Heft 5/2016, Malawi: Tabak

Tabakproduktion in der Kontroverse

DAS GOLDENE BLATT BEREICHERT MALAWIS ÖKONOMIE UND MACHT BAUERN ARM. Mindestens sechs Monate müssen Farmer auf den Tabakfeldern schuften, bevor sie die hochwertigen Blätter ernten können. Landbesitzer heuern zahllose Pächter und billige Arbeiter an. Wenn die Blätter verarbeitet sind, mieten die Bauern Lastwagen, um ihre sorgfältig verpackten Ballen zu Auktionshallen etwa in der Hauptstadt Lilongwe zu bringen. Dort bestimmen internationale Tabakkonzerne die Preise.

 

Fifteen Batisoni ist Tabakbauer in Malanda Village, Dowa-Distrikt. Er ist Mitglied im lokalen Bauernverband und verärgert. Der 64-Jährige fühlt sich von der Regierung und den Tabakkonzernen verraten. Sie kaufen den Bauern die Ernten ab und beschwören das Ende der Armut. Doch Herr Batisoni ist verbittert und fühlt sich gedemütigt: „Sie versprachen uns den Himmel auf Erden, aber ich habe alles verloren. Sogar meinen kleinen LKW. Ich musste ihre Bedingungen für den Tabakanbau akzeptieren."


Das Schicksal des Farmers Batisoni ist kein Einzelfall. Seit dem 19. Jahrhundert wird im heutigen Malawi Tabak angebaut. Im südlichen Afrika ist das Land der zweitgrößte Produzent nach Simbabwe. Die Tabakfarmer erwirtschaften über siebzig Prozent der Exporte und über fünfzehn Prozent des Bruttosozialproduktes. Über zwei Millionen Menschen sind in der Tabakindustrie tätig. Das schätzt die Tabak-Kontrollkommission TCC, die für den Anbau und Verkauf zuständig ist.


Aber die Auswirkungen des Anbaus sind umstritten. Deshalb kündigte Professor John Chisi, Vorsitzender der Umodzi Party (UP), vor den Wahlen 2014 an, er würde Tabak durch andere Cash-Crops wie Erdnüsse, Sojabohnen und Sonnenblumen ersetzen. Denn in einigen Distrikten wie Kasungu, Dowa and Lilongwe hätte die Tabakindustrie bereits den natürlichen Wald stark dezimiert. Schließlich ist für die Trockung der Blätter viel Holz erforderlich. Diese Distrikte sind zudem von der Degradierung der natürlichen Ressourcen und den Folgen des Klimawandels besonders betroffen, vor allem vom Starkregen.

 

Vertragsanbau schafft Abhängigkeiten
Die meisten Farmer sind zu arm, um sich Saatgut oder Dünger leisten zu können. Sie müssen Bankkredite aufnehmen, dann bürgen die Tabakfirmen für die Bauern. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Verträge mit den Firmen zu schließen. In dem Fall kaufen diese die jeweilige Tabakernte zu einem zuvor vereinbarten Preis auf. Bei dieser Form des Vertragsanbaus stellen die Firmen den Bauern Kredite, Dünger, Saatgut und Beratungsangebote zur Verfügung. Gleichzeitig sichern sie sich die exklusiven Verkaufsrechte über die Ernten. Der Vertragsanbau will Kleinbauern Zugang zu hochpreisigen Exportmärkten und zu Qualitätsstandards verschaffen, gleichzeitig soll das Einkommen der Farmer durch ihre Integration in globale Wertschöpfungsketten stabilisiert und erhöht werden.


Diese Strategie ist in Malawi weitgehend auf den Tabak-, Zuckerrohr- und Teeanbau begrenzt. Hinzu kommen Baumwolle und Paprika. Einige Agrokonzerne versuchten auch, in kleinem Umfang Sojabohnen und Cassava durch Vertragsbauern produzieren zu lassen. Schließlich können Kleinbauern Arbeitskosten sparen und effektiv wirtschaften.


Die meisten Betriebsgrößen sind jedoch kleiner als zwei Hektar. Um einen Rückgang in der Tabakproduktion aufzuhalten, wurde der Vertragsanbau hier verstärkt. Während die Tabakfirmen diese Strategie propagieren, betonen Bauern wie Herr Batisoni, der Vertragsanbau würde nur die Firmen und Händler auf Kosten der armen Bauern bereichern. Sie würden ihre Autonomie und Kontrolle über die eigene Produktion verlieren.


