Heft 5/2013, Mosambik

Stabilität gefährdet?

MOSAMBIKS OPPOSITIONSPARTEI RENAMO HAT DAS 1992 GESCHLOSSENE FRIEDENSABKOMMEN AUFGEKÜNDIGT. Ihr Präsident Dhlakama droht mit der Wiederaufnahme des Krieges. Bereits im April war es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. Nach erneuten Renamo-Attacken im Zentrum des Landes haben Regierungstruppen am 21. Oktober das Renamo-Hauptquartier eingenommen. Manche Beobachter fürchten gar den Beginn eines neuen Bürgerkrieges.

 

Es war gerade ein Jahr her, dass Mosambik seine Unabhängigkeit vom portugiesischen Kolonialherren erlangt hatte, als Krieg und Bürgerkrieg erneut ausbrachen. Er sollte 16 Jahre dauern, Tausende an Menschenleben kosten und das Land verwüsten.

 

Die seit der Unabhängigkeit regierende Frente de Libertaçâo de Moçambique (Frelimo) schwor 1989 ihrer marxistischen Orientierung ab. Eine neue Verfassung ließ andere Parteien zu und die freie Marktwirtschaft wurde eingeführt. Zwischen Regierung und der Resistência Nacional Moçambicana (Renamo) wurde 1992 in Rom ein Friedensvertrag geschlossen. Wahlen wurden abgehalten, es kehrte Stabilität ein, verbunden mit Wirtschaftswachstum, steigenden ausländischen Investitionen und Entwicklungshilfe. Mosambik entwickelte sich zu einer der dynamischsten Wirtschaften in Afrika mit einer jährlichen Wachstumsrate von sieben Prozent.

 

Zu den Wahlen von 2004 konnte nach zwei Amtszeiten der damalige Staatspräsident Joaquim Chissano nicht mehr antreten; er galt als Repräsentant des moderaten Flügels der Partei. Er wurde abgelöst von Armando Guebuza, der der radikaleren Gruppierung zugerechnet wird. Er wurde 2009 ein zweites Mal gewählt. Diese Wahlen waren von schweren Unregelmäßigkeiten überschattet, vom dubiosen Ausmanövrieren von potenziell oppositionellen Kandidaten und dem Einsatz von Staatsressourcen für die regierende Frelimo.

 

Der Führer der oppositionelle Renamo, Afonso Dhlakama, verlor in den Wahlen ständig an Zustimmung (siehe nachfolgenden Beitrag). Das lag zum einen an der wenig überzeugenden Strategie Dhlakamas, zum anderen an politischen Vorteilen der Frelimo. Dhlakama galt stets als politisches Leichtgewicht, wenn auch als brillanter Guerilla-Führer. In jüngster Zeit stellte er seine ruinöse politische Strategie erneut unter Beweis, als er die interne Opposition zum Schweigen brachte, potenzielle Nachfolger abservierte, entschied, zu Wahlen nicht anzutreten, und unpopuläre Politiker für die Lokalwahlen aufstellte.

 


Renamo

Die Renamo wurde 1977 vom Geheimdienst des rhodesischen Siedlerregimes gegründet, um die Guerilla der Zanu in ihren Basen in Mosambik zu bekämpfen. Ihre Kämpfer wurden aus den Reihen der „Flechas“ des portugiesischen Geheimdienstes PIDE rekrutiert, mit denen die Kolonialmacht die Frelimo bekämpfte. Am Vorabend der Unabhängigkeit Simbabwes im April 1980 wurde sie zusammen mit den rhodesischen Ausbildern nach Südafrika transferiert. Das Apartheidregime formte die Söldnertruppe zu einer militärischen Organisation zur Zerstörung des mosambikanischen Staates um. Der 15-jährige Destabilisierungskrieg, der sich später zu einem Bürgerkrieg ausweitete, forderte 900.000 Todesopfer, machte vier Millionen Menschen zu Flüchtlingen und zerstörte die spärliche Infrastruktur des Landes. Der Krieg ging erst 1990 mit der Aufnahme der Friedensgespräche zwischen Renamo und Regierung zu Ende.


 

Im Gegensatz zu Dhlakama vermochte es die Frelimo unter Guebuza, den Einfluss der Partei auf allen Ebenen zu stärken. Guebuza belebte die lokalen Parteikomitees und den Einfluss der alten Kämpfer. Er führte einen „Sieben-Millionen“-Kredit für Kleinbauern ein. So konnte er sich auf dem Lande substanzielle Unterstützung sichern, während seine Popularität in den Städten sank. Dort gingen die Menschen 2010 wegen steigender Lebensmittelpreise und Transportkosten auf die Straße.

 

Renamo nur noch dritte Wahl?

Am 20. November 2013 stehen Wahlen für 53 Stadträte an, im nächsten Jahr Präsidentschaftswahlen. Die Renamo muss fürchten, den zweiten Platz an die Demokratische Bewegung Mosambiks (Movimento Democrático Moçambicano, MDM) zu verlieren und in die politische Bedeutungslosigkeit zu versinken. Die MDM hat sich im März 2009 von der Renamo abgespalten. Sie hat ihre Hochburg in Beira, der zweitwichtigsten Stadt nach Maputo. Bürgermeister ist Daviz Simango von der MDM.

