Heft 5/2018, afrika süd-Dossier: Zivilgesellschaft

Citizen Journalism

SOZIALE MEDIEN HABEN IN SIMBABWE ZUNEHMENDEN EINFLUSS. Gewöhnliche Menschen verschaffen sich als sog. Bürgerjournalisten bei den Behörden und Politikern Gehör. Sie nutzen dafür das Internet und soziale Medien wie WhatsApp-Gruppen. Restriktive Mediengesetze stehen einer freien Meinungsäußerung jedoch noch im Wege.

Bürgerjournalismus in Simbabwe kann auch als Guerilla-Journalismus oder Basis-Journalismus bezeichnet werden. Er wird von gewöhnlichen Bürgerinnen und Bürgern praktiziert, die sich für Entwicklung in ihrem Umfeld begeistern.

Es gibt zwei Kategorien von Bürgerjournalisten in Simbabwe: jene, die ihre Meinung über soziale Medien kommunizieren, sowie diejenigen, die sich aktiv zu verschiedenen Themen engagieren, darunter Menschenrechte, Anliegen von Menschen mit Behinderung, Umwelt- und Genderfragen, HIV/Aids-Aktivisten oder Lobbyisten für politische und sexuelle Rechte. Sie arbeiten in erster Linie für verschiedene Medienhäuser, einschließlich nicht lizenzierte kommunale Medienorganisationen.

Die zweite Kategorie von Bürgerjournalisten umfasst Personen, die eine Grundausbildung darin haben, personenbezogene Nachrichten zu sammeln, zu editieren und zu verbreiten, die von den Mainstream-Medien in der Regel ignoriert werden. Dagegen nutzen beide Gruppen die sozialen Medien, die durch neue Medienökologien hervorgerufen wurden. Dadurch, dass sie das Internet benutzen, haben die neuen Medien den Kommunikationsdiskurs zugunsten der einst marginalisierten und stimmlosen Normalbürger demokratisiert.

Zum Kommunizieren gezwungen
Simbabwe erfreut sich derzeit einer hohen Internet- und Mobilfunk-Penetrationsrate, die laut der Post- und Telekommunikationsregulierungsbehörde von Simbabwe (Potraz) bei 97 Prozent (2017) liegt. Dies ermöglichte es Bürgerjournalisten in der Praxis, Personen in Führungspositionen zur Rechenschaft zu ziehen. Die Bürgerinnen und Bürger sind nun in der Lage, den Status quo durch die Interaktion mit den Amtsträgern und Gemeindeleitern über Online-Plattformen wie Facebook, Twitter und WhatsApp in Frage zu stellen. Ganz normale Bürger können jetzt mit Behörden, die vorher nur schwer zugänglich waren, in Kontakt und Dialog treten. Die neuen Medien haben die Bürokratien überbrückt, die die Staatsmacht auszeichneten. Politische Amtsträger konnten nur über öffentliche Veranstaltungen zur Eröffnung von Einrichtungen und Treffen, denen sie offiziell beiwohnten, mit den Bürgerinnen und Bürgern interagieren.

Zuvor waren es die Funktionäre, die zur Öffentlichkeit sprachen, nicht umgekehrt, doch dank dieser neuen Medienökologien, die mit der Demokratisierung der Kommunikationswege die Machthaber dazu gezwungen haben, auf die Öffentlichkeit zu reagieren, verfügen die Menschen nun über ein Sprachrohr gegenüber der Macht.

Minister der Regierung, mit denen es schwierig zu kommunizieren war, können jetzt leicht online erreichbar sein. Zu den namhaften Politikern, die vom Bürgerjournalismus gezwungen wurden, mit den Bürgern online zu kommunizieren, gehören der ehemalige Minister für höhere Bildung Johnathan Moyo und der frühere Minister für lokale Angelegenheiten Seviour Kasukuwere. Bis zu ihrer Entlassung sahen sich die beiden gezwungen, auf öffentliche Anfragen zu Themen zu reagieren, die in ihre Portfolios fielen.

Die lokalen Behörden haben am meisten vom Bürgerjournalismus profitiert, da sie nicht länger darauf warten müssen, dass die Mainstream-Medien sie interviewen oder dass sie Pressemitteilungen zu Fragen der Bereitstellung von Dienstleistungen senden können. Bürger nutzen in ihren jeweiligen Wohngebieten soziale Medien, um geplatzte Wasser- und Kanalisationsleitungen, Stromausfälle und Müllabfuhrdefizite unter vielen anderen Problemen zu melden, die die lokalen Behörden in ihren Gebieten angehen müssen.

Die Bewohner sind sogar noch weiter gegangen und bilden WhatsApp-Gruppen, in die sie die Telefonnummern ihrer lokalen Führung aufnehmen, z.B. ihrer Wahlkreisabgeordneten, Ratsmitglieder oder im Falle ländlicher Gebiete des Dorfvorstehers. In diesen Gruppen diskutieren sie Entwicklungsfragen und bieten Lösungen für Probleme, die sie plagen. Betreiber von Mainstream-Medien nutzen diese Plattformen, die von Bürgerjournalisten geführt und verwaltet werden, nun als Quelle, über die sie Nachrichtentipps erhalten, die sie weiterverfolgen können.