Zudem sind die Kleinbauern mit hohen Produktionsrisiken konfrontiert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die verfügbare Technik unzureichend ist und die Preise falsch kalkuliert werden. Weil die Firmen über exklusive Aufkaufrechte verfügen, können sie die Produzentenpreise drücken. Bauer Batisoni erklärt: „Das kommt immer wieder vor. Außerdem zahlen manche Firmen den Bauern nur einen Teil des Kaufpreises aus und das auch noch verspätet. Deshalb sind die Bauern nicht selten zahlungsunfähig."


Erschwerend kommt hinzu, dass viele Landbewohner nur begrenzt alphabetisiert sind und die Vertragsinhalte nicht verstehen. Das ermöglicht Manipulationen, die Bauern schaden. Oftmals werden auch nur mündliche Vereinbarungen getroffen.


Weder der Aktionsplan zur Entwicklung der Landwirtschaft und Viehhaltung (ALDSAP) noch Malawis Strategiepapier zur Armutsreduzierung (MPRSP) nennen den Vertragsanbau als Instrument zur Überwindung der Probleme in der Vermarktung. Vielmehr soll ein effektives Marktinformationssystem (MIS) aufgebaut werden, das Farmer durch Treffen, Messen und elektronische Medien mit lokalen sowie internationalen Handelsgesellschaften verbindet.

 

Verbreitete Verschuldung
Leider hat die Regierung keine Kooperativen gefördert, um den Einkauf von Produktionsmitteln und die Vermarktung zu erleichtern. Deshalb sind die Kleinbauern der Gnade der Tabakkonzerne ausgeliefert. Und einige wie Bauer Batisoni verlieren ihren Besitz an Firmen, die sich als Antwort auf Probleme in Notzeiten anpreisen. Er zählt zu denjenigen, die ihre Entscheidung bereuen, Vertragspartner von Alliance One Tobacco (Malawi) Limited geworden zu sein. Nachdem er sich 2013 als Vertragsbauer verpflichtet hatte, verlor er durch einen Kredit dieser Firma seinen Kleinlastwagen. Er wurde verpfändet. Auch der Mdakusungira Alliance One Farmers Club, den Batisoni leitete, brach zusammen. Heute muss er alle wichtigen Dinge mit dem Fahrradtaxi erledigen.


Batisoni wirft der Firma vor, die Bauern über die Vertragsdetails in Unklarheit gelassen zu haben und ihr Flehen zu überhören. Die Bauern erhielten schon 2013 sehr wenig Geld für ihre Tabakernte. Das betraf Auktionshallen in Lilongwe, in Mzuzu im Norden des Lands, in Limbe im Süden und in Chinkhoma im Kasungu-Distrikt.


Kleinbauern in anderen Orten erging es also ähnlich. Der 38-jährige Lawrence Chisambi aus Loti im Mzimba-Distrikt und seine Freunde bekamen die Macht des Konzerns zu spüren, als sie ihre Kredite nicht zurückzahlen konnten. Ihre Möbel und Wellblechdächer wurden verpfändet.


Chisambi stellt klar: „Ich habe keinen Tisch und keinen einzigen Stuhl mehr in meinem Haus. Und das für einen Kredit, der mein Leben verbessern sollte." Er ist frustriert, denn die Träume der gewöhnlichen Kleinbauern bleiben Illusionen, während die multinationalen Konzerne und Händler jährlich große Gewinne verbuchen. „Man hat den Eindruck, wir Farmer produzieren die so wichtigen und teuren Blätter, damit die Reichen noch reicher werden", vermutet Chisambi.


Der 49-jährige Emmanuel Manda aus Kasungu sieht das ähnlich. Er zweifelt an der Ehrlichkeit der Führungskräfte in den Firmen. Auch für ihn hat sich das Leben wegen der hohen Verschuldung zum Schlechteren gewendet. Wie zahllose andere Farmer verlor er viel Einkommen, weil der Tabakaufkäufer ihm hohe Materialkosten für die Verpackung und andere Dienstleistungen berechnete, die Firmen gegenüber den Vertragsbauern nicht von Anfang an transparent offen legen. Ähnlich klagt John Yiwombe, ebenfalls aus Kasungu. Der 68-Jährige hat lange auf einer Tabakgroßfarm gearbeitet, die einem Politiker gehört. Er erklärt: „Auf dieser Farm mit 226 Hektar gibt es sechs Pächter, 60 Arbeiter und zwölf Saisonarbeiter. Am Ende des Jahres zieht der Besitzer uns große Summen unserer Löhne für Schulden ab, die wir machen mussten, um Nahrungsmittel zu kaufen." Die Gewerkschaft der Tabakarbeiter Malawis, Totawum, pflichtet dem bei, sie würde viele Beschwerden wegen schlechter Löhne und der Versorgungsprobleme erhalten – auch von Vertragsbauern.

