Forderungen an die deutsche Bundesregierung. Es wird appelliert, dass Deutschland alle Formen finanzieller und politische Unterstützung für AGRA einstellen soll. Gleichzeitig soll ein Recht auf Nahrung als Leitlinie in Entscheidungsprozess dienen und ein größerer Fokus auf die Förderung von Agrarökologie gelegt werden. Statt des UNFSS sollte die Bundesregierung das „Committee on World Food Security" (CFS) als den von der Weltgemeinschaft legitimierten und von der internationalen Zivilgesellschaft anerkannten Ort für die Bearbeitung von Fragen der Welternährung unterstützen und bewerben.
Lukas Gielen
Falsche Versprechen
https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Studien/Falsche_Versprechen_AGRA_de.pdf
„Die Allianz für eine Grüne Revolution (AGRA) ist gescheitert"
https://www.rosalux.de/fileadmin/images/Dossiers/Ernaehrungssouveraenitaet/AGRA_Hintergrundpapier_dt_20210603.pdf