 

Die Renamo macht nun eine Wahlbeteiligung abhängig von bestimmten Garantien und droht gegebenenfalls den Wahlprozess zu stören. Zentrale Forderung der Renamo ist eine Änderung der Zusammensetzung der Wahlkommission (siehe folgenden Beitrag). Eine andere ist die Beteiligung am nationalen Reichtum. Genährt wird diese Forderung durch das rasche Wachstum der Rohstoffindustrie, von der die regierende Frelimo und ihre Patronage profitieren.

 

Um den Konflikt zu entschärfen, einigten sich beide Parteien auf ein Verhandlungsgremium, das von Manuel Bissopo von der Renamo und von Agrarminister José Pacheco geleitet wurde. Nach 18 Sitzungen konnte keine Einigung erzielt werden – die Wahlkommission war der Knackpunkt. Alle anderen zwölf Punkte und neunzehn Unterpunkte konnten einvernehmlich geregelt werden.

 

Um die Regierung unter Druck zu setzen, zog sich Dhlakama aus der Hauptstadt Maputo in die Provinz Nampula zurück, wo er mit nennenswertem Rückhalt rechnete. Schließlich schlug er sein Hauptquartier in Satungira im Distrikt Gorongosa auf. Von Gorongosa aus hatte die Renamo in den 1980er Jahren ihren Krieg geführt. In den letzten Wochen plante Dhlakama von dort aus Überfälle auf Polizeistationen und Regierungstruppen. Mehr als 60 Menschen, darunter auch Zivilisten, wurden getötet.

 

Am 21. Oktober griffen Regierungstruppen Satungira an. Dhlakama und mehrere Mitstreiter konnten sich an einen unbekannten Ort absetzen. Sowohl die Renamo wie die Regierung vermeiden es, von Krieg zu sprechen. Beide bemühen verbal ihre Verpflichtung zu Frieden und Dialog als einzige Lösungsmöglichkeit für die militärische und politische Krise in Mosambik nach 21 Jahren Frieden.

 

Derweil haben Angriffe und Gegenangriffe örtlich zugenommen und drohen zu eskalieren. Nah Angaben des simbabwischen Außenministers Christopher Mutsvangwa erwägen Simbabwe und die Regionalgemeinschaft SADC die Entsendung von Truppen, um die Regierung zu unterstützen. Seiner Meinung nach droht der Konflikt die gesamte Region zu destabilisieren.

 

Es stellt sich die Frage, was geschieht, wenn der Dialog ins Leere läuft. Was können die Menschen in Mosambik von der Zukunft erwarten?

 

Im Augenblick lässt sich nur eines sagen: Alle rufen die Parteien zur Fortsetzung des Dialogs auf. Vor allem zivilgesellschaftliche Organisation und Kirchen drängen auf eine Wiederaufnahme der Gespräche. Sie fordern aber auch einen umfassenden und konstruktiven Dialog, der sich nicht nur um die Interessen von Frelimo und Renamo dreht. Man dürfe nicht vergessen, dass Mosambik eine Mehrparteiendemokratie ist.

 

Es gibt noch ein weiteres Hindernis. Die Renamo besteht darauf, dass der Dialog nur unter internationaler Vermittlung. z.B der Vereinten Nationen, fortgeführt werden könne. Die Frelimo hält daran fest, dass man ohne internationale Mediatoren auskomme. In der derzeitigen Lage gibt es zwei Alternativen, die verfahrene Lage aufzulösen.

 

Angesichts der begrenzten militärischen Kapazitäten beider Kontrahenten sowie des internen und internationalen Drucks zur Aufnahme des Dialogs muss die erste Alternative lauten – und dürfte die wahrscheinlichere sein: Die Gespräche wieder aufnehmen mit der Bereitschaft beider Seiten, in allen Fragen, die einen Fortschritt behindern, einen Kompromiss zu finden. Nicht wenige sind der Ansicht, die Regierung müsse der Forderung nach einer anderen Zusammensetzung der Wahlkommission Rechnung tragen, um zur Legitimierung der Wahlen beizutragen.

 

Die andere, aber weniger wahrscheinliche Alternative wäre die Sprache der Waffen. Sie würde die Regierung zwingen, Renamo zu verbieten und jede Finanzierung der Partei zu stoppen. Das wird derzeit von manchen Vertretern des radikalen Flügels der Frelimo favorisiert. Sie wollen Dhlakama militärisch bezwingen. Fällt das Land auf 1973 zurück?

 

Fredson Guilengue

 

Quelle:

The Threat Of Instability In Mozambique: What Happens When A Dialogue Doesn’t Reach Consensus? Rosa Luxemburg Stiftung Southern Africa, News 4/2013

Der Autor arbeitet bei der mosambikanischen Nichtregierungsorganisation União Nacional de Camponeses (UNAC)