Macht der soziale Medien erkennen
Auf der anderen Seite haben die lokalen Behörden in einigen Fällen positiv reagiert und sind diesen sozialen Mediengruppen beigetreten, um mitzubekommen, welche Probleme die Bewohner umtreiben. Ein Beispiel dafür ist der ehemalige Bürgermeister von Harare, Bernard Manyenyeni. Manyenyeni war nicht nur auf Facebook aktiv, sondern gehörte auch allen 46 WhatsApp-Gruppen an, die sämtliche Wahlkreise der Stadt repräsentieren, und war auf fast allen diesen Plattformen sehr aktiv.

Der Zugang und die Erschwinglichkeit des Internets sind jedoch nach wie vor eine Herausforderung. Das gilt für den Zugang zur Stromversorgung, die benötigt wird, um online zu bleiben oder Mobiltelefone aufzuladen, ebenso wie für die Frage der Kosten für das Internet.

Der neu gewählte Präsident des Landes, Emmerson Mnangagwa, hat die Macht der sozialen Medien erkannt und sich kürzlich der digitalen Welt angeschlossen. Er ist jetzt auf Twitter und Facebook aktiv, wo er Fragen der Bürgerinnen und Bürger beantwortet. Der Präsident hat die Macht des Bürgerjournalismus anerkannt, doch er muss seine Aufrichtigkeit, gegensätzliche Ansichten zu tolerieren, noch beweisen, indem er einige die Medienfreiheit behindernde Gesetze aufheben lässt. Immerhin hat sich der Präsident über die Existenz von Mediengesetzen besorgt gezeigt, die verfassungsrechtlich garantierten Rechten widersprechen, und hat seine Bereitschaft angekündigt, sie an die neue Verfassung, die im Mai 2013 verabschiedet wurde, anzupassen.

Restriktive Mediengesetze als Hindernis
Zu diesen Gesetzen gehören: Access to Information and Protection of Privacy Act (AIPPA) von 2002, Broadcasting Services Act (BSA) von 2001, Public Order and Security Act (POSA) von 2001, Official Secrets Act sowie die Kodifizierung und Reform des Strafrechts von 2008. Diese und viele andere Gesetze bleiben trotz der Existenz der neuen Verfassung in Kraft. Als Grund dafür sehen die Bürger einen Mangel an politischem Willen auf Seiten der regierenden Zanu-PF. AIPPA, das Gesetz zum Informationszugang und Schutz der Privatsphäre, verlangt von neuen Printmedien, bei der Zimbabwe Media Commission (ZMC) eine Betriebslizenz zu beantragen, während das Rundfunkgesetz BSA sagt, dass aufstrebende Sender warten sollten, bis die Regierung sie zu Rundfunklizenzanträgen aufruft, obwohl sie die Modalitäten der Unternehmensregistrierung durch den Registrar für Unternehmen vollständig erfüllt haben.

Diese restriktiven Mediengesetze behindern normale Bürger, unabhängige Stimmen und zivilgesellschaftliche Organisationen, deren Aufgabe es ist, eine Wachhundrolle gegenüber der Regierung zu spielen, während sie prominente Personen, Beamte und öffentliche Einrichtungen durch unbegrenzten Zugang zum Massenpublikum durch traditionelle und konventionelle Medien fördern. Diese Gesetze kriminalisieren auch die freie Meinungsäußerung und die Ausübung des Journalismus durch unabhängige oder nicht registrierte Journalisten und Medienorganisationen, von denen die meisten als Community-Radio-Initiativen oder als Inhalte produzierende Medienhäuser betrieben werden, die als Stiftungen registriert wurden, um eine Kollision mit den Gesetzen zu vermeiden.

Eine Reihe von Bürgerjournalisten wurden wegen angeblicher Verstöße gegen diese gesetzlichen Bestimmungen vom Staat verhaftet, angeklagt und verfolgt. Laut einem Bericht der simbabwischen Anwälte für Menschenrechte (ZLHR) von 2016 hatte der Verband über 150 Privatpersonen vertreten, die beschuldigt wurden, den früheren Präsidenten Robert Mugabe seit 2010 beleidigt zu haben. Allerdings ist bisher noch niemand verurteilt worden, da die Organisation erfolgreich die Verfassungsmäßigkeit dieses besonderen Gesetzes herausforderte, das die Freiheit der Meinungsäußerung sowie der Medien, insbesondere in Bezug auf Amtsträger, verletzt.

Es obliegt der neuen Regierung, ob das Medienumfeld verbessert wird. Vom Präsidenten des Landes stammt der Satz: „Die Stimme des Volkes ist die Stimme Gottes." Es bleibt abzuwarten, ob den Menschen tatsächlich ihre „Stimme" gewährt wird, indem alle restriktiven Mediengesetze zu Gunsten der Stärkung von Demokratie und Entwicklung widerrufen werden.

Garikai Chaunza

Der Autor ist unabhängiger simbabwischer Journalist, Hörfunkredakteur und Medienmanager. Er ist Mitgründer des Bürgerradios „Community Radio Harare".