Heft 5/2017, Südafrika

Transnets lästige Vermittler

BEI DER ÖFFENTLICHEN AUFTRAGSVERGABE STAATLICHER UNTERNEHMEN IN SÜDAFRIKA verdienen Vermittler mit. Sie kassieren Erfolgsprämien für Großaufträge, die sie für Unternehmen wie den Frachtlogistik-Konzern Transnet an Land gezogen haben. Dabei sollen die deutschen Softwarehersteller SAP und Software AG „Kickbacks" an skurrile Gupta-Firmen bezahlt haben, wie neue Auswertungen der Gupta-Mails ergeben haben.

 

Die südafrikanische Regierung gibt derzeit jährlich rund 840 Mrd. Rand für den Erwerb von Waren und Dienstleistungen aus. Ein Großteil solcher Auftragserteilung erfolgt durch Unternehmen im staatlichen Besitz. Würde die Mehrheit solcher Aufträge an südafrikanische statt ausländische Unternehmen gehen, so bedeutete dies für die verarbeitende Industrie und den Dienstleistungssektor eine massive Rückendeckung für risikoreiche Innovationen und Expansion. Mehr Arbeitsplätze könnten geschaffen, Importe gegen Zahlung harter Währung vermindert werden. Betätigen sich aber südafrikanische Unternehmer nur als Vermittler zwischen Staat und ausländischen Konzernen und begnügen sich mit abgestaubten Kickbacks (Rückvergütungen als verdeckte Provisionen) für erfolgreiche Auftragsvermittlung (unter Umgehung der Regeln für saubere öffentliche Ausschreibungsverfahren), dann müssen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mehr aufbringen. Die Gesellschaft hat davon keinen Nutzen, denn die Steuern werden dabei nur zur Finanzierung korrupter Beziehungen verschwendet.

 


Als Kickback wird die Rückvergütung eines Teils des gezahlten Betrages eines Dreiecksgeschäftes zwischen Auftraggeber, Vermittler und Leistungserbringer an den Vermittler bezeichnet. Da der Kickback dem Auftraggeber, der ihn letztlich aufzubringen hat, nicht bekannt gemacht wird, spricht man auch von verdeckten Provisionen.


 

Nach Aussage des gerade aus dem Amt geschiedenen Chefs der Zentrale für öffentliche Auftragsvergabe im südafrikanischen Finanzministerium, Schalk Human, ist die „Plünderung des Staates" derzeit „exzessiv", weil die wichtigsten staatlichen Unternehmen Südafrikas von lästigen „Vermittlern" und parasitären politischen Eliten, die zusammen einen Schattenstaat bildeten, gekapert wurden.

 

Transnet-Aufträge unter Gupta-Kontrolle
Es ist bekannt, dass die Gupta-Brüder – ab 1993 eingewanderte indische Geschäftsleute – seit 2010 eine ständig intensivere Beziehung mit dem südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma und seiner Familie zum beiderseitigen Vorteil entwickelten. Eine Gruppe investigativer Journalisten, die Zugang zu ca. 200.000 Mails der Gupta-Brüder bzw. Gupta-Firmen in Südafrika erhielten, fand heraus, wie die Guptas die Kontrolle über die Auftragsvergabe des staatlichen Frachtlogistik-Konzerns Transnet erhielten.


Der jetzige Finanzminister Malusi Gigaba wurde im November 2010 zum Minister für öffentliche Unternehmen (im Staatsbesitz) bestellt und ernannte einen Monat später Iqbal Sharma zum Mitglied des Transnet-Vorstands. Das zunächst anvisierte Amt als Vorstandsvorsitzender verhinderte das Regierungskabinett mit Hinweis auf Sharmas enge Beziehungen zu den Guptas. Dafür wurde Sharma zum Chef des neu geschaffenen Transnet-Beschaffungsbüros ernannt. Als solcher führt er bei öffentlichen Ausschreibungen für Infrastruktur im Wert von mehr als 2,5 Mrd. Rand den Vorsitz. Zum geschäftsführenden Vorsitzenden (CEO) von Transnet ernannte Minister Gigaba 2011 Brian Molefe.


