Heft 5/2018, afrika süd-Dossier: Zivilgesellschaft

Kreativer Widerstand

MOTO REPUBLIK UND DAS MAGAMBA NETWORK IN SIMBABWE zeigen, wie zivilgesellschaftliche Organisationen, die soziale Medien kreativ nutzen und die Bevölkerung mit Kampagnen mobilisieren, sich gegen Repressionsversuche zur Wehr setzen. Unter der neuen Regierung Mnangagwa erhoffen sie sich mehr Handlungsspielräume.

Aktivismus, der den Mächtigen die Wahrheit vorhält und den Status quo herausfordert, ist gefährlich in Simbabwe. Dies war besonders in den letzten 17 Jahren der autokratischen Herrschaft des ehemaligen Präsidenten Robert Mugabe der Fall. Mugabe nutzte drakonische Gesetze zur öffentlichen Ordnung und Sicherheit (POSA, 2001), zum Rundfunk (BSA, 2001) und zum Zugang zu Informationen und Schutz der Privatsphäre (AIPPA, 2002), um gegensätzliche Ansichten zum Schweigen zu bringen. Mit diesen Gesetzen werden Journalismus und nicht genehmigte Zusammenkünfte kriminalisiert und die Meinungs- wie die Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Daher braucht es eine dynamische Zivilgesellschaft, die Gegenmaßnahmen ergreift, um ihrer „Watchdog"-Rolle gerecht zu werden und die Bürgerinnen und Bürger zu ermächtigen.

Moto Republik und das Magamba Network sind Beispiele für solche zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich die Einführung neuer Medientechnologien zu Nutze gemacht haben, die autokratische Regime weltweit wie auch in Simbabwe erschüttert haben. Die von ihnen genutzten neuen Medienplattformen wie Facebook, Twitter, WhatsApp und Live-Streaming auf Facebook haben Bürgerinnen und Bürger gestärkt, denen ihr Recht auf Information für lange Zeit vorenthalten wurde. Beide Organisationen geben etlichen kreativen New Media-Organisationen wie Bus Stop TV, Calabash Media, Feed.zw und Open Parly einen Wirkungsort, darunter junge kreative Künstler, Bürgerjournalisten und professionelle Reporter, die staatlichen Repressionsversuchen durch die Nutzung dieser neuen Medienökologien standgehalten haben.

Mit Hashtag gegen die Schließung von Moto Republik
Im Februar 2017 griff Harares Stadtverwaltung auf Befehl der Regierung die Räumlichkeiten von Moto Republik und ihre Büros an, die aus Schiffscontainern gebaut wurden, und versuchte diese unter dem Vorwand zu schließen, das Material sei illegal und entspräche nicht den Bauvorschriften. Die Organisation widersetzte sich der Zwangsräumung, indem sie eine Social-Media-gestützte Kampagne namens #SaveMotoRepublik startete, die eine überwältigende Resonanz unter der Bevölkerung fand und damit die Regierung zum Rückzug zwang. Der Hashtag ermutigte die Menschen, E-Mail- und WhatsApp-Accounts des für die lokale Regierung und Stadtentwicklung zuständigen Ministers und des Bürgermeisters von Harare mit Nachrichten zu überschwemmen und einen sofortigen Abbruch des Abrisses zu fordern. Eine zusätzlich durchgeführte Online-Petition brachte mehr als zweitausend Unterschriften, die dem Minister übergeben wurde. Gleichzeitig wandte sich die Organisation auch an die Gerichte, um die Rechtmäßigkeit der Räumung ohne Gerichtsbeschluss anzufechten.

„Wir haben die Namen der Beamten und ihre Telefonnummern veröffentlicht und dafür gesorgt, dass die Bürger wissen, wen sie anrufen und SMS-Nachrichten senden sollen, um den Abriss von Moto Republik zu verhindern. Dies half, den Druck auf die Beamten, die hinter der Abrissanordnung standen, zu erhöhen", erklärt Munyaradzi Dodo, der Projektleiter von Magamba Network. „Die Petition war also ein Weg und die sozialen Medien ein anderer."

Durch die versuchte und schließlich verhinderte Zerstörung habe sich so die Sichtbarkeit von Moto Republik enorm gesteigert, meint Samm Monroe, alias Comrade Fatso, Creative Director des Magamba Network und Mitbegründer von Moto Republik.