 

Macht der Monopole
Das Centre For Social Concern (CFSC) in Lilongwe stellt ebenfalls fest, dass Pächter verarmen, obwohl Tabak für die wirtschaftliche Entwicklung Malawis wichtig ist. Ein Grund sei die Macht US-amerikanischer Konzerne und deren Sub-Unternehmer wie Limbe Leaf, Stancom and Dimon, die große Zigarettenfirmen wie Phillip Morris and British American Tobacco (BAT) beliefern. Zudem würden die Tabakpreise auf den Auktionen in den letzten Jahren sinken.


Malawis Tabakhandel ist monopolisiert. Die größten Anteile haben Universal Corporation's Limbe Leaf und Alliance One, die aus einem Zusammenschluss von Stancom and Dimon gebildet wurden. Bis zum Jahr 2000 beanspruchten sie sogar etwa 90 Prozent des Marktes. Das änderte sich 2005, als das Anti-Korruptionsbüro Malawis über deren Preisabsprachen berichtete. Inzwischen beanspruchen auch kleinere Firmen Marktanteile: Malawi Leaf, Japan Tobacco International (JTI), Leaf Malawi, Premium/TAMA und RWJ Wallace.

 

Junge Raucher
Dennoch sei die Zukunft der Tabakindustrie unsicher, wie der frühere Leiter der Tabakkontrollkommission TCC, Dr. Bruce Munthali, meint. Er führt das auf die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zurück. Sie will den Stopp des Tabakanbaus, denn Kinder müssten auf den Tabakfeldern arbeiten, was gesundheitsschädigend sei. Teenager würden zum Rauchen verführt. Demgegenüber steigt in Malawi die Zahl der registrierten Tabakproduzenten.


Zudem umwerben Zigarettenhersteller wie die chinesische Firma Vision International Tobacco (VIT) Raucher. Ihre Roadshows richten sich vor allem an junge Leute. Gleichzeitig sponsert die Nyasa Manufacturing Company (NMC) das populäre Fussballteam Big Bullets als Teil ihrer Marketing-Strategie. Das lehnt die Anti-Drogenorganisation Drug Fight Malawi (DFM) ab. Ihr Geschäftsführer Nelson Baziwelo Zakeyo sagt: „Wir fürchten eine höhere Zigarettensucht bei Kindern und Jugendlichen. Denn auch der internationale Fußballverband Fifa hat dem Sponsoring des Fußballclubs durch einen Tabakkonzern zugestimmt."


Zakeyo ergänzt: „Das steht aber eindeutig im Widerspruch zum gesunden Lebensstil, den die Fifa sonst propagiert." Als weiteres Argument führt der Anti-Drogenaktivist das Sustainable Development Goal 3 an, das auf die Gesundheit von Menschen aller Altersgruppen abzielt. „Lebenslange Tabaksucht zerstört die Zukunft unserer Kinder. Das ist nicht in Ordnung, selbst wenn man die Bedeutung des Tabakexports für Malawis Devisen anerkennt."


Auch Gesundheitsminister Dr. Charles Mwansambo sieht im Rauchen eine große Gefahr, damit würden Tuberkulose, Lungenkrebs, Herzkrankheiten und andere Erkrankungen einher gehen. Derzeit rauchen 26 Prozent der Männer und sieben Prozent der Jugendlichen in Malawi.


Deshalb richtet sich auch die Advocacy-Gruppe Smokefree Malawi gegen das Rauchen. Sie will die Ökonomie diversifizieren. Ihr nationaler Koordinator Kondwani Bell Munthali erklärt: „Seit seiner Einführung versklavt Tabak die Malawier. Die jungen Leute sterben. Nur weil einige Technokraten am Tabak festhalten, werden die Potenziale unseres Landes in anderen Sektoren etwa im Tourismus oder in der Agrarproduktion von Leguminosen wie Erdnüssen nicht weiterentwickelt."


Dahin gehend berät nun das Rural Livelihoods and Economic Enhancement Programme (RLEEP) des Internationalen Agrarfonds IFAD die Kleinbauern. Der nationale RLEEP-Programmverantwortliche Dixon Ngwende kooperiert mit Bio Energy Resources Limited (BERL) und dem African Institute for Corporate Citizenship (AICC). Sie ermutigen Kleinbauern in den Distrikten Mchinji, Lilongwe and Kasungu, Sonnenblumen, Erdnüsse und Sojabohnen anzupflanzen – also Alternativen zum Tabak, die zudem die Wälder der Region und andere natürliche Ressourcen schonen.


Watipaso Mzungu JNR

 

Der Autor ist malawischer Journalist.