Heft 5/2013, Editorial

Im Unruhezustand zwischen Krieg und Frieden

MOSAMBIK IST DERZEIT IN DEN SCHLAGZEILEN. Von Aufkündigung des Friedensabkommens von 1992 durch die Partei Renamo ist die Rede, von einem Land vor dem Abgrund des Krieges. Überrascht? Hat Mosambik sich nicht wie ein Phönix aus der Asche eines 15-jährigen Krieges neu erfunden und seit mehr als zehn Jahren politische Stabilität, phänomenale Wachstumsraten und erfolgreiche Mega-Investitionen ausländischen Kapitals vorzuweisen?

 

Rufen wir uns die Geschichte der Renamo in Erinnerung. Im Unterschied zu anderen politischen Parteien entstand die Renamo nicht aus einem sozialen oder politischen Widerspruch in der Gesellschaft, sondern im Rahmen einer Destabilisierungsstrategie auswärtiger Mächte. Sie wurde vom Geheimdienst Südrhodesiens gegründet, um die simbabwische Befreiungsbewegung in Mosambik auszuspionieren. 1980, am Vorabend der Unabhängigkeit Simbabwes, wurde sie in die Kontrolle des militärischen Geheimdienstes des Apartheidregimes überführt. Von 1977 bis März 1984 wurde sie nicht nur von ausländischen Mächten versorgt, sondern vollständig dominiert. Südafrika machte aus der Renamo ein Söldnerheer, das Mosambik zwingen sollte, seine eigenständige sozialistische Politik aufzugeben und sich in die wirtschaftliche und ideologische Abhängigkeit von Südafrika zu fügen. Mosambik war auf Grund des Kriegs bald bankrott.

 

Im Nkomati-Abkommen von 1984 verpflichteten sich Mosambik und Südafrika gegenseitig, ihre Hilfen für Renamo bzw. ANC einzustellen. Vor der Unterzeichnung des Abkommens hatten Teile des Militärapparates und einflussreiche zivile Kräfte in Pretoria die Waffenlager der Renamo stark aufgefüllt. Sie unterstützten die Renamo heimlich weiter, weil sie die Regierung der Frelimo stürzen wollten. 1985 gesellten sich Organisationen der US-amerikanischen Rechten (z.B. World Anti-Communist League und Freedom Incorporated) zum Fanclub der Renamo. Malawi diente dieser bis 1986 als militärisches Rückzugsgebiet, später übernahm dies Kenia.

 

Die Renamo schuf mit Teilen der Landbevölkerung eine Übereinkunft, nach der sie einen Raum für die Wiedereinführung traditioneller Gesellschaftsstrukturen militärisch absicherte und dafür im Gegenzug Lebensmittel und Transportleistungen abrufen konnte. Je länger der Krieg dauerte, desto öfter musste sie ihre Existenzsicherung über die Versklavung von Gefangenen und ein neues Zwangsarbeitersystem („zunde“) sicherstellen.

 

Ein im Auftrag des US-Außenministeriums erstellter Bericht über die Untaten der Renamo an der Zivilbevölkerung veranlassten einen Sprecher der US-Regierung im Mai 1988, diese als Holocaust zu bezeichnen. Westliche Regierungen verweigerten daher der Renamo direkte Hilfe, während die Frelimo-Regierung substanzielle Nothilfe erhielt. Von 1988 bis 1992 war die Renamo mit einer wachsenden Ablehnung der ländlichen Zivilbevölkerung konfrontiert. Mit dem Ende des Kalten Kriegs war sie daher genötigt, Frieden zu schließen und sich von einem Militärapparat in eine politische Partei zu wandeln.

 

Seit 21 Jahren herrscht nun Frieden in Mosambik. Trotz des Wirtschaftswachstums leidet die Mehrheit der Bevölkerung immer noch unter absoluter Armut, zusätzlich wächst die soziale Ungleichheit zwischen den Eliten und dem normalen Volk. Über die Debatten im Parlament wird in den Medien laufend berichtet. Eine Situation, aus der eine gute Opposition Nutzen zu ziehen versteht. Aber die Renamo hat Schwierigkeiten, sich als Partei eine klares Profil zuzulegen. Es ist ihr nicht gelungen, sich als wichtige politische Alternative innerhalb des demokratischen Systems zu etablieren. Sie konnte die offensichtlichen Spannungen innerhalb der Frelimo nicht nutzen, um sich selbst als Alternative zu empfehlen. Priorität für Oppositionsführer Dhlakama war es, mögliche Konkurrenten innerhalb der eigenen Partei – etwa Raul Domingos oder Davis Simango, beides effektive politische Organisatoren, – nicht aufsteigen zu lassen. Er drängte sie aus der Partei. Die Folge waren Abspaltungen und die Schwächung der Opposition.

 

Dhlakama erwies sich auch als ungeschickter Verhandlungsführer. Er versteifte sich früh auf unrealistische Maximalforderungen und auf den Boykott als Verhandlungstaktik. 2000 wurde ihm eine Rolle bei der Ernennung der Provinzgouverneure angeboten, was seinen politischen Einfluss erheblich gestärkt hätte. Er lehnte das ab und verlangte mehr, erhielt aber am Ende gar nichts. 2010 nahm er seinen Platz als Mitglied des Staatsrates, welcher den Staatspräsidenten berät, nicht ein. So verlor er eine Plattform, von der aus er notwendige Reformen des Wahlrechts hätte aushandeln können. Stattdessen ließ er sich in der Hauptstadt drei Jahre nicht blicken. Nachdem das Heer die alte Renamo-Basis bei Gorongosa am 21. Oktober ohne Kampf besetzte, erklärte der Renamo-Sprecher, damit habe die Regierung das Friedensabkommen von 1992 selber aufgekündigt. Anschließend ruderte er zurück: Renamo wolle keinen Krieg.

 

Die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme eines Krieges im nationalen Territorium bestehen nicht mehr. Aber Störungen des Straßen- und Eisenbahnverkehrs seit April 2013 durch einige Hundert Veteranen der Renamo gefährden die Exporte Mosambiks. Ausländisches Kapital beklagt schon das erhöhte Investitionsrisiko.

 

Mit den aktuellen Kommunalwahlen und den nationalen Wahlen 2014 können sich die Konflikte zwischen Anhängern der verschiedenen Parteien aufheizen. Um die Stabilität des Landes auch in Zukunft zu sichern, zeichnen sich drei große Aufgaben ab: Die Zivilgesellschaft in Mosambik dringt auf friedliche Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien und auf Reformen des Wahlrechts. Die kommenden Wahlen müssen absolut frei und fair durchgeführt werden. Regierung und Ausland müssen verstärkt darauf achten, dass das Wirtschaftswachstum und die Ausbeutung der nationalen Rohstoffe allen Bürgern zugute kommen.

Gottfried Wellmer