Ein weiterer Mitspieler wurde Anoj Singh, ein öffentlich zugelassener Wirtschaftsprüfer. Von 2009 bis Juni 2012 diente Singh als vorläufig diensthabender Finanzchef der Transnet SOC Ltd. Minister Gigaba bestellte ihn darauf zum Finanzchef der Transnet-Gruppe vom Juli 2012 bis Ende September 2015. Danach wechselte er auf Veranlassung Lynne Brown, der Nachfolgerin von Malusi Gigaba als Ministerin für öffentliche Unternehmen, zusammen mit Brian Molefe zum Strom-Monopolisten Eskom über. Sowohl Transnet wie Eskom gaben den Gupta-Brüdern Zugang zu raschen Milliardengewinnen auf Kosten der Steuerzahler.


Die investigativen Journalisten identifizierten mit Hilfe der Gupta-Mails Transnet-Verträge über die Lieferung von Hafenkränen, Lokomotiven, Telkom-Ausrüstungen und anderen Dienstleistungen im Gesamtwert von 28,9 Mrd. Rand, für deren Vergabe die Gupta-Firmen Kickbacks im Werte von 5,6 Mrd. Rand erhielten. Zu den so identifizierten Auftragsgewinnern und Kickbackzahlern gehören die schweizerische Fa. Liebherr ebenso wie der chinesische Lokomotivhersteller CSR. Wie diese Kickbacks gewaschen und an verschiedene Guptafirmen in Asien, im mittleren Osten, in den USA oder Südafrika verteilt wurden, geht aus den Gupta-Mails hervor.


Die unabhängigen Buchprüfer von Transnet erwähnen in ihrem Bericht zum Ende des Finanzjahres 2016/17 Unregelmäßigkeiten, die mit der Verletzung der vorgeschriebenen internen Vorgehensweisen und der gesetzlich erforderlichen Prozesse bei Verträgen zwischen Transnet und verschiedenen Dienstleistern nach öffentlichen Ausschreibungen zu tun haben. Sie seien von mehreren höheren Managern begangen worden. Diese wurden so lange vom Dienst suspendiert, wie die externe Rechtsanwaltskanzlei Werksman den Korruptionsverdacht beim Staatsunternehmen Transnet untersucht. Der heutige geschäftsführende CEO der Transnet-Gruppe, Siyabonga Gama, werde seine Recherche auf die mit den Guptas verbundene Tequesta-Gruppe in Hongkong konzentrieren, die innerhalb von drei Jahren (2014-16) einen Schnitt von 21 Prozent des Transnet-Auftragswertes an die China South Rail kassiert habe, insgesamt 5,5 Mrd. Rand.

 


Integrität in der öffentlichen Auftragsvergabe
Integrität bedeutet unter anderem die Nutzung der vorhandenen Ressourcen für jährliche Beschaffungsmaßnahmen gemäß der zuvor angegebenen offiziellen Ziele. Verletzungen der Integrität würden einschließen:

  • Korruption, einschließlich Bestechung, Kickbacks, Nepotismus, Klientelismus
  • Betrug und Diebstahl von Ressourcen
  • Interessenskonflikte zwischen öffentlichem Dienst und späterer privater Anstellung
  • geheime Absprachen
  • Missbrauch und Manipulation von Informationen
  • diskriminierendes Verhalten im Laufe des Prozesses einer öffentlichen Auftragsvergabe
  • Verschwendung und Missbrauch organisatorischer Ressourcen.

 

In diese Liste der nicht integren Lieferanten von Transnet gehören seit Juli 2017 auch die deutschen Firmen SAP (Erträge 2016: 22 Mrd. Euro) und Software AG (weltweiter Ertrag 2016 872 Mio. Euro), für die die staatliche Transnet Südafrikas zu den „strategischen Kunden" zählt.

 

Nicht integer: Transnet-Kunden SAP...
2014 bemühte sich Lawrence Kandaswami, Managing Director der südafrikanischen SAP-Filiale, darum, dem Transnet-Unternehmen die Hana-Software von SAP zu verkaufen. Er schickte die Unterlagen zu diesem „database management product" an Santosh Choubey, einem Angestellten der Guptas. Choubey, der für Guptas Firma Sahara Systems arbeitete, leitete die Informationen weiter an den Unternehmer Salim Essa, einem engen Mitarbeiter der Gupta-Brüder. Ende 2014 bestätigte Transnet ein Abkommen mit SAP zum Erwerb der Hana-Software. Im Februar 2015 wurde Lawrence Kandaswami zum Leiter der SAP-Abteilung für den gesamten öffentlichen Sektor Südafrikas ernannt und Transnet zum „strategischen Kunden" der südafrikanischen SAP-Tochter befördert.


