Heft 4/2023, Afrika: Film

Black Panther zwischen Hype und Kritik

Einfach nur Unterhaltung, Perspektivwechsel oder schlechtes Vorbild?

Von Anna Balkenhol

Der US-amerikanische Science-Fiction-Actionfilm Black Panther hat es geschafft, ein Publikum über die übliche Fangemeinde dieses Filmgenres und der Marvel Comics hinweg zu begeistern. Denn die Mainstream-Hollywood-Produktion der Marvel-Studios baut auf eine Schwarze Besetzung, dessen Charaktere als stark, intelligent und fortschrittlich dargestellt werden – also endlich mal ein Schwarzer Heldenfilm, der den altbekannten, immer wieder reproduzierten klischeehaften Darstellungen trotzt und Afrika als den technologischen Zukunftskontinent mit eigenen Innovationen in den Mittelpunkt rückt! Und dies im Spannungsfeld der eigenen Tradition und Moderne. Im zweiten Teil verbünden sich schließlich die fiktiven Südstaaten Wakanda und Talokan gegen den unbedeutenden, aber gierigen Norden. So hat sich der Film geradezu zu einem kulturellen Phänomen entwickelt.

Konterrevolutionäre Hollywood-Träumerei?

Und dennoch wird der Film auch kritisch gesehen. Unter den prominenten Kritiker:innen ist z. B. Seun Kuti, Musiker, Panafrikanist und Gründer der „Nigeresistance Movement" sowie Sohn des legendären nigerianischen Afrobeat-Pioniers Fela Kuti und Enkel der feministischen Freiheitskämpferin Funmilayo Ransome-Kuti. Er sieht in Wakanda eine Art Himmelreich, eine imaginäre Hollywood-Träumerei mit einer fiktiven Repräsentation Schwarzer Menschen bzw. einen fiktiven Schwarzen Raum, „um uns Schwarze ruhigzustellen". Der Soziologe Fahid Qurashi spricht hier von „Ködern" und einer „absichtlichen Ablenkung von der Politik des Filmes".

Auch der afro-amerikanische Historiker Russell Rickford hat ein Problem mit dem Film. Für rassifizierte Menschen sei er „eine Quelle süßen Tees in einer sengenden Wüste". Es sei zwar ein verständlicher Impuls, sich in eine Zukunft „in blackness" und ein selbstbestimmtes Leben außerhalb der Reichweite weißer Unterdrückung zu träumen, jenseits der Traumlandschaft stecke darin aber auch wie in jeder utopischen Vision ein politischer Diskurs: Wakanda sei nichts anderes als eine riesengroße luxuriöse und isolierte „gated community", in der ein konservativer Nationalismus herrsche und dessen Bewohner:innen sich wie jede andere moderne kapitalistische Elite verhielten. Und um stolz auf Afrika zu sein, brauche es für Kuti keinen fiktiven Wunderstoff Vibranium und noch weniger ein schlechtes Vorbild wie Wakanda, das den Reichtum nicht mit anderen teilen will bzw. später lediglich eine Charityorganisation einrichtet. Die Lage sei viel zu ernst, als hier mitfeiern zu können, und der Raum nur zugestanden, da das weiße kapitalistische System nicht in Frage gestellt wird.

Es würde quasi lediglich der amerikanische Traum geträumt: Man hat es aus dem Slum in die „goldene Villa" geschafft. Aber bekanntlich ist nicht alles Gold was glänzt. Alle anderen Schwarzen Menschen, so Rickford, die nicht das Glück haben, dort zu leben, blieben systematisch unterdrückt. Der Reichtum und die technologische Macht würden nicht dazu benutzt, um auch andere zu empowern. Stattdessen würde das Königreich von der Außenwelt abgeschirmt. Es gibt nicht einmal Ideen einer Öffnung für den Aufbau von Handel und Produktion. Auch frage man sich, warum eine so fortschrittliche Gesellschaft wie Wakanda an der Monarchie festhalte. Immerhin haben dort Frauen wie Männer führende Positionen in Wissenschaft, Politik und Militär inne – allerdings wird die Thronfolge patriarchal vererbt und damit bliebe alles der männlichen Herrschaft strikt untergeordnet (vgl. Žižek, as 18-3, S. 41). Afrika sollte lernen, meint Kuti, nach innen zu schauen und die Korruption und Willkür der herrschenden Klasse sowie die mit ihnen verbündeten transnationalen Konzerne in den Blick zu nehmen.

