Heft 5/2015, Editorial

Eine Staatlich kontrollierte Liebe

IN DEN LETZTEN JAHREN GAB ES ANZEICHEN EINER LIEBESAFFÄRE ZWISCHEN SÜDAFRIKA UND CHINA. Das betrifft nicht nur den Export der chinesischen Sprache an südafrikanische Schulen. Die Beziehung geht viel tiefer. Im Dezember wird Südafrika FOCAC VI ausrichten, das sechste Treffen des Forums für sino-afrikanische Zusammenarbeit, das die China-Politik auf dem Kontinent für die nächsten Jahre festlegen wird. Der Terminkalender für 2016 ist voll gepackt mit Besuchen und Austauschprogrammen zwischen Südafrika und China. Sie sollen den Handel, die Investitionen und das kulturelle Verständnis verbessern. Und dann wird der Chinesisch-Unterricht an staatlichen Schulen beginnen.


Die Kursinhalte für südafrikanische Manager an der Regierungsakademie in Peking liegen bereits fest. Wenn alles planmäßig verläuft, wird die Zahl der Absolventen, die 2016 aus China nach Südafrika zurückkehren, ständig steigen. Hoffentlich kommen sie mit neuen Ideen, wie man die Lichter weiter zum Leuchten bringt und wie die Flugzeuge rechtzeitig abfliegen. Möglicherweise bringen sie auch Neuerungen für Politik und Regierungsführung. Was Manager der South African Airlines oder des Stromproduzenten Eskom lernen werden, ist also diskussionswürdig.


Siebzehn Jahre, nachdem die formalen diplomatischen Beziehungen etabliert wurden, ist die anfängliche Vorsicht von Peking und Pretoria – aber vor allem von Pretoria – einer Begeisterung gewichen, die Akademiker und Experten eher alarmierend finden. Paul Theme, Forscher am Centre for Chinese Studies der Universität Stellenbosch, betonte kürzlich: „Wenn Südafrika von China die Art und Weise übernimmt, wie man staatliche Unternehmen führt, ist das so, als wenn man einen funktionsuntüchtigen weißen Elefanten in eine Profitmaschine umwandeln will."


China tendiert dazu, alles zu kulturalisieren. Das ist keineswegs ideal für Südafrika, zumal die Länder historisch und kulturell wenig Gemeinsamkeiten haben. Südafrika hat keine kommunistische Geschichte mit einer staatlich gesteuerten Wirtschaft, deshalb könnte es davon profitieren, wenn Staatsunternehmen zum Wettbewerb mit privaten Firmen gezwungen werden. Andererseits fürchtet Südafrika keine Zukunft, in der die Staatsunternehmen die Wirtschaft noch stärker dominieren. Eine Ausrichtung auf Staatsbetriebe würde zwar einige Linke in Südafrika und China freuen, die damit Entwicklungsziele erreichen wollen. Gleichzeitig würde damit aber das Regierungsprojekt untergraben, private schwarze Industrielle zu fördern.


Ein anderes Paradox ist die von rechten Wirtschaftskreisen immer geforderte Privatisierung staatlicher Unternehmen, gegen die die Linke lange gekämpft hat. Nun erklärte Vizepräsident Ramaphosa dem Parlament: „Der Erfolg vieler staatlicher Unternehmen in China ist teilweise auf die Reform ihres Anteilseignersystems zurückzuführen. In einigen Fällen bedeutete das die Einführung strategischer Investoren und die Listung auf Kapitalmärkten."


Heißt das, Manager südafrikanischer Staatsbetriebe werden bald aus Peking zurückkehren, um für die Privatisierung Lobbyarbeit zu leisten? Oder werden sie argumentieren, eine Gesellschaft wird am besten versorgt, wenn alle Staatsbetriebe monopolisiert sind? Das sind die falschen Fragen, meint der Marktspezialist Martyn Davies. Seit Jahren warnt er vor Südafrikas steigender Obsession mit chinesischen Staatsbetrieben: „Wenn man sagt, die chinesische Entwicklung sei nur den Staatsbetrieben zu verdanken, ist das reiner Unsinn. Nicht einmal führende chinesische Ökonomen können die Wirtschaftsentwicklung Chinas genau erklären." Demnach lässt sich so viel sagen: China musste etwas tun, denn die zahlreichen kleinen Unternehmen machten es arm. Es predigte Sozialismus und handelte gleichzeitig ungezügelt kapitalistisch, ohne Rechenschaftspflicht für verwendete Steuergelder. Zudem baute es auf große Infrastrukturprojekte und räumte alle Hindernisse für die privatwirtschaftliche Entwicklung aus dem Weg, auch „Nettigkeiten" wie Schutz der Arbeiterrechte und der Umwelt.


Der Kapstädter Wirtschaftswissenschaftler Mills Soko erläutert: „Es ist klar, dass die ANC-Regierung eine strategische Entscheidung gefällt hat, um ihre wirtschaftlichen, diplomatischen und politischen Beziehungen mit China zu stärken, und zwar in einer Weise, die Südafrikas bilateralen Beziehungen mit anderen Ländern weit übersteigen." Weiter gibt er zu bedenken: „Die Regierung weigert sich, den Preis für Billigstahlexporte aus China zu heben. Das deutet darauf hin: Die Beziehungen mit China haben Priorität und gehen auf Kosten nationaler (Unternehmens-)Interessen."
Dennoch gibt es potenzielle Spannungen zwischen beiden Ländern. Dazu zählt das Handelsbilanzdefizit Südafrikas. Auch der Wettstreit auf dem Kontinent hat Südafrika benachteiligt. Manche Schätzungen beziffern die Verluste wegen der chinesischen Billigkonkurrenz in anderen afrikanischen Ländern auf über zehn Milliarden Rand. Südafrikas starke Gewerkschaften warnen seit langem vor dem Niedergang der Textilindustrie durch chinesische Importe und nun durch Dumpingpreise für Stahl. Und manche sehen die Gefahr, dass Südafrika seine humanistischen Ansätze in der Außenpolitik aufgibt, wenn es sich China anbiedert. Genug Diskussionsstoff also für die anstehenden programmatischen FOCAC-Gepräche.

 

Phillip de Wet

Der Autor ist südafrikanischer Journalist.
Gekürzte Übersetzung eines von Mail & Guardian zur Verfügung gestellten Textes vom 21. 8. 2015