Trotz der schon etablierten Beziehung zwischen SAP und Transnet hielt die mächtige SAP es für notwendig, zwecks weiterer Aufträge seitens Transnet ein besonderes Verkaufskommissionsabkommen mit einer unbekannten Tochterfirma der Gupta-Sahara-Gruppe zu schließen, mit dem CAD House nämlich, das sich auf den Verkauf von 3D-Druckern spezialisiert hatte. CAD House ist vollständig im Besitz von der Fa. Sahara Systems. Letztere gehört zu 80 Prozent den Gupta-Angestellten und zu 20 Prozent den Sahara Holdings. Präsident Zumas Sohn Duduzane hält über zwei andere Firmen 24 Prozent der Sahara Holdings, während der Rest im Besitz der Guptas liegt.


Der Finanzchef von SAP Südafrika, Deena Pillay, behauptete, dies sei nichts anderes als das Anheuern eines weiteren Verkaufsagenten trotz bereits etablierter Kundenbeziehungen zu Transnet. Der Wortlaut des SAP-CAD-Abkommens macht auch deutlich, dass CAD ein „Fixer" war, der innerhalb einer bestimmten Zeitspanne einen Verkaufsdeal zwischen SAP und Transnet im Werte von mindestens 100 Millionen Rand abzuschließen hatte. CAD sollte zehn Prozent des Auftragswertes erhalten, falls es die „effektive Ursache" für einen unterzeichneten Transnet-Kaufvertrag mit der SAP sei. Der drittgrößte Software-Konzern der Welt ist sich also nicht zu fein, sich der Hilfe eines politisch gut vernetzten „Vermittlers" (der Guptas) zu versichern, um ein Geschäft mit dem Risiko abzuschließen, sich der Verletzung der internationalen Anti-Bestechungsgesetze schuldig zu machen.


Candice Govender von der Rechtsabteilung der südafrikanischen SAP gab zu, die Zugehörigkeit der CAD zur Saharagruppe der Gupta-Firmen sei bekannt gewesen. Man habe CAD aber überprüft und nichts Verdächtiges gefunden. Doch zum Zeitpunkt des Vertrages zwischen SAP und CAD hatten die investigativen Journalisten schon die Neotel-Story veröffentlicht: Neotel erhielt erst dann Transnet-Aufträge, nachdem man einer Gupta-Briefkastenfirma namens Homix eine Summe von 104 Mio. Rand an Kickbacks gezahlt hatte.


Das Abkommen zwischen SAP und CAD wurde im August 2015 geschlossen. Laut Gupta-Mails drängte die SAP schon am 21. September des Jahres darauf, CAD solle sich beeilen und eine Vertragsunterzeichnung seitens des Chef-Finanzbeamten der Transnet, Garry Pita, und dem IT-Chef der Firma bewirken. Die Transnet-Manager betonen heute, sie hätten sich niemals mit einer dritten Partei getroffen, um ihre Verträge zwischen Transnet und SAP zu diskutieren, schon gar nicht mit dem CAD House und Santosh Choubey. Das bekräftigt nur die Annahme, dass SAP und CAD wussten, das Abkommen werde die Guptas mit Millionen an Erfolgsprämien begünstigen, denn nur die Guptas könnten ihren politischen Einfluss geltend machen, um der SAP Geschäfte zu vermitteln.


Ab April bis Dezember 2016 flossen also die Kickback-Zahlungen der SAP an die Guptas über das Bankkonto des CAD-Hauses. Sie summierten sich am Ende auf 99,9 Mio. Rand. Anfang Juli hat die deutsche SAP-Konzernleitung das aktuelle Leitungsteam der südafrikanischen SAP-Niederlassung von ihren Funktionen suspendiert, um den Vorwürfen der investigativen Journalisten nachzugehen. „Die SAP steht für Integrität, Transparenz und Gesetzestreue", sagte Vorstandsmitglied Adaire Fox-Martin. „Wir werden Fehlverhalten nicht tolerieren."