Für Rickford ist Wakanda damit konterrevolutionär zum Panafrikanismus, während der wirkliche Revolutionär und Kämpfer für die unterdrückte Schwarze Bevölkerung Erik Stevens (N'Jadaka), Killmonger genannt, als geistig verwirrter, Rache suchender Bösewicht dargestellt und somit sein Anliegen der Neuordnung der Welt diskreditiert würde. Denn dieses versucht er in Film 1 mit Waffengewalt durchzusetzen, anstatt den Schwerpunkt seines Charakters auf Frieden und Menschenrechte zu legen. Dagegen stehen Hauptdarsteller T'Challa und seine Mutter, die Königin Ramonda, für Protektionismus und „Konservismus", während Prinzessin Shuri für den wissenschaftlich-technologischen Fortschritt steht und traditionelle Brauchtümer als gestrig erachtet.

Daran angelehnt wird durch die Charaktere die Debatte der Erhaltung bzw. der Zurückgewinnung und Anknüpfung an afrikanische Traditionen eingebracht. Daneben kommt allerdings auch das Bild der weißen Retter:innen nicht zu kurz. Dieses wird bedient durch einen CIA-Agenten – eine Ironie an sich –, der eigentlich für eine medizinische Behandlung nach Wakanda gekommen ist und dann, als ob die USA als westliche Macht afrikanische Interessen verträten, das Königreich im Kampf gegen Killmonger und damit im Prinzip gegen den Großteil der schwarzen Bevölkerung unterstützt.

Am schwersten wiegt für Rickford diese Verleugnung eines „wirklichen globalen Bewusstseins", das von wesentlicher Bedeutung wäre für den Kampf gegen Krieg, Herrschaft und Ausbeutung.

Kultureller Eintopf statt Vielfältigkeit

Black Panther spiele mit romantisierten Vorstellungen von Afrika, die auf Vorstellungen von Königtum, materieller Macht und Dominanz beruhen, aber „must Black be king?", fragt die Afrikanistin Takondwa Semphere, „was ist, wenn Schwarz nicht-binär ist?" Was wäre, wenn sie Gelehrte oder Landwirt:innen wären, oder Kinder „an den zerklüfteten Schnittstellen von Indigenität und Moderne, die weder ein Territorium noch Untertanen haben"? Es seien doch diese zutiefst komplizierten Zwischenräume, in denen die meisten Menschen auf diesem Kontinent leben – die einfachen Menschen, die nicht als Könige leben –, die Beleuchtung verdienten.

Darüber hinaus stellen Ainehi Edoro, Professorin für schwarze Literatur, und Bhakti Shringarpure, Professorin für Genderstudien sowie Dozentin u. a. für das Programm Indigeneity, Race, Ethnicity & Politics (IREP), insbesondere den ästhetischen Ansatz von Black Panther in Frage. Zwar wäre die Kostümierung jedes einzelnen Charakters bis ins kleinste Detail auf Grundlage sorgfältiger Recherchen ausgearbeitet worden, um unter Würdigung von Tradition und Fortschritt kulturelle Elemente wie Kleidung, Haare, Schmuck, Körperkunst und Make-up sowie die außergewöhnliche Geografie des Kontinents detailliert darzustellen. Dabei wurden jedoch ethno-ästhetische und modische Elemente aus afrikanischen Ländern verwendet, die geografisch und kulturell weit voneinander entfernt liegen. Dies abgesehen davon, dass man sich auch fragen könnte, warum es dem isolierten Wakanda nicht gelungen ist, eine eigene, einzigartige Kultur mit eigener Mode und eigener Sprache zu schaffen.