Eine Schließung „hätte das gesamte Ökosystem lahmgelegt, da Moto Republik eine Plattform für verschiedene Organisationen ist, deren Arbeit gestört würde und die wenigen demokratischen Räume, die auch alternativen Medienplattformen nutzen konnten, geschlossen worden wären", sagt Dodo.

Von diesen vielfältigen Gegenmaßnahmen herausgefordert, setzte die Regierung auf Propaganda, mittels Zeitungen wie The Patriot und Regierungsveröffentlichungen, in denen sie Moto Republik und ihre Schwesternorganisationen dämonisierte. Im November 2017 wurde wiederum eine Mitarbeiterin vom Magamba Network, Martha O'Donova, verhaftet, weil sie angeblich die Behörden und eine legitim gewählte Regierung über die sozialen Medien unterminiert hätte. Sie verbrachte sieben Tage im Hochsicherheitsgefängnis in Chikurubi. Da der Staat aber keine Beweise zur Untermauerung der Vorwürfe vorbringen konnte, wurde die Anklage fallengelassen.

Gemeinsam stark sein
Die meisten zivilgesellschaftlichen Organisationen haben es als vorteilhaft empfunden, als Koalitionen ihrem Mandat, sich für die Freiheit einzusetzen, nachzugehen. Das hat den Vorteil, gegenüber der Regierung mit einer Stimme zu sprechen und Doppelarbeit zu vermeiden. Das Magamba Network ist mit einer Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen der lokalen Medien verbunden, darunter die Media Alliance of Zimbabwe (MAZ), das Simbabwe-Büro des Media Institute of Southern Africa (MISA) und der Voluntary Media Council of Zimbabwe (VMCZ). Die Medienallianz MAZ organisiert Treffen, auf denen sie auch Regierungsvertreter einlädt, um über Medienpolitik zu diskutieren. MISA Zimbabwe hat sich darauf spezialisiert, Medienaktivisten und freiberufliche Journalisten, die bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verhaftet werden, Rechtsbeistand zu gewähren, während der Freiwillige Medienrat VMCZ Beschwerden gegen Journalisten behandelt, die von anderen Organisationen, der Regierung oder Einzelpersonen stammen.

Die Regierung hat sich zwar nicht zu freiwilligen Medienvorschriften verpflichtet, doch eine Reihe von Regierungsbeamten und Mitgliedern der regierenden Zanu-PF hat beim VMCZ Beschwerde gegen verschieden Medien eingereicht. Auf solche freiwilligen Regularien drängen Moto Republik und das Magamba Network. „Medienreformen stehen auf unserer Agenda, insbesondere die Angleichung der Gesetze AIPPA und BSA sowie alle weiteren notwendigen Reformen. Das ist es, woran die Zivilgesellschaft und Magamba interessiert sind, denn die Meinungsfreiheit wurde seit der Ära Robert Mugabe mit Füßen getreten. Mit Unterstützung anderer Organisationen wie MISA und dem VMCZ versuchen wir, Druck auf die Regierung auszuüben, um eine plurale und vielfältigere Medienlandschaft im Land zu ermöglichen, so wie es die Verfassung vorschreibt und garantiert", sagt Dodo.

Moto Republik ist ein Kreativzentrum und innovativer Co-Working-Raum für junge Kreative, Aktivisten, Bürgerjournalisten, Designer und Animatoren. Gesellschaftliches Engagement, wie es dort ausgeübt wird, zieht junge Menschen und Start-ups in Harare an, um visionäre Ideen zu diskutieren, die das Land voranbringen können. In dem Zentrum finden Talkshows, Satire, Theater und Konzerte als Mittel zum Selbstausdruck über die politische Situation statt. „Ein wirklicher Raum für Kreativität und freie Meinungsäußerung, die in dem repressiven und unterdrückerischen Klima so nötig sind. Hier können wir politisch und wirtschaftlich aktiv sein", so Monroe, der Mitbegründer des Zentrums.