Man darf höflich daran erinnern, dass die SAP im Jahr 2016 von der US Securities & Exchange Commission zu einer Strafe von 3,9 Mio. US-Dollar verurteilt wurde, weil ein hoher SAP-Manager Bestechungsgelder an einen lokalen „Vermittler" gezahlt hatte, um ein Geschäft mit einer staatlichen Institution in Panama machen zu können. Inzwischen sind zwei Monate seit Beginn der Untersuchung vergangen und die Konzernleitung hat noch keinen öffentlichen Bericht vorgelegt.

 

... und Software AG
Die deutsche Software AG hatte bereits einen lukrativen IT-Vertrag mit der Großstadt Ekurhuleni in der Gauteng-Provinz abgeschlossen und versuchte, 2014 ein ähnliches Geschäft mit Mangaung (ehemals Bloemfontein) im Freistaat zu tätigen. Hier stießen die Deutschen auf den Widerstand des Finanzchefs der Stadt, der auf einer öffentlichen Ausschreibung bestand. Um dennoch zum Zuge zu kommen, nahm die Software AG Kontakt zum zum Managing Director der südafrikanischen SAP auf. Dieser kontaktierte für sie die Sahara Systems der Guptas und die Global Softech Solutions (GSS), welche ab März 2015 unter Kontrolle der Guptas stand. Die Software AG schloss einen Vertrag mit GSS, nach dem diese bis zu 35 Prozent des Wertes eines von ihr vermittelten Auftrages erhalten sollte. Es hing hier um erhoffte Aufträge von Transnet, der Gefängnisbehörde, der Stadtverwaltung von Mangaung und den privaten Firmen SASOL und MultiChoice.


Die Geschäftsabschlüsse mit Mangaung, SASOL und der Gefängnisverwaltung scheiterten. Der Transnet-Deal kam nicht über ein Pilotprojekt hinaus (hier hätte sich die Software AG mit einer Lizenzgebühr für die Bereitstellung der Software zufrieden gegeben, während die GSS am Erfolg der Anwendung der Software zu 50 Prozent beteiligt war). MultiChoice schloss tatsächlich einen Vertrag mit der Software AG, aber die GSS wurde im Vertragstext mit keinem Wort erwähnt. Gleichwohl erhoffte sich die GSS einen Gewinn von 4,5 Mio. Rand für den erfolgreichen Vertragsabschluss.


Die Bereitschaft zur Zahlung von Kickbacks zwecks Abschluss profitabler Lieferverträge war also seitens der Software AG vorhanden, allerdings war das Abkommen mit der GSS nicht sonderlich erfolgreich. Die Guptas haben die GSS inzwischen verkauft. Das Büro in Rivonia stand leer, als die Journalisten bei ihrer Recherche dort aufkreuzten. Schreiben über die offiziellen Email-Adressen der GSS wurden unbeantwortet an den Absender zurückgesandt.

 

Der Nutzen der Kickbacks für Jakob Zuma
Kickbacks der Transnet-Lieferanten wurden teilweise dazu verwandt, das Haus der vierten Ehefrau des polygamen Präsidenten Jacob Zuma, Bongi Ngema-Zuma, und ihres gemeinsamen kleinen Sohnes Sinqumo zu finanzieren.


Dieses Haus am exklusiven Waterkloof Ridge von Pretoria wurde im April 2010 für 5,24 Mio. Rand gekauft. Die Guptas steuerten 4,5 Mio. Rand dazu bei. Sie leisteten zunächst eine Anzahlung von 1,15 Mio. Rand und den Rest in monatlichen Raten von 65.000 Rand auf das Konto des Sinqumo Trusts bei der Baroda Bank. Die Ratenzahlungen der Guptas liefen über die Firma Mabangela, deren Mehrheitsanteileigner Duduzane Zuma und Rajesh „Tony" Gupta sind. Empfangene Bestechungsgelder wurden also von den Guptas an die Frau des amtierenden Präsidenten Südafrikas überwiesen, so die Vorwürfe der investigativen Journalisten.


Bongi Ngema-Zuma war 2010/11 bei der Gupta-Firma JIC Mining Services angestellt. Zum Jahresausklang 2011 koordinierte sie die Jahresabschlussparty der höheren Angestellten. Die Einladungen wurden am 17. November 2011 zur Post gebracht. Ngema-Zuma merkte an, die Teilnehmer sollten ihre Party-Kostüme auf das Thema des Events ausrichten. Dieses hieß „MAFIA".


Gottfried Wellmer