So sieht man Mursi-Lippenplatten aus Äthiopien, mit Otijze-Paste geflochtenes Haar im Stil der Himba-Frauen in Namibia, Kente-Schals aus Ghana und Basotho-Decken aus Lesotho und sogar Anspielungen auf indigene Volkgruppen anderer Weltregionen. Das Aussehen der ausschließlich weiblichen Wakanda-Kriegerinnen, die Dora Milaje, wurde einem Designer zufolge größtenteils den Maasai, evtl. auch der Dahomey-Garde (vgl. Guitard, S. 40 im Heft), und teilweise der philippinischen Volksgruppe der Ifuego und anderen asiatischen Motiven nachempfunden. Gesprochen wird Xhosa.
Die äußerliche Gestaltung des Films halten Edoro und Shringarpure daher für typisch „anthropologisch" mit einem Fetisch für „Stammeskultur", Nativismus und Indigenität und er verstärke auch durch deplazierte „othering jokes" sowie die Umkehrung derartiger Zuschreibungen bestehende stereotype Vorstellungen über Afrika und Afrikaner:innen. Man käme eigentlich gar nicht auf die Idee, dass das futuristische Wakanda oder die Schwarzen Einwohner:innen primitiv seien, aber plötzlich darum kreisende Witze riefen derartige Assoziationen in Erinnerung. Dies trotz der Hervorhebung der fortwährenden Relevanz traditioneller Technologien und von tradiertem Wissen wie beispielsweise im Bereich der Architektur oder Heilung. Der Regisseur und Co-Autor Ryan Coogler begnüge sich zudem damit, Wakanda einfach als ein kumulatives Produkt Afrikas der Geschichte, der Politik, der Ästhetik, der Kulturen und der Landschaften des gesamten afrikanischen Kontinents darzustellen.

Somit „ähnelt das Afrika von Wakanda einem undifferenzierten afrikanischen Eintopf", so Boima Tucker, Redaktionsleiter des Blogs Africa Is a Country. Dadurch würde für Edoro und Shringarpure suggeriert, dass der Zukunftsstaat Wakanda nichts anderes sei als die Summe der bestehenden kulturellen Artefakte und Praktiken Afrikas, was der Vielfalt der Kulturen und deren jeweiligen Individualität nicht gerecht wird – analoges gilt im 2. Teil auch für die vermischende Darstellung des mesoamerikanischen Talokan. Denn sie würden, wie Tucker hervorhebt, stückweise, ausschnitthaft und ohne Kontext verwendet. Die willkürliche und uninformierte Verwendung von Djembe-Trommeln, Stoffen wie Kente oder bestimmtem Schmuck, denen man immer wieder begegne, zeige den Mangel eines komplexeren Verständnisses der zeitgenössischen Realitäten in der jeweiligen afrikanischen Heimat. Der Hype wäre eher eine Begleiterscheinung der globalen Populärkultur, wozu die USA hervorragende Arbeit leisteten beim Export von „kulturellem Schwarzsein".

Ist es also nur Unterhaltung? Zunächst einmal ja. Es ist ein Mainstream-Actionfilm mit – lang ersehnten – selbstbewussten Schwarzen Held:innen eines stolzen afrikanischen Staates. Könnte aber nicht noch mehr drin sein? Black Panther hat zu einer Aufmerksamkeit geführt, die den Raum für eine tiefergreifende Auseinandersetzung bereitet hat. Nun gilt es, dran zu bleiben, sich nicht spalten zu lassen und das Scheinwerferlicht zu nutzen, um darüber hinaus andere Konzepte zu denken. Ob der Film also einen wirklichen Perspektivwechsel bringt, wird sich zeigen.