Charles Kudzanai Kaemba, der Rezeptionist von Moto Republik, ergänzt, dass die Diskussionen, die dort geführt werden, die Teilnehmer auch dazu bewegen, ihre Netzwerke zu erweitern. „Der Grund, warum ich motiviert bin, bei Moto Republik zu arbeiten, ist, dass es ein so freier Raum ist, es ist jung und es vibriert und es fördert die Freiheit des Denkens, die freie Meinungsäußerung für alle jungen Menschen aus verschiedenen Bereichen des Lebens und es bringt auch positive Veränderung für die Gemeinschaft und unser Land hier in Simbabwe."

Neue Regierung offener?
Eine Bewertung der Regierung unter Präsident Emmerson Mnangagwa nach fast einem Jahr zeigt, dass sich im Vergleich zur Ära seines Vorgängers Mugabe der demokratische Raum leicht geöffnet hat. Unter Mugabe wurden Menschenrechtsverteidiger bereits für die Forderung nach Freiheit und die Infragestellung von Behörden kriminalisiert und auf Personen, die sich mit ihrem Anliegen an Offizielle wandten, bewaffnete Polizisten gehetzt. Die Frauenrechtsgruppe Woza (Women of Zimbabwe Arise), die soziale Bewegung #tajamuka und #Thisflag, eine Social-Media-Aktivistenbewegung, sind Beispiele für zivilgesellschaftliche Organisationen, die unter Mugabes Herrschaft litten.

Das Magamba Network bestätigt, dass seine Arbeit seit dem Amtsantritt von Präsident Mnangagwa noch nicht durch staatliche Akteure unterbrochen wurde. Anders als zu Zeiten Mugabes seien Regierungsbeamte bislang offen für den Kontakt mit zivilgesellschaftlichen Organisationen. „Der Ton und der Vorgehen der neuen Regierung sind anders. Sie verwendet ihre repressiven Staatsorgane weniger dazu, zivilgesellschaftliche Organisationen stillzulegen. Die neue Regierung befindet sich noch in der Probezeit, aber wie es scheint, ist sie eher bereit, sich auf zivilgesellschaftliche Organisationen einzulassen als zuvor. Je nachdem, in welchem Bereich diese aktiv sind, ist die Regierung nun zugänglicher, aber die Instrumente, die Robert Mugabe nutzte, sind immer noch vorhanden, d.h. die Polizei und die repressiven Gesetze. Solange POSA und AIPPA nicht überarbeitet werden, können wir jedoch sagen, dass sich in Bezug auf die Gesetzgebung nicht viel geändert hat", meint Dodo.

Die dringend erforderlichen Medienreformen sind ein Lackmustest für Mnangagwas Versprechen einer demokratischen Gesellschaft, das er im Wahlkampf verkündet hatte. Seine Regierung nennt Gemeinschaftsradios immer noch „illegale Piratenradios" trotz der Existenz von institutionellen und Rundfunkgesetzen, die ein dreistufiges Rundfunksystem (öffentlich, kommerziell und gemeinschaftlich) vorsehen. Erst die Abschaffung solch archaischer Gesetze wie POSA, AIPPA oder des Official Secrecy Act (Gesetz über Amtsgeheimnisse) würde Mnangagwa den Demokratietest bestehen lassen.

Mnangagwa hat auch das anhängige Gesetz zu Computerkriminalität und Cyberverbrechen (Computer Crimes and Cyber Crimes Law) von seinem Vorgänger geerbt. Derzeit liegt es dem Büro des Generalstaatsanwalts, dem Rechtsberater der Regierung, vor, wo es seinen letzten Schliff bekommen soll. Dieses Gesetz zielt darauf ab, die Computer, Telefone und Laptops der Bürgerinnen und Bürger auszuspionieren, und ermächtigt die Polizei, diese einzuziehen, wenn ein krimineller Tatbestand vermutet wird. Unter diesem Gesetz würden Blogger und Nutzer von sozialen Medien auf die gleiche Art und Weise wie Nachrichtenorganisationen einer Lizenzierung unterliegen. Alle die Errungenschaften, die das digitale Zeitalter gebracht hat, würden dadurch ausgebremst werden.

Garikai Chaunza

Der Autor ist unabhängiger simbabwischer Journalist, Hörfunkredakteur und Medienmanager. Er ist Mitgründer des Bürgerradios „Community Radio Harare".